Blaualgen for ever
Ungebrochener Wille der [Ver]-Planer dieser Stadt ist, aus dem Banter See mehr zu machen, als er ist, nämlich ein profitables Freizeitparadies mit touristischen Leckerbissen.
(von Dr. Gisela Gerdes) Dummerweise zieht der See aber nicht nur Menschen, sondern auch Blaualgen an. Wieso man meint, diese ungesunden Zeitgenossen durch die Öffnung des Grodendamms loszuwerden, ist das Geheimnis städtischer Politik. Offensichtlich glaubt man, dass der Salzgehalt im Banter See mit der Öffnung des Grodendamms soweit erhöht würde, dass Blaualgen sich nicht mehr so einfach vermehren könnten.
Der erste Teil dieser Aussage scheint gar nicht so abwegig. Allmählich, vielleicht über einige Legislaturperioden, könnte sich die Salinität des Sees erhöhen [die heute bei ca. einem Teelöffel der Salze pro Liter liegt]. Jedoch sagte bereits Hans Krailsheimer: „Das Gefährliche an Halbwahrheiten ist, dass immer die falsche Hälfte geglaubt wird“. Das trifft auch hier den Kern: die falsche Seite ist der Glaube, dass „die“ Blaualgen nach der Öffnung des Grodendamms aus dem Freizeitparadies verschwinden würden.
Halbwahrheiten sind nicht gerade rar, wenn Politik meint, sich ökologisch „zeigen“ zu müssen. So spricht man pauschal von „den“ Blaualgen, lässt aber unberücksichtigt, dass im Banter See bisher 10 bis 12 Blaualgenarten beobachtet wurden. Bekanntlich hat jede Art ihre eigenen ökologischen Ansprüche; die einen lieben den Salzgehalt etwas höher, die anderen geringer [das gilt auch für andere Faktoren]. Die Öffnung des Grodendamms könnte daher auch ein „Schuss nach hinten“ sein, der Arten von Blaualgen begünstigt, die es lieber salziger haben. Wie beim Stafettenlauf gäbe es nur einen Wechsel der Art, die „gerade vorn“ ist. Da auch jede Art potenziell Gifte produzieren kann, wäre die Öffnung des Grodendamms nur sinnvoll, wenn sicher sei, dass dadurch alle Blaualgenarten eliminiert würden [da das unmöglich ist, muss darüber hier nicht weiter diskutiert werden].
Zur Eindämmung der Blaualgen wird nicht nur an die Erhöhung des Salzgehaltes gedacht, sondern auch an technische Möglichkeiten zur Wasserverwirbelung und Erhöhung der Strömungen. Scheinbar unter diesem Gesichtspunkt steht der Gedanke an die Öffnung des Grodendamms, obwohl zusätzlich Pumpsysteme erforderlich wären, da allein durch diffusive Kräfte der Zustrom höher salzhaltigen Wassers aus dem Großen Hafen in den Banter See als zu langsam angesehen werden muss.
Weitaus kostengünstiger ist der Ansatz zur Wasserverwirbelung durch sogenannte Freistrahler, die im Banter See bereits in einem Fünfjahresversuch [2008 – 2012] im Einsatz waren und erfolgreich entstehende vertikale Schichtungen aufgrund von Temperaturunterschieden und anderer Parameter zerstörten [Schichtungen im Wasserkörper, so wird angenommen, wirken sich günstig auf Blaualgen auf].
Auch wenn während der Betriebszeiten der Freistrahler und danach kurzzeitig Massenvermehrungen auftraten, gibt es Indizien, dass sich die Blaualgenplage im See in den letzten Jahren verringert hat. Ob ursächlich und ausschließlich auf die Freistrahler zurückführbar, ist zwar nicht eindeutig beweisbar, da auch andere Einflüsse, zum Beispiel Wetterwechsel, in das jeweilige Wechselspiel der Ökofaktoren eingreifen, jedoch sprechen Indizien durchaus für den Erfolg des „Rührens“ im See.
Vor allem die sichtbaren und riechbaren Massen der Blaualgen im freien Wasser und „aufgerahmt“ an der Wasseroberfläche haben die Diskussionen ausgelöst. Jedoch sind diese Lebewesen nicht nur in der Wassersäule zuhause.
