Die Arbeitsloseninitiative ist in Gefahr
Die Finanzierung der Arbeitsloseninitiative hängt am seidenen Faden
(ef/noa) Ali, das ist weder der Sohn Mohammeds noch eine Figur aus „1001 Nacht“, sondern die zeittypische Abkürzung für Arbeitsloseninitiative. Die Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven/Friesland wurde 1993 gegründet.
Vorausgegangen waren verschiedene Versuche des DGB und einzelner DGB-Gewerkschaften, die aber immer wieder feststellen mussten, dass Menschen, die nicht mehr in eine feste Struktur eingebunden sind, äußerst schwer zu organisieren sind.
Dass es diesmal klappte, lag wohl an der Brisanz der Situation im Jahr 1993. Als die Anschlussarbeitslosenhilfe (Gemeint ist die Arbeitslosenhilfe nach Arbeitslosengeld, das bekanntlich zeitlich begrenzt ist.) auf zwei Jahre begrenzt werden sollte, waren viele Erwerbslose alarmiert. Es entstand spontan eine Telefonkette. Man traf sich (zunächst im „Seglerheim“ im Nassauhafen, später, als es immer mehr Leute wurden, im DGB-Haus), um zu beratschlagen, was man gegen die geplanten einschneidenden Änderungen tun könnte. Es gab Kontakt mit schon bestehenden Arbeitsloseninitiativen in anderen Städten, u.a. mit der ALSO (Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg). Ein erster Höhepunkt, der den Zusammenhalt der beginnenden Organisation in Wilhelmshaven festigte, war die große Demonstration in Bonn gegen das Sparpaket.
Es kamen immer mehr rechtliche Fragen auf, die die ersten Initiatoren, die ja mit einem politischen Ziel angetreten waren, nicht klären konnten.
Die Gründung des „Vereins der Arbeitslosen in Wilhelmshaven/Friesland e.V.“ am 5.7.1994 war die Folge. Dabei ging es nicht um Vereinsmeierei, sondern um eine formale Struktur, um z.B. an öffentliche Mittel zu kommen.
Schon zum 1. Oktober 1994 gelang es dem jungen Verein, eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für eine Sozialberatung bewilligt zu bekommen, und Werner Ahrens, im Sozial- und Arbeitsrecht durch jahrelange Betriebsratsarbeit erfahren, fand so wieder einen bezahlten Arbeitsplatz.
Diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) war auf zwei Jahre befristet. Länger als zwei Jahre darf einE ArbeitnehmerIn eine AB-Stelle nicht innehaben. Ein drittes AB-Jahr wird nur unter engen Voraussetzungen bewilligt, dann nämlich, wenn danach ein Dauerarbeitsplatz ohne finanzielle Hilfe aus der Arbeitslosenkasse eingerichtet werden kann.
Ohne Zuschüsse, nur aus den kleinen Mitgliedsbeiträgen und Spenden, konnte die Arbeitsloseninitiative natürlich nicht gewährleisten, dass sie einen vollen Arbeitsplatz würde finanzieren können. Das „Förderprogramm für Arbeitslosen- und Sozialhilfeinitiativen“ (FAS) des Landes begrenzt seine Zuwendungen auf 50 % der Lohnkosten, maximal 38000 DM. Es kann also nur in Anspruch genommen werden, wenn Zuschüsse von anderen Stellen gesichert sind.
So lud die ALI Vertreter der Stadt Wilhelmshaven und der Gemeinden des Landkreises Friesland zu einem Roundtable-Gespräch ein. Die Stadt Wilhelmshaven nahm an diesem Gespräch nicht teil, doch mit den Zusagen der friesischen Gemeinden, die gekommen waren, wandte sich die ALI an- schließend an die Stadt und bekam auch hier die Zusage.
Mit dieser Aussicht auf Finanzierung über ein drittes Jahr hinaus konnte die ALI das 3. AB-Jahr beantragen.
