Altlasten
Aug 011997
 

Keine Unterstützung

Hans-Otto Rasche sieht Wilhelmshavens Wasserversorgung bedroht – dafür bekommt er von allen Seiten Prügel

(hw/hk) Die Stadtwerke Wilhelmshaven ziehen gegen den Friedeburger Ratsherrn Hans-Otto Rasche (Grüne) zu Felde. Anstatt mit Argumenten zu kontern, versuchen sie, ihn finanziell in die Enge zu treiben und ihm über seinen Arbeitgeber einen Maulkorb umzuhängen. Doch die Rechnung geht nicht auf.

Wir erinnern uns: Im März dieses Jahres stellt H.-O. Rasche in einer Ratssitzung der Gemeinde Friedeburg ein Papier des Gesundheitsamtes Wittmund aus dem Jahre 1960 vor, in dem Auflagen für die gesundheitlich unbedenkliche Förderung von Trinkwasser aus dem Wasserwerk Kleinhorsten aufgestellt sind. Unter Mißachtung dieser Auflagen begannen die Stadtwerke trotzdem mit der Förderung von Trinkwasser für Wilhelmshaven. Im Wesentlichen handelt es sich um folgenden Satz in dem Papier des Gesundheitsamtes: „Die in der Schutzzone des Was- serwerkes Kleinhorsten liegende, unmittelbar an des Wasserwerk grenzende große mit Wasser gefüllte Grube muß vorsorglich auf versenkte Munition, Kanister usw. untersucht und entsprechend geräumt werden.“ (Wir berichteten darüber im Gegenwind Nr. 140)

Getretene Hunde bellen

Eine Reaktion der Stadtwerke ließ nicht lange auf sich warten. Mittels ihres Anwalts, Dr. Hans-Joachim Gottschalk, flatterte dem Friedeburger Ratsherrn Rasche eine Erklärung zur Vermeidung einer Klage ins Haus, in der er sich verpflichten sollte, seine Behauptung bezüglich der Auflagen und ihrer Nichterfüllung künftig zu unterlassen und den Stadtwerken die Kosten anwaltlicher In-anspruchnahme von 20.000 DM zu erstatten.
Ein bis dahin relativ normaler Vorgang, sieht man einmal von der Höhe der Anwaltskosten ab, die einem öffentlichen Angestellten schon den Angstschweiß auf die Stirn treiben können, was wohl auch beabsichtigt war.
Aber: Doppelt hält besser! Herr Dr. Gottschalk schickte am selben Tag auch noch ein anderes Papierchen auf die Reise, und das ging an Rasches Arbeitgeber! Überschrieben mit „Mitarbeiter Hans-Otto Rasche, Kampagne Wasserwerk Klein-Horsten“ geht es dann auch gleich zur Sache. Der „Sehr geehrte Herr Amtsvorsteher“ wird gebeten, in seiner Eigenschaft als Dienstvorgesetzter den Herrn Rasche auf das politische Mäßigungsgebot für öffentliche Bedienstete hinzuweisen. So heißt es: „Das Verhalten Ihres Mitarbeiters verläßt eindeutig die Grenzen natürlich auch öffentlichen Bediensteten zustehender Meinungsäußerungsfreiheit. Unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Bediensteten zusätzlich auferlegten Mäßigungsgebotes ist es schlechterdings unvertretbar.
Ich gehe demgemäß auch davon aus, daß Sie Ihren Mitarbeiter über seine Pflichten zur Zurückhaltung im politischen Meinungskampf belehren und dazu beitragen, daß künftig kein Anlaß mehr zur Beanstandung solchen Fehlverhaltens besteht.“

Rasches Äußerungen als gewählter Ratsherr der Gemeinde Friedeburg haben nun gar nichts mit seiner Tätigkeit als Vermessungsingenieur beim Katasteramt Wilhelmshaven zu tun. Eindeutig ist: Gottschalks Schreiben diente einzig und allein der Einschüchterung. Wäre Rasche in der Privatwirtschaft tätig, könnte ein derartiges Schreiben zu seinem und seiner Familie finanziellen Ruin führen. H.-O. Rasche ließ sich davon nicht einschüchtern und ging in die Offensive.

Die Stadtwerke verklagen Rasche

Zurück zu den Fakten: Das Gesundheitsamt Wittmund war 1960 nicht die Geneh- migungsbehörde, sondern zuständig war der Regierungspräsident Aurich bzw. dessen Nachfolgerin, die Bezirksregierung Weser-Ems. Beim Schreiben des Gesundheitsamtes handelte es sich um eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, die für die Genehmigung bei der Bezirksregierung vorgelegt werden mußte. Einzig und allein darauf stützt sich die Klage der Stadtwerke, die tatsächlich Anfang Juni beim Landgericht in Oldenburg eingereicht wurde. Bezeichnenderweise war es den Stadtwerken trotz intensiver Sichtung alter Aktenbestände nicht möglich, den entsprechenden Schriftverkehr mit der Bezirks- regierung zum Zwecke der Erlaubniserteilung für das damalige Wasserwerk aufzufin- den. Rasches Aussagen dagegen wurden vom Landkreis Wittmund bestätigt.
Ratsherr Rasche, bedroht von 20.000 DM Anwaltskosten, bekam Rückendeckung durch den Rat der Gemeinde Friedeburg. Obwohl der Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht in die Tagesordnung passte, stellten sich die Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU einmütig hinter ihn. Bürgermeister Reents, der einen Präzedenzfall verhindern wollte, bewirkte schließlich eine Rücknahme der Klage. In der örtlichen Presse war daraufhin zu lesen, die Stadtwerke hätten keinerlei Interesse an einer Auseinandersetzung mit dem Gemeinderat Friedeburg.

