Wie inne DDR ...
Bawi: Chaos statt Organisation
(noa) Hohe Wellen der Empörung löste unser Artikel „Alle Jahre wieder“ aus dem letzten GEGENWIND aus, in dem wir über die bei den Wilhelmshavener Bekleidungswerken (WBW) angekündigten Entlassungen berichteten.
Wie gemeldet, ist der Grund für diese Entlassungen eine teilweise Produktionsverlagerung in die Türkei. Innerhalb des Betriebes hören die Beschäftigten des Öfteren den Vorwurf, sie selber seien schuld an diesem Export von Arbeit, da sie mit ihrem hohen Krankenstand die Arbeit hier so verteuerten, daß der Unternehmer gezwungen sei, in ein Billiglohnland zu gehen.
Dies empfinden die WBW-Mitarbeiter als blanken Zynismus. Bei den Arbeitsbedingungen, die bei den WBW herrschen, kann ein vergleichsweise hoher Krankenstand nicht ausbleiben. Seit Jahren schon leisten die KollegInnen zweimal im Jahr für je ein Vierteljahr sogenannte Vorholstunden. Seit Einführung der 38-Stunden-Woche arbeiten sie tatsächlich 42,5 Stunden wöchentlich. Die meisten bei WBW Beschäftigten sind Frauen, die neben dieser dauernden Mehrbelastung auch noch ihre Kinderbetreuungs- und Haushaltsarbeit zu verrichten haben. Sie sind nach einem Vierteljahr Vorholarbeit so kaputt, daß der dafür etwas längere Urlaub kein Ausgleich ist.
Und in der Bügelei arbeiten die Kollegen seit dem Urlaub jeden Samstag zusätzlich. Der Grund dafür besteht darin, dass die Teile, die in der Türkei hergestellt werden, ohne Knöpfe und ungebügelt geliefert werden. Sie sind also keine Fertigprodukte, und das spart so viel Zollgebühren, daß es billiger kommt, die Wilhelmshavener Arbeiter Überstunden machen zu lassen.
„Die Leute in der Chefetage, die uns kaputtmachen, werfen uns nun vor, daß wir kaputt sind“, so äußern sich WBW-MitarbeiterInnen wütend. Und: „Genau dieselben Leute sind es, die den Betrieb hier runterwirtschaften.“ Sie fragen sich, wie es zusammenpaßt, dass alle nach dem Brand Anfang Juni bis zum Beginn des Urlaubs am 25. Juli 56 Überstunden machen mußten, während nicht einmal genügend Arbeit da war, um die Normalarbeitszeit zu füllen, oder wie es sich erklärt, daß 14 Tage nach den Entlassungen im September Frauen aufgefordert wurden, Überstunden zu leisten. Sie fragen sich, was für eine Personalplanung dahintersteckt, wenn zunächst 57 Entlassungen angekündigt werden, andererseits aber nach 23 Auflösungsverträgen die 24. Kollegin, die um einen bittet, wegen Personalmangels keinen bekommt.
Eine Mitarbeiterin berichtet: „Wir haben eine Kapazität von 750 Teilen täglich. Wir können aber keine 750 Teile fertigen, wenn wir nur 500 oder weniger Teile aus dem Zuschnitt geliefert bekommen.“
Im Zuschnitt in der Ebertstraße, wo außer der Arbeit für die Näherei in der Grenzstraße auch die Teile für das Zweigwerk in Malta vorbereitet werden, sieht es nicht anders aus: Oft genug müssen Überstunden geleistet werden, um eine Lieferung rechtzeitig fertigzustellen, und am nächsten Tag ist kein Stoff da, um die nächsten Teile zuzuschneiden. „Hier kommst du dir vor wie in einem Betrieb inne DDR“, charakterisiert ein Mitarbeiter die Arbeitsorganisation im Werk in der Ebertstraße.
„Wir befürchten, daß der Betrieb hier kaputtgehen könnte, weil solche Pannen an der Tagesordnung sind“, erklärte eine Mitarbeiterin dem GEGENWIND. Besonders alarmiert sind die KollegInnen seit dem KSW-Konkurs, den sie aufmerksam beobachten.
Als Anzeichen eines möglichen Niederganges der WBW sehen sie die Kündigung des Saalmeisters Ommo Tjardes. „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff“, befürchten sie. Herr Tjardes sprach gegenüber dem GEGENWIND von „persönlichen Gründen“ für sein Ausscheiden und bedachte die Einschätzung der KollegInnen knapp mit den Worten: „Dazu gebe ich keinen Kommentar.“
Sorry, the comment form is closed at this time.