Buchbesprechung „Das Opferfest“
Apr 292011
 

Mobbing für Fortgeschrittene

(iz) Martin Wein hat schon einen ganzen Stapel Bücher geschrieben. Sachbücher, teils ernst, teils augenzwinkernd, über das Zirkuswesen der DDR, über Schülerlabore, eine ganze Reihe über Deutschlands häufigste Familiennamen. Zuletzt besprachen wir im Gegenwind “Stadt wider Willen” – die Geschichte Wilhelmshavens vom Kaiser bis zur Nazizeit, gleichzeitig die Dissertation des Wahl-Wilhelmshaveners und Historikers Martin Wein. Soeben ist mit “Nächster Halt: Wilhelmshaven” die Fortsetzung der erfolgreich verkauften Anekdotensammlung “Um drei Uhr an der KW-Brücke” von 2008 erschienen. Hier geht es aber um Martins gleichfalls taufrischen Erstlingsroman “Das Opferfest”. Darin geht es nicht um Wilhelmshaven, sondern um Mobbing, und das ist, leider, ein global-kapitalistisches Thema, das auch vor Beschäftigten in unserer “Stadt am Rande der Wetterkarte” (Martin Wein) nicht Halt macht.

OpferfestTatsächlich beschleicht einen beim näheren Hinlesen das Gefühl, dass Ähnlichkeiten mit lebenden Personen nicht auszuschließen sind, wenn auch, schon aus juristischen Gründen, rein zufällig. Nur für sich selbst darf der Autor, auf seinen Protagonisten Frank Schneider (geschasster Umlandredakteur einer Berliner Zeitung) angesprochen, “etwa 30% autobiografische Züge” in Anspruch nehmen. Alle anderen potenziellen Vorbilder bleiben so anonym wie der Haufen von Losern, den Martin für das “Opferfest” im Hinterzimmer einer Pizzeria vereint: Mobbingopfer, die sich via Internet zum gegenseitigen Outing verabreden. Klingt lustiger, als es ist. Allenfalls die Betroffenen selbst dürfen sich über ihre Geschichte amüsieren, um mal für einen Abend der Depression zu entfliehen. Wer als Leser/in die bittere Ironie nicht kapiert, wird spätestens beim unhappy end eingenordet, um was es geht.

Jedem Kapitel ist ein Epilog gewidmet, in dem der Autor mit seinen Romanfiguren oder seinem Schicksal als Schreiber hadert oder einfach ein bisschen drauflos philosophiert. Zu den hübschesten Loser-Geschichten gehört die des Dramaturgen Erwin, aufgerollt in einem Briefwechsel mit seinem Intendanten. Kabale und Hiebe werden bekanntlich vor allem hinter den Theaterkulissen inszeniert, aber so oder ähnlich wird auch verbal mit Messer und Gabel in anderen öffentlichen Einrichtungen aufeinander rumgehackt.

Mehr darf man eigentlich nicht verraten, ohne den Genuss einer kurzweiligen wie nachdenklich stimmenden Abendlektüre zu stören. Also ran an Martin Weins prosaisch verdichtete Gesellschaftskritik.

Martin Wein: Das Opferfest. VAT Verlag André Thiele, Mainz am Rhein 2011. 158 S. ISBN 978-3-940884-44-2. 14,90 Euro.

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