Eine Zukunft für ALI?
Schon wieder ist fraglich, ob es die Arbeitsloseninitiative im nächsten Jahr noch gibt
(noa) Die Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven/Friesland ist im Juli 10 Jahre alt geworden. So etwas ist eigentlich ein Grund zum Feiern. Doch zum Feiern ist bei der ALI im Moment niemandem zumute. Da ist nicht nur der erhöhte Arbeitsanfall wegen Hartz IV, sondern – mal wieder – Sorge um die Zukunft.
Für uns war es schwierig, dazu eine neue Überschrift zu finden, denn wir berichten hier schon zum dritten Mal von einer ernsthaften Bedrohung der Zukunft der ALI. „Die Arbeitsloseninitiative ist in Gefahr“, lautete in Ausgabe 146 (Mai 1998) unser Titel. Werner Ahrens, seit 1. Oktober 1994 Sozialberater des damals noch jungen Vereins, hatte in den ersten zwei Jahren seiner Tätigkeit, die als ABM vom Arbeitsamt finanziert worden war, der ALI einen Ruf als seriöse und sehr kompetente Beratungsstelle verschafft. Ein drittes ABM-Jahr kam nur in Frage, wenn ein Dauerarbeitsplatz in Aussicht gestellt werden konnte. Das gelang schließlich mit Zusagen der Stadt Wilhelmshaven und der Nachbarkommunen, die Kofinanzierung zu einer 50 %-Förderung durch das Landesprogramm FAS (Förderprogramm für Arbeitslosen- und Sozialhilfeinitiativen) zu übernehmen. Mit der dritten ABM waren Werners Stelle und damit das Beratungsangebot der ALI bis Ende September 1997 gesichert. Doch die zugesagte Anschlussfinanzierung danach blieb größtenteils aus; die Stadt Wilhelmshaven leistete ihren Anteil nicht, und auch die Gelder aus Friesland flossen dünner als versprochen.
Seit 1. Mai 1996 bestand eine zweite ABM-Stelle, die Ernst Taux innehatte. Auch diese Stelle fiel dem Ausbleiben der zugesagten kommunalen Mittel zum Opfer, und Ernst war zum Zeitpunkt unseres damaligen Artikels wieder arbeitslos.
Die dringend benötigten 20.000 DM kamen dann noch aus einer Quelle, die nicht genannt werden kann, und zunächst mal war alles gut.
Doch im Februar 2001 schrieben wir im Gegenwind 165. „Schon wieder … ist völlig unklar, wie die Arbeit der ALI weitergehen kann.“ Bis dahin hatte der Verein es noch geschafft, indem die Kofinanzierung zu den FAS-Mitteln vom Arbeitsamt, diesmal nicht als ABM, sondern aufgrund einer Bestimmung aus dem SGB III über die Möglichkeit freier Finanzierung geleistet worden war. So hatte auch Ernst Taux wieder eingestellt werden können. Bis Ende 2000 waren beide Beraterstellen gesichert. In der Monatsversammlung im Januar 2001 jedoch teilte OB Eberhard Menzel der ALI mit, dass die Stadt Wilhelmshaven keinerlei Zuschüsse an Vereine mehr gewähren werde und dass auch für die ALI keine Ausnahme gemacht werden könne.
Trotz all dieser Widrigkeiten hat die ALI bis jetzt durchgehalten. Die öffentlichen Mittel fließen spärlicher, und seit Ende Mai 2003 besteht nur noch eine der beiden Stellen; Ernst ist arbeitslos (macht allerdings ehrenamtlich noch viel bei der ALI). Im Moment und noch bis Ende des Jahres ergänzt die ALI die FAS-Gelder durch Spenden und Mitgliedsbeiträge.
Jetzt fällt das FAS-Programm. Die niedersächsische Landesregierung hat jeglichen Zuschuss an Arbeitslosen- und Sozialhilfe-Einrichtungen ab Januar 2005 komplett gestrichen. „… in der kritischen Phase der Umstellung, also bis Ende des Jahres, wird das Land seine Zuschüsse nicht kürzen“, zitiert die „WZ“ vom 21. Juli einen Sprecher des Wirtschaftsministeriums, doch: „In schwierigen Zeiten sei es aber nicht möglich, Doppelstrukturen zu unterstützen. Die Beratung der Bundesagentur für Arbeit sei auf Dauer ausreichend, sagte Krischat. Die Regierung kürzt im Rahmen ihres Milliarden-Sparprogramms für 2005 die Zuschüsse für Arbeitslosen-Beratung auf Null…“ (ebd.)
Doppelstrukturen – die Landesregierung unterstellt mit diesem Begriff, dass die großzügige Ausstattung der Arbeitsagenturen, die Hartz IV vorsieht, tatsächlich gegeben sein wird, und zwar pünktlich zum 1. Januar 2005. Oder dass die „Job-Center“ in Zusammenarbeit der Arbeitsagenturen mit den Kommunen bis dann schon stehen und zur Beratung fähig sein werden. „Das Land sollte auf jeden Fall eine Zwischenfinanzierung leisten, denn niemand geht ernsthaft davon aus, dass das wirklich bis zum 1.1. alles steht“, meint ALI-Vorsitzender Günther Kraemmer.
