Ausbildung 2
Aug 261987
 

Mit dem Hammer

Unternehmerwillkür in Fedderwardergroden

(woku) Weil eine Auszubildende eine Woche lang fehlte, kam es zu einer fristlosen Kündigung. Der Geschäftsinhaber: „Da muß man ja mal mit dem Hammer zuschlagen.“ Eine ordnungsgemäße Krankmeldung lag ihm vor.

 schuh hiebnerIm Schuhhaus Hiebner in Fedderwardergroden herrschen rauhe Sitten. Der junge Geschäftsinhaber Rolf Hiebner läßt sich so schnell nicht die Butter vom Brot nehmen. Er bevorzugt ein klares Unternehmerdeutsch. Hiebner: „Der Ton muß hart sein.“
Das bekam auch seine Auszubildende Susanne (Name geänd.) zu spüren. als sie sich im heißen Wilhelmshavener Sommer eine saftige Grippe zuzog und ihrem Lehrherrn nach ärztlicher Untersuchung noch am Wochenanfang die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zustellte. Schon am Mittwoch lag eine Karte in Ihrem Briefkasten. Darin beschuldigte
Hiebner seine Auszubildende (damit auch den Arzt Dr. Wilhelm Keller) des Betruges. erklärte ihr, daß sie keinerlei Rechte habe und drohte mit der fristlosen Kündigung.krank
Auf Anfrage bestätigte Hiebner, daß er der Verfasser der Karte sei und bekräftigte dem GEGENWIND gegenüber sogar noch seine Haltung. Außerdem: Er habe Susanne geschrieben, daß er ihre fristlose Kündigung annehme(!!). Hiebner: „Ich laß mich doch nicht veräppeln.“
Den Namen seiner Auszubildenden nennen wollte der energische Unternehmer dann aber doch nicht. Seine Befürchtungen jedoch sind grundlos. Susanne sagt zu dem ganzen Hergang nichts, weil sie weitere Repressalien Ihres ehemaligen Chefs fürchtet. Aus Andeutungen ihrer Mutter konnten wir jedoch entnehmen, daß Hiebner (dessen „rauhe Art“ beim Arbeitsgericht bekannt sei) Susanne oftmals so schikaniert habe, daß sie „verheult nach Hause“ gekommen sei.
Der Sprecher der „Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Albert Weerda: „Das gibt’s öfter in Wilhelmshaven. Es gibt Unternehmen, die setzen sich über gesetzliche Bestimmungen hinweg und enthalten ihren Azubis elementare Grundrechte vor.“ Weerda versteht nicht. daß „Industrie- und Handelskammer, Berufsschule und Arbeitsamt gegen solche Leute nichts unternehmen. Der dürfte doch gar nicht mehr ausbilden.“
Will er auch nicht. Hiebner – stolz auf seine „Ausbilderprüfung“ – möchte „keine Lehrlinge mehr beschäftigen“. Denn – so der forsche Jungunternehmer: „Das sind ja noch unfertige Menschen.“

Kommentar:Starker Maxe
Es gibt ihn wieder, den „Herr im Hause-Standpunkt“ – wenn er überhaupt jemals aus der Mode gekommen war. Ob beim Bäcker oder im Schuhhaus: in Zeiten wie diesen dürfen sich Handwerksmeister offenbar aufführen wie die Fabrikherren im Frühkapitalismus. Alles ist erlaubt: Beschimpfungen, willkürliche Überstunden, ja selbst Erpressungen – ungestraft versteht sich. Und das System funktioniert. Die Angst der Opfer ist der beste Bündnispartner der Leuteschinder.
Es gibt ihn also noch, den alten Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit, das Grundübel unserer freiheitlichen Gesellschaft.
Und die Aussichten, ihn in Kleinbetrieben zu mildern, sind z.Z. nicht gut. Die Regierungsparteien stärken den Betriebsinhabern den Rücken, die WZ interessiert sich für derlei Kleinkram nicht (sind doch die Kleinunternehmen die wichtigsten Anzeigenkunden der WZ). Optimismusartikel, Ergebenheitsadressen an die Marine und der Verkehrsunfall von nebenan sind wichtiger als die Verletzung elementarer Rechte.
Hiebner, Bäcker und Konsorten haben aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die sinkende Geburtenrate wird dazu führen, daß auch die unternehmenden Zwergenkönige aus Wilhelmshaven in Kürze sehnsüchtig der Zeit nachtrauern werden, als sie noch den starken Max markieren konnten

Wolfgang Kuschel

handwerk

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