Eine schallende Ohrfeige vom Innenministerium

Die Klage wurde zurückgezogen. Es blieb die Attacke gegen Rasche über seinen Arbeitgeber. Das Niedersächsische Innenministerium antwortete auf eine Anfrage des Abgeordneten Michael Golibrzuch (Grüne) wie folgt: „Ratsmitglieder üben ihre Tätigkeit nach § 39 der Niedersächsischen Gemeindeordnung im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl geleiteten Überzeugung aus. Eine Belehrung oder ein Hinweis auf ein politisches Mäßigungsgebot seitens des Arbeitgebers kommt auch in diesem besonderen Fall nicht in Betracht“.
Also tatsächlich eine schallende Ohrfeige für die Stadtwerke Wilhelmshaven, wie M. Golibrzuch in einer Pressemitteilung vermeldet.

Da fehlt doch jemand?

Ja, tatsächlich, die Wilhelmshavener Grünen sind noch mit keinem Wort in Erscheinung getreten. Es gab keine Presse- mitteilung, keine Anfrage im Rat der Stadt oder beim Aufsichtsrat der Stadtwerke. Einfach nichts. Die Grünen in Wilhelmshaven hielten es noch nicht einmal für nötig, sich bei H.-O. Rasche zu informieren, kein persönliches Wort fiel; selbst Faxe des Friede- burger Ratsherrn blieben unbeantwortet.
Auf Nachfrage des GEGENWIND nahm der Wilhelmshavener Ratsherr Gerd Kläne Stellung: „Sicher war es eine Unterlassung, auf die Schweinereien gegen Rasche nicht öffentlich zu reagieren. Das hatte grün-interne Gründe am Ort, wir haben es dadurch unentschuldbar verschwitzt. Zur Altlastengefährdung Horsten haben wir schon Stel- lung bezogen. Das letzte Mal, als ein grüner Mitarbeiter des Umweltministeriums hier war und uns darauf verwies, wir möchten das Erscheinen einer Studie (Gefährdungsabschätzung durch Rüstungsaltlasten in Nie- dersachsen) abwarten. Am 13.8.96 habe ich von Reiche (Stadtwerke Wilhelmshaven) die Auskunft erhalten, daß ein in Auftrag gegebenes Gutachten noch nicht erschienen sei. Es ist natürlich von großem Nachteil, daß wir keinen Sitz im Aufsichtsrat der Stadtwerke haben. Am 15.5.97 soll über dieses Gut- achten im Aufsichtsrat informiert worden sein, in der Richtung, daß eine Gefährdung unseres Trinkwassers nicht gegeben sei. Im übrigen weiß ich, daß im Aufsichtsrat der Stadtwerke das Vorgehen gegen Rasche nicht bei allen Zustimmung fand.“
Ein von Rasche an Kläne gesandtes Fax, in dem Rasche die Wilhelmshavener Grünen zur Aktivität aufforderte, beantwortete Kläne nicht. Kläne zum GEGENWIND: „Die Art und Weise, wie sich Rasche mir gegenüber in einem Fax äußerte, lehne ich ab.“ Wahrscheinlich forderte Rasche die Wilhelmshavener Grünen mit eindeutigen Wor- ten auf, doch endlich in dieser Sache den Hintern hochzukriegen.
Rasche selbst sowie sein Kreisverband Wittmund sind verständlicherweise nicht nur enttäuscht, sondern empört über die Wilhelmshavener Grünen.

Das Letzte

Der Betriebsratsvorsitzende der Stadtwerke, Hans-Peter Klaus, meldet sich in der örtlichen Presse mit einem „Bravo und Hochachtung der Geschäftsführung“ für die Klage gegen Rasche zu Wort, daß es einen schaudert. Da wird die versuchte Einschüchterung eines Ratsherren durch Anschwärzung bei seinem Arbeitgeber als „eher gutgemeintes Schreiben“ bezeichnet. Betriebsrat Klaus wei-ter in seinem Leserbrief: „Verschiedene unab- hängige Institute haben keinerlei Beeinträchtigung festgestellt. (…) Für die Bevölkerung besteht also absolut keine Gefahr.“ Betriebsrat Klaus beweist mit seinem in der WZ erschienenen Leserbrief, daß er noch keine Veröffentlichung des Ratsherren Rasche und wahrscheinlich auch nicht den GEGENWIND, dem er seinen Leserbrief ebenfalls zusandte, mit dem nötigen Fachwissen gelesen hat. Dazu, Herr Klaus, auszugsweise einige Messergebnisse der Vormessstellen, die ca. 120m von den Entnahmebrunnen für Trinkwasser entfernt liegen (laut Protokoll des Gesundheitsamtes vom 4. Februar 1997):

Probe November 1996
Brunnen 143/2 : 8,11 mg/l Hexogen

Probe 29. Januar 1997
Brunnen 144: 5,3 mg/l Hexogen
Brunnen 143/2: 12,0 mg/l Hexogen

Probe 19.Februar 1997
Brunnen 143/2: 10,9 mg/l Hexogen

Zum Vergleich: Der Vorsorgerichtwert für diesen Stoff liegt bei 0,1 mg/l

Aber, wie schreibt gleich der Betriebsratsvorsitzende in seinem Leserbrief: „Sollte bereits hier etwas gefunden werden, wird sofort die Wasserentnahme gestoppt, noch bevor irgendwelche Schadstoffe den Brunnen erreicht haben.“

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