Beta-Oil
Mrz 111991
 

„Wir sind die Grünen“

Gegenwind-Gespräch mit dem Beta-Boss

(hk/jm) Ein Mann mit einem Ziel – so stellte sich der Beta-Boss van Weelden dem Gegenwind dar. Ob er mit seiner Art Geschäfte zu machen, mit seinem Weitblick, dieses Ziel erreichen wird – darauf darf man gespannt sein.

Bild: Burkhard Königshoff

Bild: Burkhard Königshoff

Gegenwind: Warum haben Sie diese Raffinerie gekauft?
van Weelden: Weil es in der Bundesrepublik zu wenig Raffineriekapazitäten gibt. Seit 1980 wurden die Kapazitäten um 42% gesenkt. Von 31 Raffinerien sind heute nur 15 übrig geblieben. Wir sind glücklich, dass diese Raffinerie instand geblieben Ist. Eine der besten Raffinerien Deutschlands.

Gegenwind: Haben Sie mit dem Kauf der Raffinerie auch alle Verträge, Absprachen, Vereinbarungen der MOBIL mit übernommen?
van Weelden: 
Ja

Gegenwind: Woher bezieht Beta ihr Rohöl?
van Weelden: 
Hauptsächlich vom freien Markt. Wir haben Präferenzen für russisches Rohöl und für Nordseeöl, aber wir wollen eine maximale Flexibilität haben.

Gegenwind: Stecken auch arabische Kapitalgeber hinter Beta?
van Weelden: 
Ich habe in meiner Tasche noch kein arabisches Kapital gesehen. Jede Mark sieht gleich aus. Bei Beta gibt es kein arabisches Kapital. Es ist gut möglich, dass es im Rohöl-Bereich welches gibt. Ich schließe keine Möglichkeit aus.

Gegenwind: Sie nannten als Rohöllieferanten auch die Sowjetunion. Die Sowjets befördern ihr Rohöl in relativ kleinen Tankern. Da wird es bei 6 Mio. Tonnen pro Jahr ein ganz schönes Gedränge auf der Jade geben.
van Weelden: 
Die über die Ostsee kommenden Tanker haben eine Größe von 40.000 bis 50.000 Tonnen. Aus der Nordsee kommt das Öl in Großtankern von 150.000 Tonnen. Und Nordseeöl wird den größten Anteil ausmachen. Das heißt, ein Tanker pro Woche. Das Gedränge in der Jade wird nicht so groß sein wie in der Elbe.

Gegenwind: Wie hoch war der Kaufpreis der Raffinerie, welche staatlichen Hilfen bekommt Beta und was wird Beta hier investieren?
van Weelden: 
Wir werden für die Wiederinbetriebnahme 250 Mio. DM ausgeben, inklusive Kaufpreis.
Gegenwind: Nach unseren Informationen lag der Kaufpreis für die Raffinerieanlagen, die ca. 1 Milliarde wert sind, bei 30 Mio. und der für das Grundstück bei 40 Mio. Mark.
van Weelden: 
In Kuwait habe ich eine Raffinerie für 1 Mark gekauft – und da waren sogar noch 400 Leute dabei.
Gegenwind: 250 Millionen – sind da die Hilfen der öffentlichen Hand bereits abgezogen?
van Weelden: 
Wir sind noch im Gespräch mit den Behörden, das ist noch nicht abgeschlossen. Es gibt natürlich die Möglichkeit, einen Zuschuss zu bekommen, aber den bekommt man ja auch nicht umsonst. Die Anteilseigner bezahlen auch und Sie dürfen nicht vergessen, dass die das große Risiko tragen. Man steckt ja den Zuschuss nicht In die Tasche und läuft dann weg.

Gegenwind: Für uns stellt sich das so dar, dass diese Raffinerie hier aus Steuergeldern mitfinanziert wurde. Und diese bereits einmal subventionierte Anlage wird jetzt nochmals subventioniert. Ist der Staat ein Selbstbedienungsladen?
van Weelden: 
Wilhelmshaven steht vor der Wahl: Entweder wird die Raffinerie abgerissen, dann gibt es keine Arbeitsplätze, dann gibt es kein Geschäft und der Dreck aus England fällt weiter auf Deutschland. Eine Investition, wie sie hier von Mobil getätigt wurde, darf nicht durch einen Bleistiftstrich abgetan werden, dann es ist eine der modernsten Raffinerien in Europa. Es ist eine Raffinerie mit einer vernünftigen Kapazität. Die Lage Wilhelmshavens ist gut. Nicht die Beste in der Welt, aber gut. Und deswegen sagen wir: Es ist vernünftig, diese Raffinerie zu kaufen. In Deutschland sind zu viele Raffinerien geschlossen worden. Und jetzt steckt man den Kopf In den Sand und importiert Rohölprodukte. Man muss in Deutschland auch akzeptieren, dass eine Raffinerie eine Funktion in der Gemeinschaft hat. Da kann man besser mit der Wirtschaft zusammenarbeiten und sagen ,,Wir finden einen Weg“, statt Raffinerien zu schließen, und dabei 100.000 Arbeitsplätze zu verlieren.

