Harte Zeiten
Der Möbeldienst Schortens fällt den Einsparungen der Bundesanstalt für Arbeit zum Opfer
(noa) „Arbeitslose sollen auch die Straße fegen“ (WZ, 02.04.03) – „Harte Sanktionen gegen Arbeitsunwillige“ (WZ, 18.03.03) – solche Schlagzeilen und Abend für Abend Vergleichbares in den Fernsehnachrichten weisen die Richtung, die der „Sozialstaat“ eingeschlagen hat und weiter verfolgen wird. Die Bundesanstalt für Arbeit soll Hunderte von Millionen Euro sparen und schränkt ihre Leistungen an allen möglichen Stellen massiv ein.
In diesem Artikel soll die Rede sein von einer relativ geringen Einsparung der Bundesanstalt für Arbeit, die große Folgekosten für andere Behörden und vor allem für viele Menschen hat.
Wie in Wilhelmshaven, so unterhält das Diakonische Werk auch im benachbarten Landkreis Friesland ein Möbellager mit je einem Standort in Varel und in Schortens. Das Möbellager in Schortens wird im September geschlossen. Die fest angestellten Mitarbeiter werden entlassen.
Der Hintergrund sind die Einsparungen der BfA im Bereich Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Der Möbeldienst arbeitet zum großen Teil mit ABM-Kräften. Das Möbellager Schortens kann die Auflagen, die das Arbeitsamt ihm für die Bewilligung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen macht (Ausbildungskurse für die ABM-Kräfte, Zusage der festen Übernahme) nicht leisten. Also wird dieser soziale Betrieb geschlossen. Die Mehrkosten, die das Arbeitsamt sich selber dadurch an anderer Stelle macht, sind ziemlich gering: Es handelt sich nur um wenige Leute, die dadurch arbeitslos werden und Arbeitslosengeld beziehen. Und sie werden es ja nicht lange beziehen, nachdem die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes verkürzt wurde. Danach gibt es, wenn die betreffenden Kollegen keine anderen Jobs finden, keine Arbeitslosenhilfe mehr, sondern „Arbeitslosengeld 2“, eine Leistung auf Sozialhilfeniveau.
Auf der anderen Seite entstehen Mehrkosten an vielen Stellen. Möbellager, wie sie in Friesland und Wilhelmshaven von der Diakonie, andernorts auch von anderen Wohlfahrtsorganisationen betrieben werden, nehmen Möbel an, die Menschen loswerden wollen, weil sie sich neu einrichten. Das Wilhelmshavener Möbellager verzeichnet durchschnittlich 1500 solcher Abholungen pro Jahr; es handelt sich z.T. um einzelne Möbelstücke, aber oft auch um ganze Wohnungseinrichtungen. Diese Möbel würden andernfalls „entsorgt“, wie man das Lagern auf Müllhalden verschleiernd nennt. Auch wenn es dem einzelnen Mitbürger, der seinen alten Fernsehsessel zur Mülldeponie bringt, nicht bewusst ist: Außer den paar Euro, die er einmalig dafür entrichtet, kostet die Deponierung von Müll viel Geld.
Und wenn der alte Fernsehsessel eigentlich noch benutzbar ist, nur eben zu den neuen Tapeten nicht mehr so gut passt, dann könnte sich ein anderer Mensch sehr darüber freuen, ihn zu bekommen. Sozialhilfeberechtigte erhalten, wenn sie den Bedarf nachweisen, vom Sozialamt einen Berechtigungsschein, der es ihnen erlaubt, sich beim Möbellager die Stücke, die sie brauchen, auszusuchen. Das Möbellager liefert ihnen dann auf Kosten des Sozialamtes die Teile und stellt sie ihnen in der Wohnung auf. Gibt es kein Möbellager in einer Kommune, dann wird die Einrichtung der Wohnungen von Bedürftigen für das Sozialamt sehr viel teurer. Dann kommen eigentlich nur noch neue Möbel in Betracht. (Natürlich könnten die diesbezüglichen Gesetze und Bestimmungen auch noch geändert werden; man könnte den Menschen, die kein Geld haben, um sich Möbel zu kaufen, das Recht auf eine menschenwürdige Wohnung absprechen, aber soweit sind wir zum Glück im Moment noch nicht.)
Ein weiterer Ausgabeposten, den die Möbellager verringern, sind Umzüge. Personen, die auf die eine oder andere Art vom Diakonischen Werk betreut werden, können den Möbeldienst auch in Anspruch nehmen, um ihre Einrichtung in der alten Wohnung abgebaut, in die neue Wohnung transportiert und dort wieder aufgebaut zu bekommen – meist nicht umsonst, aber doch erheblich billiger als bei einem Umzugsunternehmen.
Das Möbellager in Wilhelmshaven ist gegenwärtig nicht in Gefahr, geschlossen zu werden. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die dort genutzt werden, laufen noch bis zum Herbst; in diesem Frühjahr wurden keine ABM beantragt. Man kann nur hoffen, dass es hier nicht so kommen wird wie in Schortens.
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