Advance-Bank
Sep 051998
 

Ungleiche Partner

Der Versuch des Landes Niedersachsen und der Stadt Wilhelmshaven, die Advance Bank am Südstrand anzusiedeln, ist eine Geschichte über die Ohnmacht der Politik.

(Samuel Klar) Es ist eine Geschichte über den verzweifelten Versuch, hier Arbeitsplätze zu schaffen. Und letztlich ist es eine Geschichte über den Ausverkauf der Stadt. Dabei trifft die Stadt nur bedingt Schuld: „Was hätten wir machen sollen?“ fragt ein Ratsmitglied resigniert. „Wenn wir nicht zugestimmt hätten, wäre alles den Bach runter gegangen.“

Das überschuldete Wilhelmshaven mit seinen 7.000 Arbeitslosen und ebenso vielen Sozialhilfeemfängern und die mächtige Vereinsbank waren zu ungleiche Verhandlungspartner. So ist es kein Wunder, dass Wilhelmshaven nach und nach seine Verhandlungsziele aufgeben musste und kapitulierte. Ärgerlich nur, dass Oberbürgermeister und Oberstadtdirektor dies den Bürgern als „tolle Leistung“ verkaufen.

Beginnen wir von Anfang an…
Am 30. April 1997 schlossen die Stadt Wilhelmshaven und die Advance Bank, damals eine 100%ige Tochter der Bayerischen Vereinsbank, einen Ansiedlungsvertrag. Dann verkaufte diese die Advance Bank an die Dresdner Bank. Die neue Eignerin wollte allerdings nichts von dem Ansiedlungsvertrag mit der Stadt wissen – so blieben die Verpflichtungen aus dem Vertrag bei der Bayerischen Vereinsbank (der ehemaligen Mutter der Advance Bank) hängen. Deshalb unterzeichneten die Stadt Wilhelmshaven, die Bayerische Vereinsbank und die Advance Bank am 17. Juli dieses Jahres einen neuen Ansiedlungsvertrag. Demnach wird die aus der Fusion zwischen Bayerischer Vereinsbank und Hypo-Bank hervorgehende Hypo-Vereinsbank ab dem 1. September d.J. die Räumlichkeiten des westlichen Teils des ATW-Gebäudes mieten und teilweise an die Advance Bank untervermieten. In dem Vertrag, der dem Verfasser vorliegt, verpflichtet sich die Vereinsbank, innerhalb von drei Jahren 130 Arbeitsplätze zu schaffen. Dabei soll es sich vorwiegend um qualifizierte und sozialversicherungspflichtige Vollarbeitsplätze handeln. Nicht mehr als 7% des Personals dürfe in geringfügigen Arbeitsverhältnissen beschäftigt sein.

Advance Bank 27.8.98

Foto:tunnat

Die Wilhelmshavener Zeitung titelte am Tag nach der Vertragsunterzeichnung: „Vereinsbank: Schaffen moderne Arbeitsplätze“. Bislang allerdings ist kein einziger neuer Arbeitsplatz entstanden, obwohl Oberbürgermeister Eberhard Menzel und Oberstadtdirektor Arno Schreiber 130 neue Arbeitsplätze versprochen hatten. Zunächst werden die 80 Mitarbeiter, die bei der Advance Bank in Roffhausen arbeiten, an den Südstrand umziehen. Dabei werden die in Roffhausen geschaffenen Arbeitsplätze – laut neuem Vertrag – auf die 130 versprochenen angerechnet. Im alten Ansiedlungsvertrag war davon nie die Rede.

Bekanntlich genießt die Schaffung von Arbeitsplätzen bei Oberbürgermeister Menzel höchste Priorität. Sicherlich kommt es ihm auf jeden einzelnen Arbeitsplatz an. Doch während das Niedersächsische Wirtschaftsministerium von 80 Mitarbeitern die an den Südstrand umziehen, spricht, hieß es in der Pressemitteilung der Stadt, dass „zunächst rund 90 Mitarbeiter“ die schöne Aussicht auf den Jadebusen genießen können. Glaubt man wiederum Menzel, werden es gar 100 sein. Auf diese wundersame Vermehrung angesprochen, reagiert das Stadtoberhaupt gereizt: “ Sie können ja kommen und nachzählen.“ Entscheidend sei doch, dass die Advance Bank hier angesiedelt werden konnte.

