Arbeiterwohlfahrt
Jun 071993
 

Abgebogen

AWO beweist: Papier ist geduldig

(noa) Unter der Überschrift „RICHTUNGSWEISEND“ berichtete der GEGENWIND im Oktober 1991 über eine vorbildliche Betriebsvereinbarung beim Bezirksverband Weser-Ems der Arbeiterwohlfahrt. Richtungsweisend in Sachen Frauenförderung fand auch die niedersächsische Frauenministerin Schoppe dieses Papier. Sie überreichte der AWO in einem feierlichen Festakt einen Geldpreis in Höhe von 5.000 DM. „Man müßte Frau Schoppe dieses Geld eigentlich zurückgeben!“ finden allerdings AWO-Beschäftigte, denn ihr Arbeitgeber liefert mit seiner tatsächlichen Frauenpolitik einen neuen Beitrag zum Thema „Papier ist geduldig“.

„Es ist vorgesorgt, daß es nicht nur Papier bleibt: Jährlich wird die AWO dem Gesamtbetriebsrat eine Übersicht über den Frauenanteil der Beschäftigten mit Angaben über die Zahl der voll- und teilzeitbeschäftigten und der befristet angestellten Männer und Frauen und der Teilnahme der Beschäftigten an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen vorlegen, und die AWO wird mit dem Gesamtbetriebsrat, falls erforderlich, über Verbesserungen verhandeln.“ So hatten wir damals geschrieben. Soweit das geduldige Papier. Erstmalig im Dezember 1992 sollte die AWO Bericht erstatten, und im Mai 1993 tauchte dann ein solches Papier schließlich auf.
Die AWO sah sich allerdings nicht imstande, der laut Betriebsvereinbarung erforderlichen „Aufstellung über die Zahl der teilzeitbeschäftigten Frauen und Männer“ die im selben § 8 (1) geforderten Angaben über „Umfang (Stundenzahl) und Art, z.B. vormittags/nachmittags“ beizufügen – das sei aus der EDV nicht abfragbar.
Auch die „Aufstellung der vorhandenen Zeitarbeitsverträge“ gab sie nur für ABM, nicht aber für sonstige Zeitverträge. Die „Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen und Maßnahmen zur Erhaltung der beruflichen Qualifikation“, im selben Paragraphen der Betriebsvereinbarung gefordert, nannte sie gleich gar nicht.
In diesem letzteren Punkt hat die AWO wohl auch am meisten zu verbergen. So wird § 6 (2) – „Für Beurlaubte sind die Fort- und Weiterbildungskurse zu öffnen. Sie sind über diese Angebote zu informieren“ – konsequent nicht eingehalten; Frauen im Erziehungsurlaub, die ja den größeren Teil der Beurlaubten stellen, bekommen die Informationen über diese Kurse nicht zugeschickt.
Weibliche AWO-Beschäftigte mutmaßen, daß gezielt Frauen benachteiligt werden. Dafür spricht die Tatsache, daß eine Fortbildungsveranstaltung mit dem Thema „Frauen in Leitungsfunktionen“ ohne Angabe von Gründen, jedenfalls aber nicht mangels Anmeldungen, abgesagt wurde. Dafür spricht auch die Tatsache, daß die Festlegung in § 6 (3) der Betriebsvereinbarung nicht eingehalten wird. Diese lautet: „In die inhaltliche Gestaltung der Fort- und Weiterbildung insgesamt ist die ‚Gleichstellung von Frauen und Männern‘ themenübergreifend einzuplanen, um Bewußtsein für die Problematik zu schaffen.“ Ganz offensichtlich fehlt dieses Bewußtsein vor allem bei den AWO-Oberen.

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