"Die Würde des Menschen ...“
Gespräch mit einem kurdischen Asylbewerber
(hh/noa) Die ersten Bewohner des Asylantenwohnheims am Banter Deich waren eine kurdische Familie. Für die meisten Menschen ist der Begriff „Asylant“ leider mit großen Vorurteilen behaftet. Daß dahinter auch Menschen mit ihrer persönlichen Geschichte und ihren Problemen stehen, wird dabei oft nicht gesehen. Um dies bewußtzumachen, sprach der GEGENWIND mit Ismet M. (Name von der Redaktion geändert).
Gegenwind: Woher kommen Sie?
Ismet M.: Wir kommen aus dem syrischen Teil Kurdistans. Ich war praktisch selbständig und habe als Busfahrer gearbeitet. Wir haben ein gutes Leben geführt.
Gegenwind: Warum haben Sie Ihre Heimat verlassen?
Ismet M.: Ich bin wegen meiner politischen Tätigkeit zum Tode verurteilt worden. Die genaueren Zusammenhänge habe ich meinem Anwalt, der mich in unserem Asylverfahren vertritt, geschildert. Ich möchte sie Ihnen aber nicht mitteilen, weil ich Angst habe.
Gegenwind: Auf welchem Wege sind Sie hierhergekommen?
Ismet M.: Im Mai 1990 mußte ich schnell von zu Hause weg und bin zunächst allein illegal in die Türkei gereist. Bekannte haben mir dort einen Paß besorgt, so daß ich nach Deutschland reisen konnte.
Nachdem ich weg war, wurde meine gesamte Familie von den syrischen Behörden verfolgt. Meine Frau war zwei Monate lang im Gefängnis. Sie wurde dann zwar wieder entlassen, mußte sich aber täglich bei der Polizei melden. Einer unserer Söhne ist gefoltert worden. Sie haben ihn gefoltert und geschlagen, um aus ihm herauszubekommen, wo ich bin. Die Schläge hatten zur Folge, daß er jetzt auf einem Ohr taub ist.
Gegenwind: Wann konnte Ihre Familie nachkommen?
Ismet M.: Meine Frau ist mit den Kindern im Juli auf dieselbe Weise wie ich nach Deutschland gekommen.
Gegenwind: Was hatten Sie für ein Gefühl, als Sie in Wilhelmshaven ankamen?
Ismet M.: Wir sind hier angekommen, und in diesem Raum war nichts. So etwas hatte ich natürlich nicht erwartet. Ich habe meine Heimat verlassen, um frei zu sein. Und jetzt hausen wir mit zehn Personen in einem einzigen Raum. So habe ich mir die Freiheit nicht vorgestellt.
Gegenwind: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?
Ismet M.: Ich möchte gerne ein menschenwürdiges Leben führen können. Dazu gehört vor allem, daß wir eine Wohnung brauchen. Mit so vielen Personen in einem Raum, das ist wie in einem Gefängnis.
Gegenwind: Wollen Sie in Deutschland bleiben?
Ismet M.: Ich kann jetzt nicht entscheiden, ob ich hier bleiben will oder nicht. Ich habe momentan keine andere Wahl. Wenn ich nach Syrien zurückginge, würde das Todesurteil vollstreckt.
Gegenwind: Wie soll es jetzt weitergehen?
Ismet M.: Am liebsten würde ich arbeiten. Aber solange das Asylverfahren läuft, habe ich ein Arbeitsverbot. Unsere Kinder gehen schon in die Schule, und ich möchte gerne in der Volkshochschule Deutsch lernen. Wir wünschen uns sehr, daß unsere Kinder mit deutschen Kindern spielen können. Also, eine Wohnung ist im Moment wirklich unser größter Wunsch.
Gegenwind: Wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen und Ihrer Familie alles Gute.
Kurdistan
Die Geschichte des kurdischen Volkes gehört zu den dunkelsten und grausamsten Kapiteln des 20. Jahrhunderts. Mehr als 26 Millionen Menschen, Nachkommen eines der ältesten Kulturvölker der Welt, leben seit dem Zerfall des Osmanischen Reiches im Jahre 1918 auf fünf Staaten (siehe Karte) verteilt. In den meisten dieser Staaten werden den Kurden heute noch die elementarsten Lebensrechte bestritten.
Im Vorwort zur Anthologie „Les Kurdes et le Kurdistan“ schreibt Maxime Rodinson: „Die Rechte des kurdischen Volkes dürften für jedermann außer Zweifel stehen. Hier haben wir ein ganz spezifisches Volk, das eine fest umrissene Sprache spricht, auf einem zusammenhängenden Gebiet lebt, eine besondere Kultur besitzt und in seiner übergroßen Mehrheit die kulturelle Assimilierung, zu der man es zwingen will, ablehnt und das tausendfach seit mehr als hundert Jahren bewies, daß es sich bewußt ist, eine besondere ethnischnationale Gruppe zu bilden, die einen Anspruch auf eigene politische Institutionen hat und der das Recht zusteht, ihre Entscheidungen autonom zu treffen.“
Die Umstände, unter denen die Asylbewerber nach Wilhelmshaven gekommen sind, sind sicherlich nicht von der Stadt zu verantworten. Auch ist der Stadt nicht das Verhalten von Hauseigentümern anzulasten, die sich weigern, Wohnraum für Asylsuchende zur Verfügung zu stellen.
Nicht zu entschuldigen ist jedoch die Haltung des Sozialdezernenten Milger, der wochenlang untätig blieb. Nun wurde eine Notlösung erforderlich, die sowohl für die Asylbewerber als auch für die betroffenen städtischen Mitarbeiter alles andere als schön ist. Zwei Stockwerke des stadteigenen Hauses am Banter Deich standen jahrelang leer. Es wäre doch bestimmt möglich gewesen, die Räumlichkeiten rechtzeitig instandzusetzen und entsprechende Vorbereitungen zu treffen.
Hilde Haake
Anette Nowak
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