Doch zu welchem Preis?!
Die Stadt hat die Ansiedlung der Großbank und ihre Zusage, Arbeitsplätze zu schaffen, teuer erkauft, sehr, sehr teuer. Denn im Gegenzug darf die Vereinsbank laut Vertrag den westlichen Teil des Gebäudes im Jahr 2003 zum lächerlichen Preis von 4,5 Millionen Mark kaufen.
Das Gebäude wurde für 18 Millionen Mark von Grund auf saniert – aus Steuergeldern! Die Sanierungskosten wurden je zur Hälfte vom Land Niedersachsen und der Stadt Wilhelmshaven getragen. Zur Finanzierung des Baus hat die Stadt bei der Vereinsbank einen Kredit in Höhe von 4,5 Millionen Mark aufgenommen. Auch die restlichen 4,5 Millionen Mark finanziert die Stadt über Kredite.

Wenn die Vereinsbank das ATW-Gebäude kaufen will, wird der 4,5-Millionen-Kredit in den Kaufpreis umgewandelt: die Stadt braucht den Kredit schlicht nicht zurückzuzahlen.
Oberbürgermeister Menzel kann die Aufregung um die Kaufoption („Sie kann, sie muss ja nicht wahrgenommen werden“) nicht begreifen. Er hält sie für „ganz normal“.

Es gibt Verantwortliche in der Stadt, die über den „Optionsvertrag Südstrand 110“ differenzierter urteilen. „Als Immobiliengeschäft war das ein schlechtes Geschäft“, sagt ein Insider aus der Verwaltungsspitze, der seinen Namen an dieser Stelle lieber nicht lesen möchte, „es war ein Geschäft der Wirtschaftsförderung. 130 Arbeitsplätze sind für uns ganz wichtig.“

Ein einflussreicher SPD-Ratsherr weiß, dass „es eine große Herumeierei ist.“ Alle hätten bei der Abstimmung Bauchschmerzen gehabt. Er gehe jedoch davon aus, dass es nicht zu einem Verkauf kommen werde, weil man bis dahin die Advance Bank an Wilhelmshaven gebunden habe. Natürlich könne man sagen, dass dies blauäugig sei, so der Ratsherr weiter, aber er sei froh, dass die Advance Bank überhaupt erst einmal da sei, wenn auch mit weniger Arbeitsplätzen als ursprünglich vereinbart.
„Verträge dieser Art werden eben immer auf der Basis Hoffnung gemacht“, sagt der bereits oben zitierte Insider aus der Verwaltungsspitze. Man könne vorher nie wissen, ob es Geschäfte werden. Man könne nur darauf bauen, dass man einen starken Partner habe. Und diesen, davon sei man fest überzeugt, habe man in der Vereinsbank gefunden.

Die Vereinsbank ist so stark, dass es für sie ein Leichtes wäre, Städte und Kommunen gegeneinander auszuspielen, sie auch zu erpressen. Damit die Bank auch wirklich und ganz sicher nach Wilhelmshaven kommt und es sich nicht noch in letzter Minute anders überlegt, machte die Stadt der Bank noch ein zusätzliches Geschenk: Die Bank braucht für die gesamte angemietete Fläche – eine Etage ist 6.300 qm groß – keinen Pfennig Miete zu bezahlen. Statt dessen übernimmt sie die Zinszahlungen für das 4,5-Millionen-Darlehen.
Mit anderen Worten: Die Bank verzichtet auf Zinsen für ein Darlehen, das sie selbst der Stadt gewährt. Dafür kann sie zum Nulltarif die Räumlichkeiten eines Gebäudes in bester Lage nutzen, das aus Steuermitteln saniert wurde.
Selbst für den Fall, dass die Vereinsbank weniger als die versprochenen 130 Arbeitsplätze schafft, hält der neue Vertrag ein Hintertürchen auf: Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bank das Gebäude kaufen will, zahlt sie für jeden nicht geschaffenen Arbeitsplatz 25.000 Mark. Wie ernst kann man das Arbeitsplatzversprechen nehmen, wenn die Nichteinhaltung mit einem Trinkgeld ausgelöst werden kann?

Fazit: Die Bank bekam alles, Wilhelmshaven nichts. Wirklich eine tolle Leistung.

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