Beta, Bulk oder wie?
Okt 081990
 

Ohne Filter ...

Von der untergeordneten Rolle des Umweltrechts bei der Prüfung der Anträge von Großinvestoren

(buw/jm) 70 MIO DM will die MOBIL OIL für ihre stillgelegte Raffinerie auf dem Voslapper Groden noch haben. Diesmal scheint ein Interessent anbeißen zu wollen. Er tritt unter verschiedenen Firmennamen wie BULK OIL, BETA RAFFINERIE GMBH WILHELMSHAVEN, GOLDMAN SACHS GROUP oder WILHELMSHAVEN ACQUISITION CORP. in Erscheinung.

Zeichnung: Erwin Fiege

Zeichnung: Erwin Fiege

Dieser offensichtlich das Licht der Öffentlichkeit scheuende Kaufinteressent, der nur über ein Anwaltsbüro mit den zuständigen Behörden zu verkehren scheint, will den Kaufpreis aber nur akzeptieren, wenn MOBIL OIL eine unbefristete Betriebsgenehmigung für ihre in die Jahre gekommene Öldestille vorlegt.
So eine Genehmigung könnte die MOBIL OIL auch ohne weiteres bekommen, wenn sie sich dazu verpflichten würde, gewisse gesetzliche Anforderungen aus der bereits im Jahre 1983 in Kraft gesetzten Großfeuerungsanlagenverordnung (GFVO) zu erfüllen. Da den Betreibern von Altanlagen eine zehnjährige Anpassungsfrist eingeräumt wurde, hat die MOßIL OIL sogar noch bis zum 1.4.93 Zeit, ihre Altanlage auf die geltenden Gesetzesnormen umzustellen.
Das könnte (muß aber nicht) durch den Einbau von Schwefel- und Stickoxidfiltern geschehen, was dem Vernehmen nach ugf. 50 Mio. DM kosten würde. Doch Ex-Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) hat vor dem Regierungswechsel für den Fall der Wiederinbetriebnahme noch schnell 28,3 Mio. DM Landesstütze zugesagt. Wenn man die in Rechnung stellt, dann ist nur noch ein Betrag von 21,7 Mio. DM aufzubringen, der zur Erfüllung der Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Betriebsgenehmigung fehlt.
Doch MOBIL OIL glaubt einige Gesetzeslücken aufgespürt zu haben und hofft mit einem Ausnahmeantrag um die Einhaltung der gesetzlich festgelegten Emissionsgrenzwerte herumzukommen.
Eine Ausnahmegenehmigung darf aber nur erteilt werden, wenn die erreichbaren Emissionsminderungen in keinem vernünftigen Verhältnis zum dafür erforderlichen Aufwand stehen.
Daß dies für die MOBIL OIL Anlage nicht zutrifft, muß der zuständigen Genehmigungsbehörde bei der Bezirksregierung Weser-Ems wohl klar gewesen sein. Flugs landete der brisante Antrag auf der übergeordneten Verwaltungsebene, nämlich dem Umweltministerium in Hannover. An die trat die MOBIL OIL mit dem Hinweis heran, daß in der Bundesrepublik bisher bei keiner Raffinerie der Einbau einer Entschwefelungsanlage gefordert worden sei und daß man deshalb Anspruch auf Gleichbehandlung habe.
Die Prüfungsinstanzen – durch langjährige CDU-Herrschaft auf zuvorkommende Zusammenarbeit mit der Großindustrie getrimmt – machten sich an ihre Hausaufgaben. Sie erarbeiten einen für die MOBIL OIL bzw. deren Rechtsnachfolger akzeptablen Stufenplan zur Emissionsminderung und hatten bei der Beachtung des Bundesimmissionschutzgesetzes Fünfe gerade sein lassen.
Diesen packten sie dann ihrer neuen Chefin, der Umweltministerin Monika Griefahn, auf den Schreibtisch. Der Coup wäre fast geglückt, wenn der gleichfalls neue Umweltstaatssekretär Peter Bulle (Die Grünen) den faulen Braten nicht gerochen und stichhaltige Bedenken dagegen geäußert hätte.

