Naturidylle im Rüstringer Stadtpark. Foto: Gegenwind
(red) Die Stadt will sich für die Durchführung einer Landesgartenschau im Rüstringer Stadtpark bewerben. Hierzu gab es verschiedene kritische Stimmen und Leserbriefe in der Lokalpresse. In einem digitalen Beteiligungsverfahren können Interessierte ihre Hinweise und Anregungen zu dem Vorhaben an die Stadt übermitteln. Die BUND Kreisgruppe Wilhelmshaven hat in ihrer Stellungnahme viele kritische Aspekte beleuchtet.
Unter Berücksichtigung und Abwägung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekte im Sinne der Nachhaltigkeit lehnt die BUND Kreisgruppe Wilhelmshaven die Durchführung einer Landesgartenschau im Landschaftsschutzgebiet (Rüstringer) Stadtpark ab. Einzelne Zielsetzungen, wie die Gesamtschau auf die „Grüne Stadt“ mit verschiedenen Parkanlagen entlang einer Grünachse und – damit verbunden – die Förderung des Fahrradtourismus, seien zu begrüßen. Diese lassen sich nach Einschätzung des BUND jedoch auch ohne eine LaGa verwirklichen, die zwangsläufig mit einem abgegrenzten eintrittspflichtigen Gelände verbunden wäre, das zu diesem Zweck im großen Maßstab umgestaltet wird, zulasten der Natur und behaftet mit einem hohen finanziellen Risiko.
Änderung der Bedeutung des Stadtparks im historischen Kontext
Der Rüstringer Stadtpark wurde zu einer Zeit angelegt, als der Landschaftsraum im und um das Stadtgebiet durch große natürliche bzw. naturnahe Freiflächen geprägt war, einschließlich landwirtschaftlicher Flächen, die auf dem damaligen Stand der Technik extensiv bewirtschaftet wurden. Die urbane Entwicklung fand vor allem im südlichen Stadtgebiet rund um die Hafenanlagen statt. Damals konnte man sich den Luxus leisten, auf einer großen Fläche einen gestalteten Volkspark einzurichten, bei dem „geordnete“ Erholung, Spiel und Sport im Mittelpunkt standen und nichts dem Zufall und der Natur überlassen wurde. Für wildlebende Tiere und Pflanzen waren rundherum noch ausreichend Lebensräume verfügbar.
Nach dem 2. Weltkrieg nahm die städtebauliche Entwicklung auch im Westen und Norden der Stadt Fahrt auf. Im Umfeld des Stadtparks entstanden die Siedlungen Wiesenhof (der Name weist auf die ursprüngliche Grünlandnutzung hin) und Europaring, das Klinikum (damals RNK) und die Hochschule, Sportforum, später die Wohngebiete Maadebogen, Maadetal und zuletzt Potenburg, dazu neue Straßen und Gewerbegebiete. Parallel zu dieser fortschreitenden Versiegelung vielfältiger Landschaftsstrukturen entwickelte sich der Stadtpark zu einer echten Naturoase. Die Wiederherstellung bzw. Pflege im ursprünglichen Sinne stand im Rat und der Verwaltung nicht oben auf der Agenda, entsprechend fehlten finanzielle und personelle Ressourcen. Angesichts der beschriebenen urbanen Entwicklung ist das teilweise „Verwildern“ des Stadtparks heute als Glücksfall zu sehen. Nicht umsonst wurde der Stadtpark 1982 als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Laut der Verordnung ist der besondere Schutzzweck, „das vielfältige und schöne Landschaftsbild sowie den unbeeinträchtigten Naturgenuss als Voraussetzungen für die Erholungseignung des Gebietes zu erhalten.“ (zur Bedeutung für den Naturschutz siehe https://www.wilhelmshaven.de/Kultur/100-Jahre-Stadtpark/Ruestringer_Stadtpark.php). Diesen Schutzzweck sehen wir durch die mit der LaGa verbundenen gestalterischen Eingriffe gefährdet.