Gegenwind: Sie tun so, als wenn der Staat die Verantwortung für die Schließung der Raffinerien trägt. So ist das ja nicht. Es waren doch einzig die Ölkonzerne, die beschlossen, Kapazitäten stillzulegen. Keine einzige Raffinerie ist auf Betreiben des Staates oder wegen Umweltauflagen geschlossen worden.
van Weelden: 
Ich habe nicht gesagt, dass der Staat der Verursacher war – das haben Sie gesagt. Was glauben Sie, warum die Gesellschaften hier geschlossen haben?
Gegenwind: Das fragen wir Sie. Die Begründung der Ölgesellschaften und auch der MOBIL in Wilhelmshaven war einstimmig, dass die Kapazitäten in der Bundesrepublik zu hoch seien.
van Weelden: 
Ursachen für den Rückzug der Konzerne waren: 1.) Die Lohnkosten waren, im Vergleich zu anderen Ländern zu hoch. 2.) Die Bundesrepublik hat die schärfsten Umweltgesetze in Europa und 3.) Die installierten Kapazitäten waren zu hoch. Doch in der Bundesrepublik wurde zuviel stillgelegt. Während in Westeuropa insgesamt ein Rückgang von 30% zu verzeichnen war, reduzierte Deutschland um 42%. Jetzt importiert die Bundesrepublik Rohölprodukte. Das Ruhrgebiet ist praktisch zum Hinterland Rotterdams geworden.

Gegenwind: Als einen der Gründe fürs Raffineriesterben nannten Sie die hohen Lohnkosten. Im letzten GEGENWIND glossierten wir einen Beta-Arbeitsvertrag. Inzwischen erfuhren wir, dass Beta normale Facharbeiter zu Meisterlöhnen einstellt. Was steckt da für ein System hinter – wird bei Beta nach ,,Gutsherrenart“ entlohnt? Wie steht es um Tarifverträge, wie sieht es mit der Gewerkschaft aus?
van Weelden: 
Wir arbeiten noch nicht mit der IG Chemie zusammen. Wir müssen zuerst feststellen, was für Leute können wir einstellen, was für Leute stehen zur Verfügung. Eine der wichtigsten Sachen ist, dass es Leute gibt, die hier schon gearbei­tet haben. Wir müssen zuerst ein mittleres Management haben, das für die Aufgabe der Wiederinbetriebnahme der Raffinerie geeignet ist. Dann gibt es auch Leute, die noch nie in einer Raffinerie gearbeitet ha­ben. Und das wirkt sich natürlich auf den Lohn aus. Geplant war, dass bis heute hier 50 Leute beschäftigt sind, aber jetzt sind wir schon 135. Bei mir war noch keiner, der gesagt hätte, dass wir zu wenig bezahlen – das haben nur Sie geschrieben.

Gegenwind: Wie viel ehemalige Mobil-Mitarbeiter haben Sie eingestellt?
van Weelden: 
60 Leute, hauptsächlich aus Bremen und Hamburg. Die anderen Leute stammen aus Wilhelmshaven und Umgebung, aber auch aus der ehemaligen DDR.

Gegenwind: Haben Sie schon einen Betriebsrat?
van Weelden: 
Der kommt. Wir werden da mit viel Vergnügen ran gehen. Das Ist ein Hobby von mir.
Gegenwind: Meinen Sie, dass die Schließung dieser Raffinerie durch Mobil nicht nötig war? Wenn Beta einen Markt sieht, warum hat Mobil den nicht gesehen?
van Weelden: 
Es ist nicht meine Stellung, ein Urteil über Mobils Politik in Europa abzugeben. Es gab bestimmte Gründe, diese Raffinerie zu schließen.

