Aus der Schule geplaudert
Dez 152010
 

Aus der Schule

PISA
Immer noch ist Deutschland mit seinem gegliederten Schulsystem nur Mittelklasse im internationalen Vergleich. Ein bisschen aufgeholt haben unsere Kinder seit dem „PISA-Schock“ vor zehn Jahren in Sachen Mathematik und Naturwissenschaften, doch lesen und Texte verstehen können sie immer noch nicht gut genug. Das Volk der Dichter und Denker scheint des sinnerfassenden Lesens nicht mächtig zu sein.
Und ebenso signifikant wie schon zu Beginn der regelmäßigen Vergleiche ist wieder herausgekommen, dass in Deutschland der Schulerfolg von der sozialen Herkunft abhängt.
Niedersachsen bemüht sich sehr, dass es dabei auch bleibt.

Und Friede auf Erden?
Der Schulfrieden in Niedersachsen ist gefährdet. SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern wissen das – mit unterschiedlichsten Hintergründen – schon längst. Jetzt steht es aber dauernd in der Zeitung. Und es ist etwas ganz anderes damit gemeint, als man beim Erleiden des alltäglichen Kampfes denkt.
Die „neue Schulreform“ soll schon im kommenden Schuljahr 2010/2011 greifen (WZ, 22.10). Dann soll es die „Oberschule“ geben.10 Mio. Euro stellt das Land für diese „neue“ Schulform zur Verfügung. Gut 200 Oberschulen könnten schon gleich starten, denn gut 200 zusammengefasste Haupt- und Realschulen gibt es in Niedersachsen schon. Und an dieser Stele merkt man: Es handelt sich nicht um etwas Neues. Es ist alter Wein in neuen Schlauchen. Ina Korter (grüne Schulexpertin) nennt es „Etikettenschwindel“ (WZ, 3.12.).
Die WZ berichtete am 1.12. in ihrem Artikel über den „zweiten Bildungsgipfel“, dass die Hürden für die Gründung neuer Gesamtschulen nach dem Willen des Kultusministers hoch bleiben sollen. Weiterhin fordert er Fünfzügigkeit für IGS-Gründungen. Damit fallen Pläne für Gesamtschulen in kleineren Städten ins  Wasser. Dass auch vierzügige – in Ausnahmefällen auch dreizügige – Gesamtschulen gegründet werden können, fordert nicht nur der Landeselternrat, sondern auch der niedersächsische Städtetag (WZ, 5.11.).
Ebenfalls am 5.11. (als man noch glaubte, es könne einen Kompromiss geben) wies Wilhelmshavens IGS-Leiter Hildebrandt noch einmal darauf hin, dass an den Gesamtschulen die Schullaufbahnempfehlungen weit übertroffen werden.
Das hilft alles nichts; Schwarzgelb ist stur. Und entschlossen. Das neue Schulgesetz wurde am Nikolaustag im Landeskabinett entworfen und ohne vorherige Lesung im Landtag direkt an das Kultusministerium überwiesen. Es soll schon in der März-Sitzung vom Landtag verabschiedet werden. „Durchpeitschen“ nennt man so etwas.
Um die Front der Gegner dieser „Reform“ zu spalten, winkt die Regierung mit einer Möhre vor der Nase des Esels: Die Oberschulen können um einen Gymnasialzweig erweitert werden.

Den ganzen Tag
Dass Ganztagsschulen wichtig sind, um Schulfreude und Schulerfolg zu erhöhen, erklärte Bundesbildungsministerin Schavan (WZ, 12.11.). In Niedersachsen sind allerdings auch die Ganztagsschulen Etikettenschwindel. Hier werden die Kinder nicht den ganzen Tag beschult. Sie haben Halbtagsschule, bekommen dann ein Mittagessen und dürfen, wenn sie wollen, am Nachmittag in der Schule bleiben, um sich von engagierten Müttern und Vätern oder von Übungsleitern aus Sportvereinen betreuen und unterhalten zu lassen.
Wilhelmshavener Schulleiter fordern ein verbindliches Nachmittagsangebot und außerdem Sozialpädagogen für die Ganztagsschule. Das würde Geld kosten, und deshalb wird es hier bei den Übungsleitern und den Muttis und Papis bleiben.
Angesichts dessen war die HRS Jever konsequenter: Sie hat sich gegen die Teilnahme an diesem Schwindel ausgesprochen. Schulleiter Niemann-Fuhlboom erklärte in der WZ vom 29.10., dass der Ganztagsbetrieb nur mit zusätzlichen LehrerInnenstunden sinnvoll ist. „Es gibt kein integriertes Bildungs- und Erziehungskonzept, keine Orientierung an einem Leitbild. Das ist pädagogisch nicht zu verantworten“, so Niemann-Fuhlboom wörtlich.

Unsere Schule
Schlecht bestellt ist es in Niedersachsen auch um die Inklusion. Damit ist gemeint, dass Kinder mit Behinderungen gemeinsam mit nicht behinderten Kindern erzogen und unterrichtet werden sollen. Wie dieses Konzept umgesetzt wird, hat der Bildungsforscher Klaus Klemm untersucht. Niedersachsen liegt hier ganz hinten: Nur 6,6 % der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden gemeinsam mit anderen Kindern unterrichtet. Zum Vergleich: Der deutsche Durchschnitt liegt bei 18,4 % – Bremen kommt gar auf fast 40 %!
Wir schrieben an dieser Stelle einmal: Solange es die getrennte Beschulung von Kindern mit besonderen Förderbedürfnissen noch gibt, sollen die Sonderschulen auch gut ausgestattet sein. Die Wasserturmschule, die jüngst grundrenoviert wurde, steht bekanntlich zur Disposition; ein Grundschulzentrum soll in diesem jetzt schönen Haus entstehen.
Einen Tag der offenen Tür mit Adventsbasar gab es in der Wasserturmschule Ende November. Und diese Gelegenheit nutzte man dazu, auf die beträchtlichen eigenen Leistungen der Schule bei der Renovierung des Gebäudes hinzuweisen. „Das ist unsere Schule, hier wollen wir bleiben“, ist die Haltung der SchülerInnen, der Lehrkräfte und der Eltern. Hoffen wir, dass sie durchhalten!

Anette Nowak

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