Seit Monaten ist das unter Arbeitslosen genauso Thema wie in der Politik, und regelmäßig meldet sich der eine oder andere Oppositionspolitiker zu Wort mit dem Vorschlag, die ganze „Reform“ um ein Jahr zu verschieben, um Zeit zur Vorbereitung zu gewinnen – worauf Schröder von einem zum anderen Mal sturer darauf besteht, dass die „Reform“ zum 1.1.05 umgesetzt wird.
Für Wilhelmshaven kann man zuversichtlich pessimistisch sein: „Stadt will Kooperation – Mitarbeiter ein Solo“, titelt die „WZ“ am 19. August. Selbst wenn der Rat am 25. August gegen die Willensbekundung der städtischen MitarbeiterInnen die Kooperation mit der Arbeitsagentur beschließt, bedeutet das noch lange nicht, dass in den verbleibenden vier Monaten die notwendigen Strukturen geschaffen und genügend Beschäftigte qualifiziert für die Tätigkeit sein werden.
„Die Job-Center sollen ja alles unter einem Dach bieten – auch die Schuldnerberatung, die Suchtberatung, die psychosoziale Beratung für Erwerbslose“, sagt Werner. Günther weist jedoch darauf hin, dass dieses „alles unter einem Dach“ kein gutes Konzept ist: Zur Ergänzung der Beratung durch staatliche Stellen ist eine staatsunabhängige Stelle dringend erforderlich. Die Geschichte der ALI beweist es: Zahlreiche Fälle, in denen das Arbeitsamt einen Bescheid erteilt hatte, wurden von der ALI überprüft; oft führte das dazu, dass Werner oder Ernst zu einem Widerspruch geraten haben und den Ratsuchenden dabei unterstützt haben, und in vielen Fällen hat ein Gericht dann anders entschieden.
So oder so, ob aus dem einen oder dem anderen Grund, es wäre sehr wünschenswert, dass die ALI auch über den 1.1.05 hinaus weiter ihr Beratungsangebot vorhält. An eine ehrenamtliche Beratung, wonach wir Werner Ahrens fragten, ist allerdings nicht zu denken: „Als Arbeitslose müssen wir unsere beständigen Bemühungen, Arbeit zu finden, nachweisen. Da werden wir keine Zeit haben, unsere Sprechstunden aufrechtzuerhalten. Und es würde auch nicht gehen, dass hier sechs, sieben Leute auf dem Flur sitzen, ich aber nicht kommen kann, weil ich einen Termin beim Arbeitsamt wahrnehmen muss.“
Man könne über alles reden außer über eine Verlängerung von FAS, wurde eine Vertreterin von ZEPRA (dem Zusammenschluss der Arbeitsloseninitiativen in Niedersachsen) am 9. August in einem Gespräch in Hannover beschieden. Ihre Gesprächspartner von Eimen, Direktor der Regionaldirektion (ehem. Landesarbeitsamt), Warren, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, und Hermann, sozialpolitischer Sprecher der FDP, rieten ihr allerdings, die Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfe-Einrichtungen sollten sich an die Kommunen wenden. Das wäre eine Hoffnung für eine Zukunft der ALI im 11. Jahr und darüber hinaus. Eine Kommune muss ja ihre Aufgaben nicht alle selber wahrnehmen, sondern kann sie freien Trägern übertragen. In der Jugendhilfe z.B. ist das in Wilhelmshaven schon seit Jahren so geregelt. Warum also sollte die Stadt Wilhelmshaven, wenn es denn zu der bewussten Kooperation kommt, ihren Teil der Arbeitslosenberatung nicht der ALI in einem entsprechenden Vertrag übertragen?
Bislang hat die ALI diesbezüglich noch nicht bei der Stadt vorgesprochen, da es hier ja noch keinen entsprechenden Ratsbeschluss gibt (bei Erscheinen dieser Gegenwind-Ausgabe muss es schon heißen: gab). Man wird sehen, wie es weitergeht.
Feierlaune jedenfalls herrscht momentan bei der ALI nicht. Die im Frühsommer angedachte Idee, das Jubiläum genau pünktlich zu feiern und während des Wochenendes an der Jade einen Empfang zu veranstalten – man hätte alle, die zum Bontekai unterwegs waren und am Gewerkschaftshaus vorbeikamen, „abfangen“ können -, wurde wegen des großen Arbeitsanfalls in diesem Jahr nicht weiter verfolgt. Vielleicht gibt es Ende des Jahres eine besondere Monatsversammlung, zu der alle, die bisher auf ALI-Versammlungen referiert haben, eingeladen werden. Auch hier gilt: Man wird sehen.
Die nächste Versammlung der Arbeitsloseninitiative wird am Dienstag, 14. September, um 10 Uhr im Gewerkschaftshaus stattfinden.
Wieder einmal wird Hartz IV Thema sein.
Diesmal wird der neue Leiter der Wilhelmshavener Arbeitsagentur, Heinz-Wilhelm Müller, zu Gast sein.
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