Unvereinbarkeit von Landesgartenschau und Landschaftsschutzgebiet
(Landes-) Gartenschauen sind dort sinnvoll, wo es um die Aufwertung naturferner Flächen geht, z.B. auf Industrie- und Gewerbebrachen oder stillgelegten Bergbaugebieten. Die Umgestaltung eines Landschaftsschutzgebietes für eine Gartenschau erscheint hingegen absurd. Es ist bekannt, dass Gartenschauen als sogenannte Leistungsschauen für die Baumschul- und Gartenbaubranche gedacht sind, die sich mit Neuanlagen profilieren und Geld verdienen wollen. Immer wieder gab und gibt es im Vorfeld von Gartenschauen öffentliche Auseinandersetzungen, weil auf dem Gelände gesunde alte Baumbestände gefällt werden, um Neuanpflanzungen Platz zu machen. Aus Sicht der Branche verständlich, aus Sicht des Naturschutzes nicht hinnehmbar.
Konkurrenz von Denkmal- und Landschaftsschutz
Der Stadtpark ist sowohl Gartenhistorisches Kulturdenkmal als auch Landschaftsschutzgebiet. Um den Park – zumindest teilweise – als Denkmal wieder in den Ausgangszustand zu versetzen, müsste sehr viel gewachsene Natur beseitigt werden. In der Abwägung sollte hier der Naturschutz einen höheren Stellenwert genießen als der (statische) Denkmalschutz. Jede Tier- und Pflanzenart, die mit der Vernichtung von Lebensraum verschwindet, ist unwiederbringlich verloren.
Anregung: Auch wenn „Sichtachsen“ und andere Gestaltungselemente zugewachsen sind, so ist doch der Stadtpark in seiner ursprünglichen Struktur bis heute erhalten. Die historische Bedeutung kann man Besucher:innen durch Informations- und Bildungsmaßnahmen vermitteln, ohne den Urzustand wiederherzustellen. Die Verwandlung über 100 Jahre ist dabei ein spannender Aspekt, wie auch der damit einhergehende Wertewandel, wie eingangs beschrieben: Damals hatte ein strukturierter Volkspark seine Berechtigung, heute darf er anders aussehen, weil er für Naturschutz und echtes Naturerlebnis mitten in der Stadt eine bedeutende Rolle spielt.
Fördermittel dürfen nicht die alleinige Triebfeder sein – „Schwarze Null“ ist unwahrscheinlich
Auch ohne LaGa sind im Stadtpark einige Maßnahmen überfällig, die nicht nur dem Erhalt der Erholungsfunktion, sondern auch dem Natur- und Landschaftsschutz dienen. Dazu zählt die Entschlammung des Stadtparkkanals oder die Sanierung der Straße zum Ehrenfriedhof. Ein Großteil der über 100 Jahre alten Pappeln ist abgängig. Die Straße bzw. der Weg sollte so angelegt werden, dass nachgepflanzte Bäume langfristig optimale Standortbedingungen haben. Dabei ist auch zu überdenken, ob sie zukünftig weiterhin als Durchgangsstraße und mit Randstreifen als Auto-Parkplatz konzipiert sein sollte. Autos sollten weitgehend aus dem Park verbannt werden, mit Ausnahmen für Schwerbehinderte oder gelegentliche Transporte von Material zum Friedhof, wofür der Weg nur als Durchfahrt genutzt wird und die Autos auf dem Parkplatz am Friedhof abgestellt werden.
Es erscheint reizvoll, für die Umsetzung notwendiger Maßnahmen Fördermittel aus LaGa-Töpfen zu erhalten. Nur sind diese an das Gesamtkonzept für eine LaGa mit umfassenden Gestaltungsmaßnahmen geknüpft. Bekannt ist, dass – mit wenigen Ausnahmen – Gartenschauen mit einem finanziellen Minus für die ausrichtende Kommune enden. Angesichts der angespannten Haushaltslage der Stadt sollte dieses Risiko nicht eingegangen werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die im Rahmen der LaGa gestalteten Anlagen, sofern sie nicht nach der Veranstaltung rückgebaut werden, langfristig aus eigener Kraft der Kommune erhalten werden müssen –ohne Gegenfinanzierung durch Eintrittsgelder.
