Bauspielplatz
Aug 292001
 

Wilhelmshavener Schulen

Um sozial benachteiligten Kindern spielerisch fürs Leben lernen zu lassen, richteten engagierte Lehrkräfte an der Wasserturmschule einen „Baukindergarten“ ein. In einem Gelände, das mit Recyclingmaterial vom Stadion Friedenstraße umfriedet ist, haben die Kinder gemeinsam Hütten gebaut und mit diesem konkreten Ziel vor Augen verschiedene Fertigkeiten trainiert:

  • Arbeit-Wirtschaft-Technik: Gebrauch von Materialien und Werkzeugen, Arbeit planen, Konzentration, Verlässlichkeit, Genauigkeit, Hilfsbereitschaft, Ausdauer
  • Deutsch: besprechen, zusammentragen, aufschreiben, Probleme formulieren, berichten, lesen, sich etwas ausdenken, erklären, diskutieren
  • Sozialkunde: gemeinsam etwas erledigen, helfen, organisieren, sich verabreden, einrichten, jemanden einladen, Feste feiern

Mathematik: schätzen, Skizzen anfertigen, Maße und Gewichte berechnen, Grundrechenarten, Kopfrechnen und Geometrie üben.
Das klingt wie die perfekte Alternative zu einer „Entwicklung“, wie sie in der vorigen Meldung beschrieben ist: Sich zu einem selbständigen statt abhängigen Menschen entwickeln; für sich selbst, in und mit einer Gruppe etwas tun; den eigenen Grips nutzen und kreativ sein, mit Gleichaltrigen zusammen sein – statt Halt bei einem so genannten Freund zu suchen, der Geld dafür kassiert, dass pädophile Männern dem Kind Gewalt antun.
Leider verstehen unsere Behörden auch was von Mathematik. Sie messen „Immissionen“, also den Lärm, den hämmernde junge Handwerker nun mal verursachen. Nach Paragrafen sind selbst gebaute Hütten nicht ein Stück Lebensgefühl, sondern „15 m² umbauter Raum“, für den ein Bauplan vorgelegt werden muss, ein Schwarzbau, der das „Ortsbild negativ beeinträchtigt“ und sich „nicht in die Umgebung einfügt“. „Gesundheitliche Fragen der Anwohner“ scheinen wichtiger zu sein als die seelische Gesundheit der Kinder – „dann liegt hier eine inhumane Grundeinstellung des Beurteilenden vor“, wie die Verfasser der Pressemitteilung „Erhaltet den Bauspielplatz an der Wasserturmschule!“ feststellen.
Sicher kommen die Behörden in versicherungsrechtliche Nöte, wenn auf der formal nicht genehmigten Anlage etwas passiert. Das Problem war schon längere Zeit bekannt, die man zur Abwicklung der formal erforderlichen Schritte hätten nutzen können. Als jetzt das Abbruchkommando anrückte, blieb dem Mentor des Projekts, Hartmut Büsing, nur die Notmaßnahme, die Umzäunung mit einem dicken Schloss abzuriegeln. Den Beteiligten wurden 14 Tage Zeit eingeräumt, eine Einigung zu erzielen. Neben den gesetzlichen Vorgaben sollten sie auch abwägen, ob sie kaputte Kinder in einer „ordentlichen“, sterilen Umwelt bevorzugen – oder die Entwicklung von kleinen Menschen, die ihre Umwelt selbst mitgestalten dürfen, zu starken Persönlichkeiten. (iz)

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