Anhängsel
Apr 271994
 

Frauen in Wilhelmshaven

Teil 2 der Serie: „Ausländische und deutsche, arbeitslose, alleinerziehende und verheiratete Frauen in Wilhelmshaven ohne Perspektive“ – in Zusammenarbeit dem Frauenverband COURAGE.

Zum Beispiel Frau X: 26 Jahre, Ausländerin, Arbeiterin, durch Heirat seit September 1990 in Wilhelmshaven.
Frau X kommt aus einem Land, wo es wirtschaftlich wenige Existenzgrundlagen für die Bevölkerung gibt, v.a. für ein selbständiges Leben einer Frau. So beschloß sie nach einem dreimonatigen Besuch in Deutschland, wo sie ihren ersten Mann kennenlernte, durch Heirat nach Deutschland zu kommen. Sie war erstmal neun Monate Hausfrau, besuchte ab Januar 1991 einen Deutschkurs. Um der vollkommenen wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihrem Mann zu entkommen, nahm sie auf Vermittlung einer deutschen Freundin im Juni 1991 die Arbeit in der Fabrik an. Ihr Mann wollte keine selbständige Frau; er unterstützte sie weder bei der Erlernung der deutschen Sprache noch in der Berufstätigkeit. Von Januar bis März 1992 besuchte Frau X einen weiteren Sprachkurs, den sie selbst bezahlte. In dieser Zeit ging ihre Ehe in die Brüche. Das ganze Dilemma wurde deutlich: Eine ausländische Frau hat nur das Recht des Aufenthaltes in Deutschland als Anhängsel eines Mannes. Das ist die Grundlage, auf der der Mann über die Frau bestimmen kann. Zu allem Überdruß erteilte ihr der Mann auch noch Hausverbot und schwärzte sie bei der Ausländerbehörde an.
Aus Angst vor einer Ausweisung ging Frau X eine neue Partnerschaft ein. Im April 1992 bezog sie mit ihrem neuen Partner eine neue Wohnung. Schon im August des Jahres gab es massive Probleme und Frau X mußte für eine Woche ins Frauenhaus. Ihr Partner war ihr gegenüber unter Alkoholeinfluß gewalttätig geworden. Sie kehrte zu ihm zurück, da er beteuerte, daß so etwas nicht wieder vorkommen würde. Aber schon Anfang des Jahres 1993 wieder die gleiche Situation. Frau X trennte sich von ihrem Partner und bezog im Mai des Jahres ’93 ein eigenes Appartement, das sie mit Hilfe einer deutschen Bekannten fand. Bei der Einrichtung bekam sie große Unterstützung von Freunden, denn fast die gesamten Möbel sind bis heute im Besitz des Mannes. Für diese Möbel und Einrichtung der Wohnung wurde ein gemeinsamer Kredit aufgenommen, und obwohl Frau X von den Möbeln bis heute nichts sieht, bezahlt sie die Hälfte der Kreditraten, im Gegensatz zu ihrem ehemaligen Partner, der die Zahlung eingestellt hat und sie mit dem Kredit sitzen ließ. Der Fall wurde einem Rechtsanwalt übergeben. Zur Zeit lebt Frau X in einer neuen Partnerschaft, wir hoffen, daß es diesmal möglich ist, eine gleichberechtigte Partnerschaft zu führen.

Aus diesem Genannten und aus der Tatsache, daß es nicht nur Frau X so ergeht, ergeben sich die Forderungen:

  • Alle Frauen, ausländische und deutsche, brauchen eine eigene Existenzgrundlage, d.h. es müssen die noch vorhandenen Frauenarbeitsplätze erhalten und neue geschaffen werden.
  • Ausländische Frauen brauchen eine eigene Aufenthaltsgenehmigung und dürfen nicht nur als Anhängsel des Mannes behandelt werden, denen im Falle einer Scheidung die Ausweisung und Abschiebung droht.
  • Ausländische Frauen brauchen bei der Eingliederung in Deutschland besondere Unterstützung vom Staat, bei der Erlernung der deutschen Sprache, Kennenlernen der deutschen Kultur und bei der Beschaffung von Arbeit, Kindergartenplätzen usw.

Zum Glück hat es Frau X auf der Grundlage ihrer eigenen Berufstätigkeit und ihres Willens schnell geschafft, selbständig zu werden. Der Arbeitsplatz verlangt von ihr schwere körperliche Arbeit. Zudem ist er total unterbezahlt. Es werden oftmals Überstunden verlangt, auch an Samstagen und Sonntagen bis zu 10-Stundenschichten. Auf dieser Grundlage verdient Frau X nun im Monat zwischen 1.200 und 1.300 DM netto im Monat. Der Betrieb vergibt je nach Auftragslage Saisonarbeiten, die noch geringer entlohnt werden, ebenso wie bei Neueinstellungen.

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