Gegenwind: Uns ist noch nicht ganz klar, warum Beta diese Raffinerie wieder in Betrieb nimmt. Was ist heute anders, als vor 5 oder 6 Jahren als Mobil dichtgemacht hat?
van Weelden: 
Ich sagte es bereits: Es sind zu viele Raffinerien stillgelegt worden. Die Nachfrage nach Benzin und Diesel ist ge­stiegen. Auch durch die neuen Bundesländer erwarten wir eine weitere Steigerung der Nachfrage. Jetzt ist es wirtschaftlich, diese Raffinerie wieder in Betrieb zu nehmen. Eine Raffinerie zu bauen, das dauert ungefähr 3 Jahre; mit Genehmigungsverfahren sogar 4 bis 5 Jahre. Es wäre eine große Kapitalvernichtung, wenn diese Raffinerie abgerissen würde.

Gegenwind: Wenn die Marktchancen da sind, warum hat MOBIL dann nicht selbst die Raffinerie wieder in Betrieb genommen? Welche Vorteile hat Beta-Oil, die MOBIL-OIL nicht hat?
van Weelden: 
MOBIL hatte schon viel abgeschrieben. Wenn die das wieder in Betrieb nehmen würden – das wäre eine Rekapitalisierung und man müsste dafür die Steuern bezahlen. Und das kostet eine Menge Geld.
Gegenwind: Und Sie fangen bei Null an?
van Weelden: 
Wir sind neu. Wir haben mit MOBIL nichts zu tun.

Gegenwind: Was hat Beta noch für Vorteile?
van Weelden: 
Wir sind flexibel. Mobil ist eine große Organisation und die Flexibilität in einem solchen Großbetrieb ist nicht mehr da. Wir können uns viel schneller und leichter auf den Markt einstellen.

Gegenwind: Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ihre Vorteile sind: 1) Kostengünstiger bei den Löhnen, 2.) Sie können neu abschreiben und 3.) Sie bekommen nochmals Zuschüsse vom Staat.
van Weelden: 
Unser Vorteil Nummer eins ist die Wirtschaftlichkeit, die bessere Marktsituation.

Gegenwind: Was uns auffiel ist, dass Sie selten in der örtlichen Presse erscheinen. Haben Sie noch nicht die richtigen Kontakte zu Wilhelmshaven, zur Verwaltung, zur Wirtschaft?
van Weelden: 
Ich bin der Meinung, man sollte das gut und langsam aufbauen, Ich kann mich mit einer ganz großen Trompete auf den Turm stellen – doch wenn ich runter rutsche, ist es verdammt schwer, wieder nach oben zu klettern Es ist besser mit einer kleinen Trompete den Ton langsam zu steigern. Wir haben hier eine Aufgabe und dazu gehört kein Trompetenschall – das können andere machen.

Gegenwind: Wie sieht es mit der heimischen Wirtschaft aus. Was können die Betriebe in der Region von Beta erwarten?
van Weelden: 
Wir haben die Kantine verpachtet, haben selbstständige Maler, Elektriker, Gärtner, Reinigungsfirmen usw. In der Aufbauphase haben wir allein für 50 Mio. Materiallieferungen geordert. Dann die Vermietung von Zimmern an die Monteure. Hier sind momentan 200 bis 250 Monteure beschäftigt – Sie können sich denken, was das für Wilhelmshavens Zimmervermieter bedeutet.
Gegenwind: Die Leute in Voslapp haben ihre Fremdenzimmer ursprünglich für den Fremdenverkehr hergerichtet. Doch der blieb nach dem Erscheinen der Großindustrie weitgehend aus.
van Weelden: 
Die Schönheit ist nicht durch die Industrie nach unten gegangen. Die Industrie lebt.

Gegenwind: Die Industrialisierung Wilhelmshavens wurde mit dem Gedanken durchgeführt, Geld in die Kasse zu bekommen. Wie viel Gewerbesteuer kann die Stadt von Beta erwarten?
van Weelden: 
Keine Ahnung. Das weiß ich ehrlich nicht.

Gegenwind: Wie sind Sie mit dem zufrieden, was sie hier vorgefunden haben? Mit den Behörden, mit der Infrastruktur?
In den Wilhelmshavener Behörden haben wir sachverständige Partner. Die Strompreise sind viel zu hoch. Im Vergleich zu anderen Ländern ist der Strom hier um 3 bis 4 Pfennig pro Kilowattstunde teuerer. Auch die Baggerarbeiten fürs Fahrwasser könnten billiger sein. Über den Wasserpreis verhandeln wir noch.