Bis Ende September 1997 wurde Werner Ahrens’ Stelle also weiter zu 80 % vom Arbeitsamt finanziert. Die zugesagte Anschlussfinanzierung blieb jedoch größtenteils aus. Im Februar 1998 (nach über vier Monaten!) erreichte die ALI ein Brief der Stadt Wilhelmshaven, des Inhalts, dass sie bedauere – sie werde nicht zahlen, da der Landkreis Friesland auch nicht zahle. Höchst alarmiert hakte die ALI nach, um zu erfahren, dass tatsächlich sowohl der Landkreis Friesland als auch die meisten der friesischen Gemeinden die versprochenen Zuschüsse nicht bzw. stark gekürzt zahlen wollen.
Bislang waren nur Zuschüsse zu Sachkosten erforderlich gewesen, und nun waren es erstmalig Personalkosten, deren Bezuschussung notwendig wurde. Als ob es das Roundtable-Gespräch 1996 nie gegeben hätte, erklären sich die öffentlichen Hände nun lediglich zu finanziellen Beiträgen für Sachkosten bereit. Nur die Gemeinde Sande hat anstandslos den zugesagten Betrag von 1.000 DM überwiesen.
Inzwischen war zum 1.5.1996 eine zweite Stelle (auch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) eingerichtet worden, die Ernst Taux besetzte. Die Anschlussfinanzierung dieser Stelle ist nun ebenso gefährdet, und seit dem 1. Mai 1998 ist auch Ernst Taux wieder arbeitslos.
Ehrenamtlich ist die Arbeit der ALI mittlerweile längst nicht mehr zu schaffen. Zu jedem Beratungstermin (siehe Kasten) kommen 15 bis 20 Menschen, die Hilfe in Fragen des doch recht komplizierten Sozialrechts brauchen.
Eine Gemeinde mit hoher Arbeitslosenzahl hat finanzielle Probleme, und wir erinnern uns, dass die Stadt Wilhelmshaven nach zwei haushaltslosen Jahren für dieses Jahr nur mit äußerster Mühe einen genehmigungsfähigen Haushalt zustandebrachte. Aber andererseits kann eine Gemeinde mit so vielen Arbeitslosen es sich erst recht nicht leisten, der Arbeitslosenberatung einen geringen Stellenwert beizumessen. Sie ist im Gegenteil verpflichtet, den Erwerbslosen Hilfe angedeihen zu lassen. § 17 des Bundessozialhilfegesetzes bestimmt, dass Kommunen die Beratung und Unterstützung zur „Vermeidung und Überwindung von Lebenslagen, in denen Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erforderlich oder zu erwarten sind“, leisten müssen. Und: „Zur persönlichen Hilfe gehört außer der Beratung in Fragen der Sozialhilfe auch die Beratung in sonstigen sozialen Angelegenheiten,…“ (§ 8 (2) BSHG)
Es ist nicht zu erwarten, dass das Wilhelmshavener Sozialamt, dessen Beschäftigte bekanntlich auch so schon hoffnungslos überlastet sind, oder die Sozialämter der friesischen Gemeinden diese gesetzliche Verpflichtung angemessen erfüllen können. Mit relativ geringen Zuschüssen (es handelt sich um Summen in der Größenordnung von je nach Gemeinde 1.000 bis 20.000 DM) könnten die Kommunen diese Aufgabe weiterhin durch eine inzwischen erfahrene und kompetente Stelle wahrnehmen lassen.
Andere Kreise haben die Bedeutung der Arbeitslosenarbeit erkannt. Die „Aktion Arbeitslosenabgabe“, ein Verein Oldenburger Pastoren, hat zugesagt, 10.000 DM zur Verfügung zu stellen, für den Fall, dass der Landkreis Friesland für 1998 und die folgenden Jahre eine dauerhafte Lösung schafft. Die 20.000 DM, die die ALI bei der Stadt Wilhelmshaven beantragt hat, sind im Haushalt nicht vorgesehen. Eine Zuwendung in dieser Höhe aus unbekannter Quelle ist der ALI jedoch in Aussicht gestellt worden und wird heiß erwartet.
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