Blaualgen sind, wie Landwirte, „Sammler von Licht“; sie wachsen daher bevorzugt auf horizontalen Oberflächen und lieben von der Sonne erwärmtes, mit Nährsalzen angereichertes Flachwasser. Dafür ist die Badebucht „Kleinwangerooge“ ein Beispiel[Foto unten], die als touristischer Leckerbissen und Attraktion für zukünftige Nutzer der geplanten Campingplätze und Wohnsiedlungen „in Wert“ gesetzt werden soll. Das Foto dokumentiert den Standortvorteil einer seichten geschützten Randzone im Lee vorhandener oder erzeugter Strömungen. Die Organismen finden dort, was sie zum Leben brauchen und überstehen selbst zeitweilige Austrocknung, verdunstungsbedingten Salzgehaltsanstieg oder Sauerstoffdezimierung ohne Probleme.
Blaualgen, wissenschaftlich Bakterien mit Pigmenten im Übergang von Blau zu Grün, wachsen und vermehren sich meist in Kolonien. Obwohl Einzeller, erscheinen sie selten als einzelne Zellen. Der Begriff Kolonie – von lateinisch colere, d. h. ursprünglich ‚bebauen‘ im Sinn von ‚Land bestellen‘- weist darauf hin, dass selbst diese Winzlinge ihre Umwelt verändern können. Darauf, dass sie Sandkörner umwachsen, verkleben und mit neuen Schichten überziehen können, weisen die blaugrünen Polster im seichten Wasser hin [siehe Foto am Anfang des Artikels].
Wer denkt schon daran, dass so etwas für die Beplanscher der Ufersäume gefährlich sein könnte. Kleinkinder, die an Sommertagen besonders gerne im flachen Wasser spielen, können dort leicht mit Blaualgen und ihren Giften in Berührung kommen. Diese können akut zu Hautreizungen sowie langfristig zu neurologischen Störungen führen bzw. sind kanzerogen. Daher sollten Eltern blaugrüne Verfärbungen der feuchten und wasserüberstandenen Ufersande genau kontrollieren, bevor sie ihre Kinder zum Spielen dorthin lassen.
Blaualgen sind im Grunde unausrottbar wie Ratten oder Kakerlaken, oder eben auch Mikroben, zu denen sie ja gehören. Sie können in den Sand „tauchen“ und sind dann für Leute, die es nicht besser wissen, scheinbar weg. Blaualgen, die sich am Badestrand tummeln, sind mit den üblichen Beprobungstechniken der Badegewässerverordnung schwer zu erfassen [deren Bestimmung lautet, dass die Proben nach Möglichkeit 30 cm unter der Oberfläche des Gewässers bei einer Wassertiefe von mindestens 1 m zu entnehmen sind]. Es ist schwer nachvollziehbar, wie sich die Schutzpflicht für Planscher am Ufersaum eines behördlich ausgewiesenen Badestrandes praktisch durchführen lässt, zumal die potenziell toxischen Beläge, die sich quasi über Nacht und hoch bis zum Ufer bilden können, eher zufallsgeneriert und keine permanente Erscheinungsform sind.
So steht neben der „Kür“ wieder einmal die „Pflicht“. Die „Kür“ wäre, mit „Kleinwangerooge“, einem flachen Sandstrand, wie wir ihn innerhalb der Stadt sonst nicht mehr haben, bei den erwarteten Strömen aus Nah und Fern zu punkten; die „Pflicht“, diesen Badestrand nachhaltig, d.h. immer ,wiederkehrend von Blaualgen frei zu halten. Das ist leichter gesagt als getan und stellt sich neben den Problemen des zentralen Sees als weiteres ungelöstes Problem dar. Die Öffnung des Grodendamms wird kaum nachteilige Folgen für Blaualgen haben, die sich abseits linear erzeugter Strömungen am Flachwasserbadestrand tummeln.
Artikel und Bilder haben wir dem Bürgerportal Wilhelmshaven (http://www.buerger-whv.de/) entnommen.
Sorry, the comment form is closed at this time.