Noch schlimmer als bisher bekannt
Die ALI-Versammlung erfuhr über den Gesundheitsfonds so einiges, was bislang nicht publiziert wurde
(noa) Bei manchen Veranstaltungen kann man es einfach nur bedauern, wenn sie spärlich besucht werden. So war die ALI-Versammlung am 11. Mai sehr interessant, aber das Thema “Gesundheitsfonds” hatte nur ein gutes Dutzend Mitglieder herbeigelockt.
Rolf Budelmann, der Leiter des DAK-Service-Centers, berichtete all das, was in den Medien gar nicht oder nur kurz erwähnt worden war.
Das neue System Gesundheitsfonds stammt aus der Großen Koalition und hat zum 01.01.09 begonnen. Alle Krankenkassen hatten sich dagegen ausgesprochen. Zumindest wollten sie erst einmal nur einen Probelauf von einem Jahr (in dem in der Wirklichkeit erst einmal alles wie vorher laufen, auf dem Papier aber nach dem Modell “Gesundheitsfonds” stattfinden sollte), um herauszufinden, ob das Projekt tatsächlich etwas taugt.
Der Probelauf fand nicht statt, und seitens der Regierung gab es widersprüchliche Botschaften. Im Oktober 2009 versicherte Merkel, dass es beim alten System bleiben werde, nachdem Pofalla zwei Tage zuvor angekündigt hatte, dass der Gesundheitsfonds bestimmt komme.
Nun, er kam, und nun ist er da, und er macht Probleme, die absehbar waren: 2010 fehlen 7 Mrd. Euro im Gesundheitssystem. Es wurde im Vorlauf des Projekts niemals publiziert, dass der Fonds von Beginn an unterfinanziert war. Bezüglich dieses Defizits gäbe es drei Möglichkeiten des Ausgleichs: Steuerzuschuss, Beitragserhöhung oder Zusatzbeitrag. Wir wissen alle, für welche Möglichkeit der Gesetzgeber sich entschieden hat, und wie zu erwarten ist es die ungerechteste: der Zusatzbeitrag.
Bei einem staatlichen Zuschuss träfe die Finanzierung alle, was allerdings niemand direkt merken würde. Bei Beitragserhöhungen würden die Arbeitgeber an den Lasten we-nigstens zu knapp der Hälfte mitbeteiligt, doch der Zusatzbeitrag von 8 Euro für alle trifft nur die Versicherten, und bei denen die Ärmsten am härtesten.
Die Frage aus dem Publikum, ob die Krankenkassen die Zusatzbeiträge beliebig erhöhen können, entsprang wohl der Sorge, um wie viel Geld wir noch erleichtert werden. Nein, so Budelmann, das geht nicht beliebig. Die 8 Euro, die die DAK als erste Kasse erhebt, müssen pauschal von allen Versicherten gleich, unabhängig vom Einkommen, entrichtet werden; wenn das nicht reicht, werden Erhöhungen des Zusatzbeitrages nach Einkommensprüfung vorgenommen und werden maximal 1 % des Einkommens (wozu dann allerdings sämtliche Einkünfte zählen) betragen.
Die andere Möglichkeit neben dem Zusatzbeitrag wäre die Kürzung von Leistungen gewesen. Wie bitte? kam es da aus dem Publikum. Es ist doch gesetzlich vorgeschrieben, was eine Kasse leisten muss. Das konnte Budelmann bestätigen, und doch gibt es da Sparpotenziale. So kann eine Krankenkasse eine Operation auf jeden Fall bezahlen, egal wo sie vorgenommen wird, sie kann aber auch verlangen, sie da durchzuführen, wo sie kostengünstiger gemacht werden kann.
Und was passiert, wenn jemand den Zusatzbeitrag einfach nicht zahlt? Nun, dann gibt es ein Mahnverfahren. Dieses wird jedoch bestimmt nicht jeden Monat für je 8 Euro angestrengt, sondern man lässt erst einiges an Schulden zusammenkommen, so dass ein vollstreckbarer Schuldtitel sich für die Kasse als Gläubiger überhaupt lohnt.
Wer gar kein Geld hat, bei wem also auch mittels vollstreckbarem Schuldtitel nichts zu holen ist, der muss seine Chipkarte abgeben und muss – wie es ganz, ganz früher einmal war – für jeden Arztbesuch einen Krankenschein beantragen.
Wie im letzten Gegenwind berichtet, bekommen Hartz IV-BezieherInnen den Zusatzbeitrag nicht vom Job-Center erstattet (einige wenige spezielle Fälle ausgenommen) und müssten also die Krankenkasse wechseln, wenn sie die 8 Euro nicht aufbringen können oder wollen. Werden sich dann nach mehreren Wechselvorgängen die schwächsten Beitragszahler in wenigen Krankenkassen massiv anhäufen und diese dann in die Pleite treiben? Nein, das kann nicht passieren, denn die einzelnen Kassen bekommen ihr Geld nicht direkt von den Versicherten (von Armen also wenig, von gut Verdienenden mehr), sondern pauschal aus dem Gesundheitsfonds. Na dann: Fröhliches Kassenhopping!
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