Jedes Los eine Niete
Weiterbildungsleergänge des Arbeitsamtes
(noa/iz) Offiziell sind es ein paar unter 20%. Die aus der Statistik Getilgten dazugezählt ist jedoch bestimmt schon mehr als jede fünfte erwerbsfähige Person in Wilhelmshaven ohne Arbeit. Schlimm genug, arbeitslos zu sein. Schlimmer jedoch, was Arbeitslosen in Wilhelmshaven passiert
Ein arbeitsloser Mann wurde von seinem Arbeitsvermittler Anfang des vergangenen Jahres auf eine Weiterbildungsmaßnahme hingewiesen. Er war daran sehr interessiert. Der Träger führte einen Auswahltest durch, um ungeeignete Bewerber auszusondern. Unser Arbeitsloser bestand. Die erste Hürde war genommen.
Leider war die Maßnahme dann aber schon ausgebucht. Vorsichtshalber hatte unser Arbeitsloser nie aufgehört, sich um Arbeit zu bemühen, doch da mittlerweile um die hundert Bewerbungen ohne Erfolg waren, freute er sich, als er hörte, daß angesichts der großen Nachfrage jetzt im Januar eine gleiche Weiterbildungsmaßnahme angeboten würde und er fest angemeldet sei.
Da er in der Zwischenzeit von Arbeitslosengeld auf -hilfe abgesunken war, sehnte er den Beginn des Kurses förmlich herbei. Im Dezember wurde er aber doch unruhig, als er weder vom Arbeitsamt noch von der Trägerinstitution Nachricht bekam. Die Nachfrage beim Arbeitsamt führte zu einer Gegenfrage: Ob er eventuell den Eignungstest nicht bestanden habe?
Nun wie schon erwähnt, hatte er ihn bestanden, und außerdem war der Test für die Durchgefallenen wiederholt worden – daran konnte es also nicht liegen. Die Nachfrage beim Träger ergab eine ganz andere Information: Die Teilnahme am Kursus ist mittlerweile auf Ingenieure, Techniker und Meister beschränkt.
Okay, wenn es dafür vernünftige Gründe gab. Aber man hätte die Bewerber, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, doch wenigstens in Kenntnis setzen können! Um zu erfragen, warum dies unterblieben war, ging unser Arbeitsloser wieder zum Arbeitsamt. Dort wurde ihm vorgehalten, daß er als Ehemann einer berufstätigen Frau und dazu auch noch als Eigentümer eines Häuschens bestimmt nicht bereit gewesen wäre, vor Antritt der Maßnahme ein Papier zu unterschreiben, in dem er zugesichert hätte, nach Abschluß des Kurses an jedem beliebigen Ort Arbeit anzunehmen. Selber schuld also?
Ein anderer Arbeitsloser wurde in eine Umschulung in Sachen Buchführung gesteckt. Nur war das genau die Materie, die er zehn Jahre lang in einem großen Wilhelmshavener Betrieb beackert hatte. Nach einer Woche gutwilliger Teilnahme an dem Kurs fragte er sich ernsthaft, ob er nicht eher als Kursleiter denn als Kursteilnehmer prädestiniert war.
Er versuchte seinem Arbeitsberater zu verdeutlichen, daß diese Maßnahme für ihn persönlich weniger Umschulung als Beschäftigungstherapie sein konnte – der typische Parkplatz, mit dem eigentlich Arbeitslose mittelfristig aus der häßlichen Statistik herausgeschoben werden. Für den Betroffenen vertane Zeit, während der er kaum Möglichkeit hat, sich selbst nach einer Beschäftigung bzw. Verdienstmöglichkeit umzusehen. In diesem Fall wollte der Mann sich mittelfristig selbständig machen, in einer Branche, die viel Vorlaufzeit benötigt, ehe sich die ersten Einkünfte sicher einstellen. Auch dies verriet er seinem Arbeitsberater im September. Die „Umschulung“, die für ihn und seine Zukunft so überflüssig wie kontraproduktiv war, konnte er abbrechen.
Anfang Januar erhielt er den Bescheid, dass er – rückwirkend zum vorletzten Tag – ab jetzt keine Arbeitslosenbezüge mehr erhalten würde, da er sich ja selbständig gemacht hätte! Bis dahin hatte der Betroffene jedoch nur Kontakte knüpfen und Chancen und Risiken seines neuen Berufsziels abschätzen können, ohne auch nur einen Pfennig Einkünfte daraus zu erzielen.
Die Moral unserer zwei wahren Geschichten: hast Du das Arbeits-Los gezogen, versuch ja nicht, Dein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen – jede Eigeninitiative kann gegen Dich verwendet werden, streng nach schematischen Vorschriften. Über den ordnungsgemäßen Zustand der Lostrommel wacht dein Arbeitsamt. Und manchmal gewinnst Du zumindest einen Kursus, auch wenn Du gar nicht willst; und wenn Du einen willst, gewinnst Du eben keinen. Oder was?
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