Zeichnung: Erwin Fiege

Zeichnung: Erwin Fiege

Die Nachricht davon brachte unsere hiesigen Provinzfürsten, die jedem vermeintlichen Investor unbesehen als Marketender hinterherlaufen und ihr Sprachrohr – die WZ- auf Alarmstufe 1.
Schnell mußte eine Einheitsfront gebildet werden, um der Landesregierung Geschlossenheit im Protest der Region vorführen zu können. Um ein diesem Ziel abträgliches Nachdenken erst gar nicht aufkommen zu lassen, wurde mit sattsam bekannten Totschlagargumenten und Tatsachenverdrehungen vorübergehend die ‚Lufthoheit über Wilhelmshavens Stammtischen‘ gewonnen. So haben sie in der entscheidenden Phase das Vordringen der öffentlichen Diskussion zum eigentlichen Kernproblem verhindert. Aber Geschlossenheit haben sie trotzdem nicht erreicht.
Das Kernproblem besteht darin, dass der MOBIL OIL keine Betriebsgenehmigung erteilt werden darf, wenn sie sich nicht bereit findet, eine der drei Möglichkeiten, die die Großfeuerungsanlagenverordnung (GFVO) anbietet, zu erfüllen:

  1. Der Einbau von Schornsteinfiltern
  2. Die Verfeuerung von schwefelarmem Heizöl
  3. Gaseinsatz bis zu einem 50%igen Anteil an der gesamten Feuerungswärmeleistung.

Keine dieser Genehmigungsvoraussetzungen hat Eingang in die Ministervorlage gefunden. Die Zustimmung mußte deshalb von Monika Griefahn versagt werden.
Inzwischen hat sich die Regierungskoalition nach einer Marathonsitzung auf Emissionsbeschränkungen verständigt, wie sie in Hamburg und Nordrhein-Westfalen praktiziert werden sollen. Komischerweise ist die erste Ministervorlage nicht durchgekommen, obwohl MOBIL OIL angeblich doch nichts anderes als ‚Gleichbehandlung‘ wollte.
Doch auch dieser rot/grüne Koalitionskompromiß scheint sich nicht an die klar umrissenen Vorgaben der GFVO zu halten. Der Grenzwert für Schwefeldioxid soll dem Vernehmen nach ab 1.4.93 bei 750 mg/m3 Rauchgas liegen. Das übersteigt noch immer haushoch den zulässigen Grenzwert von 400 mg pro m3. Ein Rechtsgutachten zu dem Kompromiß ist unseres Wissens nicht angefertigt worden.
Diese Last werden wohl wieder mal die Bürger selber tragen müssen! Jedenfalls dann, wenn sie wissen wollen, ob das auch alles rechtens ist, was man neuerlich ihrer Atemluft beizumischen gedenkt.


Nachtrag:

Am 13.10. veröffentlichte die WZ andere Emissionsgrenzwerte und Fristen als wir sie auf Grund unserer Recherchen in vorstehendem Bericht aufgeführt haben.
Wir würden uns freuen, falls die WZ in diesem Punkt recht behalten würde; da ihre Angaben eine größere Entlastung der Umwelt bzw. unserer Atemluft bedeuten würden, als bei Zugrundelegung unserer Informationen. Sollte die WZ den besseren Draht haben, dann wird der Bau einer Konversionsanlage (Cracker) geplant sein. Dafür hat die Mobil Oil bereits 1984 eine Baugenehmigung bekommen (Investitionsvolumen 200 Mio. DM).
Beim Betrieb eines Crackers wird Gas als Nebenprodukt freigesetzt, das man dann emissionsmindernd bei der Prozeßfeuerung einsetzen kann.
Doch mit Angaben der WZ muß man vorsichtig umgehen! Gerade die Erfahrungen aus jüngster Vergangenheit zeigen, daß der Informationsgehalt der WZ bei Wirtschaftsfragen in diametralem Gegensatz zum Diffamierungsgehalt ihrer Schmähschriften steht.

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