Nachhaltigkeit des LaGa-Projektes muss hinterfragt werden
Mit dem Beitritt zu kommunalen Bündnissen für den Klimaschutz und die Biologische Vielfalt sowie unlängst zur Entwicklungszone des Biosphärenreservats ist der Rat der Stadt eine Selbstverpflichtung für eine nachhaltige Entwicklung eingegangen. Eine Landesgartenschau im Stadtpark lässt sich jedoch nicht ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltig realisieren.
Durch die LaGa erhofft man sich „nachhaltige Impulse / Investitionen für die Stadt- und Regionalentwicklung“. Diese werden in den Unterlagen nicht ausreichend konkretisiert. Dass eine Investition nicht automatisch langfristig positive Entwicklungen und Arbeitsplätze sichert, auch wenn dies zur Motivation der Entscheidungsträger gern propagiert wird, hat man aus anderen Projekten gelernt.
Aus sozialer Sicht ist die temporäre Umwidmung des Stadtparks als Gartenschaugelände bedenklich. Der Park hat sein Gesicht durch natürliche Prozesse verändert, wird aber tatsächlich im Sinne von Leberecht Migge als Volkspark genutzt. Er wird aktiv aufgesucht für Spiel, Sport und Erholung, genannt seien die zahlreichen Spaziergänger, Jogger, Walker. Er wird genutzt für den Hundespaziergang und auch als entspannte Durchgangsstrecke, um mit dem Fahrrad Wege zurückzulegen. All diese Nutzungen wären für die Dauer der LaGa verwehrt, wenn man nicht bereit ist, jedes Mal Eintritt zu bezahlen. Vor allem viele Einheimische fühlen sich dadurch „ausgesperrt“, das Ziel einer besseren Bekanntheit, Integration und Akzeptanz als Naherholungsgebiet wird damit konterkariert. Inwiefern profitieren also Einheimische von einer LaGa im Stadtpark, welchen Mehrwert hätten sie gegenüber dem Status Quo?
Für die sportliche Ertüchtigung sollte – unabhängig von der LaGa – darüber nachgedacht werden, den von vielen vermissten „Trimm-Dich-Pfad“ wieder zu installieren.
Abgrenzung
In der Machbarkeitsstudie ist das Kerngelände der Gartenschau auf die Kanalachse und die parallel dazu verlaufenden Hauptwege sowie die Rosenhügel-Achse beschränkt. Im Sinne des Schutzes der angrenzenden großräumigen Gehölz- und Grünlandbereiche ist dies positiv zu bewerten. Es bleibt jedoch offen, wie das eintrittspflichtige Gartenschau-Gelände von diesen Bereichen abgegrenzt werden soll. Sind blickdichte Zäune geplant? Wie werden diese in Hinblick auf das Landschaftsbild und die Barrierewirkung für wildlebende Tiere gestaltet? Müssen für die Installation der Abgrenzung Gehölze entfernt werden? Lässt sich ein Schutz der angrenzenden Bereiche vor Lärm- und Lichtemissionen sicherstellen? Wie lässt sich die Zugänglichkeit der Außenbereiche für „normale“ Nutzer:innen realisieren, die nicht die LaGa besuchen wollen?
Mobilität
In der Machbarkeitsstudie vermissen wir ein belastbares Mobilitäts-Konzept.
Auch wenn aktuell bundesweit und auch in Wilhelmshaven eine Mobilitätswende für notwendig erachtet wird, sind Großveranstaltungen wie die LaGa weiterhin auf die individuelle motorisierte Anreise ausgerichtet. Angesichts der prognostizierten Besucher:innenzahl erscheint das als „P1“ skizzierte DJK-Gelände unzureichend. Es bleibt offen, wo weitere Großparkplätze zur Verfügung stehen sollen und ob hierfür – für eine zeitlich befristete Nutzung – Freiflächen versiegelt werden. Dies würde die Zielsetzung einer „grünen“ Aufwertung des Stadtbildes konterkarieren.
