Arbeitsbeschaffung 2
Aug 022000
 

ABM-Hochburg Wilhelmshaven

Von allen Arbeitsämtern in den alten Bundesländern steht das Amt Wilhelmshaven (zuständig für die Stadt Wilhelmshaven und den Kreis Friesland) in Sachen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen an erster Stelle:

  • Von den 69,6 Mio. DM, die 1999 für die berufliche Eingliederung Arbeitsloser vorgesehen waren, gingen 25,6 Mio. DM (36,8%) in ABM. Damit gab das Amt Wilhelmshaven einen mehr als doppelt so hohen Teil des „Eingliederungstitels“ für ABM aus als das durchschnittliche westdeutsche Arbeitsamt mit 15,6%. Auch der Abstand zu dem Amt, das den 2. Platz belegt, ist beachtlich: Bremerhaven gab 31,5% seines Eingliederungstitels für ABM aus.
  • Spitzenreiter ist unser Arbeitsamtsbezirk auch in punkto ABM-Beschäftigte: 0,9% der Erwerbspersonen hier sind in ABM beschäftigt (Bundesdurchschnitt West: 0,2%). Auf 100 Arbeitslose in Wilhelmshaven und Friesland kommen 6,6 ABM-Beschäftigte (im Durchschnitt der alten Bundesländer sind es 2,2).
  • Nach einem einstimmigen Beschluss des Verwaltungsrates vom 13.7.1999 führt das Arbeitsamt ABM auch zur Strukturverbesserung und zur Unterstützung der Wirtschaftsförderung durch. So werden Maßnahmen zur Verschönerung des Stadtbildes (im Bereich Grünflächen und Gebäude) zwecks Förderung des Kurortcharakters der Stadt aus dem Eingliederungstitel (mit)finanziert.
  • Bei Maßnahmen nach dem Sonderprogramm der Bundesregierung zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit, für das zu den bundesweit 21 Mrd. DM ein zusätzlicher Betrag von 2 Mrd. DM bereitgestellt wurde (z.T. aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit, z.T. aus dem Europäischen Sozialfonds), können neben Löhnen auch Sachkosten vom Arbeitsamt getragen werden.
  • 1999 liefen im Arbeitsamtsbezirk Wilhelmshaven jahresdurchschnittlich 276 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit 727 ABM-Beschäftigten.
Kommentar:

Brot und Spiele
Von Paul Watzlawick, dem bekannten Psychiater, gibt es die Geschichte von dem Betrunkenen, der im Schein einer Straßenlaterne nach seinem Hausschlüssel sucht – verloren hat er ihn zwar woanders, aber dort ist es so dunkel. Sollte dies ein Gleichnis für die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland sein? Stimmt es, dass Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ihren Zweck, die Eingliederung Arbeitsloser in reguläre Arbeit nämlich, weitgehend verfehlen und die Arbeitsämter auf die beharrliche Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen mit Verstärkung eben dieser Bemühungen reagieren?
Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren ließ den Zweck der ABM, wie er im Sozialgesetzbuch (früher im Arbeitsförderungsgesetz) vorgesehen ist, unerreichbar werden. Eine große Zahl von Erwerbspersonen findet auf dem 1. Arbeitsmarkt kein Unterkommen. In dieser Situation scheint es nur die Wahl zwischen Finanzierung von Arbeitslosigkeit einerseits und Arbeitsbeschaffung andererseits zu geben.
„Wenn wir für unsere Bevölkerung keine reguläre Arbeit haben, dann ist es besser, irgendeine Arbeit sozusagen künstlich einzurichten als sie irgendwie nur mit ‚Brot und Spielen’ abzuspeisen“, sagte uns Dr. Lienau, Leiter des Arbeitsamtes Wilhelmshaven, und Rainer Ewald, Diakoniepfarrer und in dieser Eigenschaft Dienstherr von zahlreichen ABM-Beschäftigten, gibt in einem Leserbrief zu bedenken: „ABM ist bezahlte Arbeit und nicht bezahltes Nichtstun“ und „Viele schwer vermittelbare Arbeitssuchende wären ohne ABM ohne Chance dem ersten Arbeitsmarkt ausgeliefert und somit längst in der Langzeitarbeitslosigkeit mit all den bekannten sozialen Folgen.“ („WZ“ vom 7.7.2000)
Der 2. Arbeitsmarkt ist eine gegebene Größe und gegenwärtig und auf unabsehbare Zeit notwendig. Das könnte unser Arbeitsamt ruhig offensiv vertreten, statt mit viel Mühe den Nachweis zu versuchen, dass es die Ziele des Sozialgesetzbuches in einigen Fällen erreicht.

Anette Nowak

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