Banter See Park gerodet
Jan 262021
 

BUND: GGS zerstört Biotop ohne Sinn und Anlass

Gerodete Fläche im Banter See Park

Freie Aussicht auf die Emsstraße. Foto: BUND

(red) Wer vergangenes Wochenende am Banter See spazieren ging, rieb sich die Augen: Die zuvor dicht bewachsene Fläche zwischen dem nordöstlichen Ufer und der Emsstraße glich einer Wüste. Schockiert und empört reagierten viele Naturfreunde auf die Vernichtung der Gehölz- und Staudenfluren im Banter See Park. Auch die BUND-Kreisgruppe Wilhelmshaven und andere Naturschutz-Fachleute zeigten sich fassungslos. Die Stadt müsse ihrer Verpflichtung zum Erhalt der biologischen Vielfalt nachkommen, fordert der BUND. Auch ein Biotop in Voslapp ist bedroht.

„Hier wurde ohne konkreten Anlass ein wertvoller Lebensraum für Vögel, Igel und Insekten plattgemacht“, kritisiert der BUND. „Seit einigen Jahren arbeiten die technischen Betriebe daran, im öffentlichen Raum Blühwiesen als Nahrungsfläche für Wildbienen und andere Insekten anzulegen. Währenddessen sorgt eine andere städtische Gesellschaft – die GGS – dafür, dass Brut- und Überwinterungs-Habitate schützenswerter Arten verschwinden.“

Die betroffene Fläche ist Teil des Bebauungsplans Nr. 214 von 2011. Nach Baurecht darf die GGS als Grundeigentümer dort Pflegemaßnahmen durchführen. Dies sei jedoch, so der BUND, keine Grundlage, um die Vegetation komplett zu zerstören. Die Maßnahmen sollten immer in Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde erfolgen. „Nach unserer Kenntnis wurde der brachiale Eingriff in den Banter See Park nicht mit der UNB abgestimmt.“

Über die Jahre habe sich dort eine strukturreiche Ruderal-Fläche mit Bäumen, Sträuchern, Hochstauden und Gräsern entwickelt, die Tieren ein Spektrum von Brut-, Nahrungs-, Rast- und Überwinterungsräumen bot. Für manche Menschen seien das, mangels fachlicher Kenntnis, ‚nutzlose Brachflächen mit unordentlichem Brombeer-Gestrüpp‘. Aus Sicht von Vögeln, Insekten und Kleinsäugern – und ihrer menschlichen Fürsprecher – sind es wertvolle Lebensräume.

Die markhaltigen Triebe bzw. Stängel von Brombeeren und Hochstauden sind Kinderstube vieler Wildbienen-Arten. Die Larven bzw. Puppen überwintern dort und fliegen erst im Folgejahr als Bienen aus. „Mit der unnötigen Rodung wurde auch diese Bienengeneration vernichtet“, erklärt der BUND. Darüber hinaus haben zahlreiche Igel ihr Winterquartier im Banter See Park verloren. Das bestätigt auch Igelexpertin Imke Sindern. Sie päppelt, unterstützt durch andere „Pflege-Eltern“, jedes Jahr mehrere Hundert Igel auf, die – zumeist durch menschlichen Einfluss – nicht ausreichend Nahrung und Winterquartiere finden oder durch elektrische Gartengeräte verletzt werden.

Bundesnaturschutzgesetz – § 39 Allgemeiner Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen

(1) Es ist verboten,

  1. wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten,
  2. wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen oder ihre Bestände niederzuschlagen oder auf sonstige Weise zu verwüsten,
  3. Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen ohne vernünftigen Grund zu beeinträchtigen oder zu zerstören.
Natur auf Zeit

„Wertvolle Natur-Brachen werden nicht automatisch zu Naturschutzgebieten“, klärt der BUND auf. „Weil aber derartige Gerüchte kursieren, machen Grundeigentümer immer wieder Tabula rasa, sozusagen präventiv, bevor das Gebiet noch wertvoller für die Natur wird.“ Ziel sei stattdessen, jede unbebaute Fläche so lange wie möglich für die Natur zu bewahren. „Erst vor dem konkreten Baubeginn sollte die Vegetation entfernt werden, in enger Abstimmung mit der Naturschutzbehörde, um den Eingriff und die Gefährdung wildlebender Arten so gering wie möglich zu halten.“

Einflussreiche Kreise sehen den Banter See Park als Standort für eine neue Stadthalle. Um das zu verhindern, läuft derzeit noch ein Bürgerbegehren, mit guten Erfolgaussichten. Parallel zu diesem rechtsverbindlichen Verfahren hat die Stadt eine Bürgerbefragung durchgeführt, deren (noch ausstehendes) Ergebnis keine Verbindlichkeit für Ratsbeschlüsse besitzt. Selbst bei einem Ratsbeschluss pro Stadthalle am Banter See würden bis zur Realisierung noch Jahre ins Land gehen bis zur Baureife der Planung – sofern die Stadt dann 30 Mio Euro flüssig hat, so die aktuelle Kostenschätzung für die Halle.

Aktuell ist auch die Naturfläche auf dem ehemaligen Campingplatz in Voslapp von einer Rodungsmaßnahme bedroht, obwohl noch keine konkrete bauliche Nutzung ansteht. „Wir hoffen, dass die Verantwortlichen aus dem skandalösen Vorgehen am Banter See gelernt haben und nicht erneut ohne Not ein Refugium für die biologische Vielfalt in unserer Stadt zerstören.“

Dieses Damoklesschwert schwebt auch über Klein Wangerooge. Nach den Vorstellungen einiger Ratsleute soll dort ein Stellplatz für Wohnmobile entstehen. In diesem Fall handelt es sich allerdings um ein rechtlich geschütztes Biotop – der Sandmagerrasen gehört landesweit zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen.

BUND: Neue Entwicklungen bieten neue Chancen

In den letzten 10 Jahren hat es am Banter See Parks neue Entwicklungen gegeben, die gleichzeitig Chancen für eine ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Nutzung eröffneten. Die ursprüngliche Planung für einen Biotechnologie-Park und Wohnbebauung hat sich als Fehlschlag erwiesen. Stattdessen entsteht dort an der Jadeallee das Trilaterale Weltnaturerbe Wattenmeer Partnerzentrum, am westlichen Ende wird an der Flussseeschwalben-Kolonie eine Ausstellung mit Beobachtungs-Plattform eingerichtet. „Es drängt sich geradezu auf, das Umfeld dieser beiden Leuchtturm-Projekte passend naturnah zu gestalten“, so der BUND, „mit einem Rundweg entlang der vorhandenen Mehlbeerbaum-Allee und zurück am Ufer des Banter Sees, mit einem Lehrpfad, Blühflächen, Sitzbänken, Natur-Spielräumen für Kinder, auf der östlichen Freifläche Boule-Platz, Beachvolleyballfeld und andere extensive Freizeitangebote, die ohne großflächige Versiegelung auskommen.“ So könne sich Wilhelmshaven auch im nachhaltigen Welterbe-Tourismus positionieren.

Die vorhandenen Biotopstrukturen wären eine gute Grundlage für die standortgerechte Gestaltung dieses Naturerlebnis- und Erholungsraumes gewesen. „Nun ist, bis auf die großen Bäume, erstmal alles vernichtet. Bleibt zu hoffen, dass bei den Entscheidungsträgern unserer Kommune für biologische Vielfalt ein Umdenken stattfindet“.

 

 

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