Für Großveranstaltungen sollte grundsätzlich mit Nachdruck die Anreise per Bahn beworben und durch Kombi-Tickets (Bahnfahrt und Eintritt) attraktiviert werden. Für einen fahrradorientierten Tourismus ist die Einrichtung eines komfortablen und flexiblen Stadtrad-Systems (wie z. B. in Hamburg) unumgänglich. Für eine echte Mobilitätswende ist dieses Angebot weitaus sinnvoller als die unlängst hier eingeführten E-Roller, die überwiegend von jüngeren Leuten zu „Spaßfahrten“ genutzt werden.
Licht- und Lärmverschmutzung
Die geplante abendliche bzw. nächtliche Ausleuchtung der Hauptwege im Stadtpark würde wildlebende Tiere in ihrem Lebensrhythmus stark beeinträchtigen. Zudem ist es ein Trugschluss, die Wege würden dadurch sicherer werden – Übergriffe finden auch am helllichten Tag statt (Beispiel Kurpark) bzw. auch an beleuchteten Straßen der Innenstadt.
Abhängig von der Jahreszeit (Brutzeit) und der Tageszeit stellen auch lärmintensive Veranstaltungen eine Beeinträchtigung der Vogelwelt und anderer Tiere im Stadtpark dar. Dazu zählt die geplante zusätzliche Gastronomie auf der „Großen Wiese“. In ihrem derzeitigen Zustand wird dieser Bereich von verschiedenen Fledermausarten als Jagdrevier genutzt und von Naturinteressierten als Beobachtungsmöglichkeit, auch im Rahmen von beliebten geführten Exkursionen.
Naturschätze: Erhalt des Stadtparks als Ort der Bildung für nachhaltige Entwicklung
Für die Spielwiese im östlichen Teil des Stadtparks ist eine „Aufwertung“ mit „vielfältigen Aktionsräumen“ geplant. Tatsächlich wird die Wiese im Vergleich zu ähnlichen Anlagen in anderen Städten bislang wenig zum Liegen, Sonnenbaden oder Picknicken genutzt. Einladende „Räume“ lassen sich allerdings pfiffiger und nachhaltiger gestalten als mit bunten, pflegeaufwändigen Rabatten aus (oft einjährigen) Blumen und Zierstauden.
Im Konzept ist ein Aktionsraum mit einem Spielgerätepark skizziert. Solche konfektionierten Spielmöglichkeiten werden zwar gern angenommen, und es ist grundsätzlich zu begrüßen, Anreize für Bewegung an frischer Luft zu schaffen. Angesichts des Nachholbedarfs an Umweltbildung ist jedoch über alternative Konzepte nachzudenken, die ohne einen Gerätepark mit hohem Unterhaltungsaufwand auskommen. Der Stadtpark wird bereits mit seiner vorhandenen Naturausstattung als Naturerlebnis- und -erfahrungsraum genutzt. Genannt seien hier die Wiemkerei („grün / bunt“), Exkursionen der Naturschutzverbände für Kinder und Familien oder die vielfältigen Angebote zum ersten „Tag der Stadtnatur“ im Sommer 2019. Ähnliches war zum 100. Geburtstag des Parks geplant, der Corona-bedingt aufgeschoben werden musste. Hier gibt es also schon eine solide Grundlage, die auch ohne LaGa ausbaufähig ist. Der Südstrand ist bereits ein außerschulischer Lernort für den Süden der Stadt, der Stadtpark (im räumlichen Zusammenhang mit dem Botanischen Garten) könnte eine solche Funktion für die nördlicher gelegenen Bildungseinrichtungen übernehmen.
Mit dem Projekt „Naturschätze“ besteht bereits die Möglichkeit, die naturkundlichen Besonderheiten im ganzen Stadtgebiet kennenzulernen. Anhand von QR-Codes in Verbindung mit einer mobilen Website können Einheimische und Gäste die „Grüne Stadt am Meer“ informativ und unterhaltsam für sich erschließen. Anlässlich des 100jährigen Stadtpark-Jubiläums wurden in diesem Jahr eine Reihe weiterer Standorte im Stadtpark installiert. Dieses kostenlose Angebot, an dem naturkundlich kompetente Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich mitgewirkt haben, sollte viel stärker und regelmäßig seitens Stadt und Touristik beworben werden.