Gegenwind: Die Raffinerie ist nur über Straße und Schiene ans Hinterland angebunden. Reicht Ihnen das aus?
van Weelden: 
Wir brauchen zwei große Investitionen. Einerseits ist das der Cracker – damit werde ich mich befassen, wenn die Raffinerie in Betrieb ist. Andererseits brauchen wir eine Rohrleitung für veredelte Rohölprodukte. Die Stärke von Rotterdam sind die Rohrverbindungen und die Rheinschiffart – das fehlt Wilhelmshaven.

Gegenwind: In der Stadt hat es eine Riesendiskussion gegeben als bekannt wurde, dass diese Raffinerie eine Ausnahmegenehmigung bekommen sollte und ja auch bekommen hat – für den abgasfilterfreien Betrieb und für die Überschreitung der Emissionen. Für die Raffinerie wären Entschwefelungsfilter vorgeschrieben – sie haben davon eine Ausnahmegenehmigung bekommen.
van Weelden: 
Das hier ist eine Altanlage, dafür gilt das nicht. Wir bewegen uns innerhalb der Gesetze.

Gegenwind: Ab 1993 müssen auch Altanlagen mit Rauchgasentschwefelungsanlagen ausgerüstet sein.
van Weelden: 
Da gibt es eine Ausnahmeregelung. Das ist ein gutes Gesetz, weil es Ausnahmemöglichkeiten bietet. Es gibt bes­sere Methoden um den Schwefelausstoß zu senken. Das hier ist auf dem Umweltschutzgebiet eine der besten Raffinerien Europas. Wir müssen weiter investieren. Aber das kann man nur tun, wenn es wirtschaftlich gut läuft. Zuerst muss die Raffinerie in Betrieb sein. Das, was 1993 und 1996 an Verringerungen bei S0² und NOx kommen muss, kann man an der Brennstoffseite besser regulieren als durch Filter. Was wir machen werden, liegt im Rahmen dessen, was die Behörden uns vorschreiben.
Gegenwind: Sicher, denn Beta hat ja eine Ausnahmegenehmigung.
van Weelden: 
Das sieht das Gesetz vor.

Gegenwind: Es gibt Zweifel ,dass die Behörden diese Ausnahmegenehmigung rechtmäßig erlassen haben. Was werden Sie tun, wenn sich herausstellt, dass die Genehmigung nicht rechtmäßig ist und Sie entsprechend nachrüsten müssen?
van Weelden: 
Was wir tun ist rechtmäßig. Wir können ja nicht im Kaffeesatz lesen. Wir müssen einen gemeinsamen Weg suchen, um die Emissionen nach unten zu bringen. Was wir suchen ist eine vernünftige, wirtschaftliche Methode. Zum Beispiel der Cracker.
Gegenwind: Wann werden Sie den bauen?
van Weelden: 
Zuerst muss die Anlage wirtschaftlich laufen, dann kann ich weitere Investitionen in Angriff nehmen.

Gegenwind: Ist das denn eine Zusammenarbeit, wenn Beta nur Hoffnungen aber keine Zusagen macht?
van Weelden: 
Wir reden über Investitionen von einer halben Milliarde Mark. Durch Griefahns Vorgaben haben wir hier Umweltbedingungen, die sie in keiner Raffinerie Europas finden, Ich bin kein „Gambling Man“, ich bin hier, um die Raffinerie in Betrieb zu nehmen- und sie wird umweltfreundlich sein. Denn: Wir sind grün – wir sind die Grünen.

Gegenwind: Wir danken Ihnen für das Gespräch.


WER IST BETA?
Die Beta-Oil hat ihren Sitz in Wilhelmshaven. Grundkapital 3 Mio. DM. Die Eigentümer der Beta-Oil sitzen in der Schweiz. Beta hat zwei große Anteilseigner (jeweils 50%): Bulk-Oil und Dreyfus. Beide sind Handelsgesellschaften. Dreyfus ist vor ca. 10 Jahren ins Ölgeschäft eingestiegen.
Das Marketing wird vorerst von der schweizerischen Beta-Marketing-Gesellschaft besorgt. Geplant ist, auch in Deutschland eine Marketing-Gesellschaft zu gründen.
Beta will in Wilhelmshaven 8 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr verarbeiten (Im Vergleich: Mobil 5,6 Mio. Tonnen). 2/3 der Produkte gehen in den Export (per Schiff) nach Skandinavien, Amerika, England. 1/3 soll auf dem Binnenmarkt vermarktet werden. Da Beta über kein eigenes Tankstellennetz verfügt, werden in erster Linie die freien Gesellschaften von Beta beliefert werden.

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