Arbeitslosigkeit
Jul 212004
 

Zum Beispiel Frau Lütten...

Langzeitarbeitslosigkeit wird zu einem existentiellen Problem

(noa) Heike Lütten (Name von der Redaktion geändert) sucht seit 1999 Arbeit. Was sie in diesen fünf Jahren erlebt hat, würde ein Buch füllen. Einiges davon soll hier berichtet werden.

Frau Lütten braucht dringend Arbeit, um Schulden zu bezahlen. Weil sie aber Schulden hat, bekommt sie keine Arbeit. Manchmal wird ihr das bei Betrieben, in denen sie nach Arbeit fragt, direkt gesagt. So hörte sie bei einer Firma, die Telefondienstleistungen anbietet, gegen Ende eines zunächst positiv verlaufenen Gesprächs, dass man grundsätzlich Schufa-Auskünfte einhole und Leute, die verschuldet sind oder gar ein Insolvenzverfahren laufen haben, nicht einstellt.
Manchmal sagt man es ihr nicht direkt. So hatte sie in den letzten Monaten mehrere Vorstellungsgespräche, die auch nach ihrer Auskunft, dass sie momentan kein Konto habe, immer noch freundlich verliefen, nach denen aber die Absage („Wir danken Ihnen für Ihre Bewerbung und teilen Ihnen mit, dass wir uns für eine andere Bewerberin entschieden haben“) sehr schnell kam.
Zwischendurch hatte Frau Lütten immer mal wieder Arbeit, so genannte geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Da sie Arbeitslosenhilfe bezieht, bleiben ihr von solchen Jobs immer nur 165 Euro monatlich, nicht genug, um ihre Schulden in näherer Zukunft erheblich zu reduzieren. Sie zahlte bis vor kurzer Zeit an ihre Gläubiger kleine Beträge. Mit einem vollen Job könnte sie ihre Schulden in ein, zwei Jahren abtragen, aber ohne Konto gibt ihr niemand einen vollen Job. Jetzt hat sie Insolvenz angemeldet und darf deswegen nichts mehr abstottern.
Anfang des Jahres hat Frau Lütten eine Weiterbildung absolviert. Dafür hat sie einen Bildungsgutschein von der Agentur für Arbeit bekommen. Bei einem privaten Arbeitsvermittler hat sie eine Stelle gefunden, in der sie ihre neuen Kenntnisse sinnvoll anwenden könnte. Einen Vermittlungsgutschein bekommt sie im Moment aber nicht. Da müssen erst drei Monate nach der Bildungsmaßnahme vergangen sein. Bis dahin ist die Stelle natürlich anderweitig besetzt…
Ja, also einen Vermittlungsgutschein bekommt sie derzeit nicht. Trotzdem bekam sie jüngst Post von der Arbeits-Agentur. Sie wurde aufgefordert, sich bei einer Job-Börse zu melden. Die Vermittlerin hätte einen Job für sie. Aber ohne Vermittlungsgutschein…
2000 Euro ist so ein Gutschein für die Vermittlungsagentur wert. Das hat Frau Lütten erfahren, indem sie gefragt hat, ob sie nicht selber die Vermittlungsgebühr bezahlen kann. Als ihr bei der genannten Summe sichtlich die Luft wegblieb, bot ihr die Vermittlerin an, ihr die Stelle für 500 Euro zu besorgen. Nun, auch 500 Euro sind mehr, als Frau Lütten bezahlen kann, selbst in zwei Raten, wie die Vermittlerin es ihr dann anbot.
So langsam wird es richtig eng. Noch ein knappes halbes Jahr, und es gibt keine Arbeitslosenhilfe mehr. Dann gibt es Arbeitslosengeld II, die so genannte Grundsicherung für Arbeitssuchende. Wahrscheinlich aber nicht für Frau Lüschen. Sie hat nämlich einen Mann, der ein bisschen Geld verdient. Nicht viel und nicht ganz regelmäßig, weil er nämlich als „Aushilfe“ arbeitet. Zwar schon lange und zuverlässig, aber halt ohne dauerhaften Vertrag, und gelegentlich mal ist er auch nicht zum Aushelfen erforderlich, und dann hat er ein paar Tage Verdienstausfall.
Und so läuft Frau Lütten von Geschäft zu Geschäft, von Betrieb zu Betrieb und fragt nach Arbeit. Denn einen Vermittlungsgutschein bekommt sie im Moment ja nicht, und so lange, bis sie den kriegt, will sie nicht warten.

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top