Arbeitskampf Torde
Feb 012005
 

Gegenwind-Gespräch: Ahmet Altuntas

Wenig Hoffnung für den Erhalt von Torde-Möbel

(hk) Seit Robert Vietor im Oktober 2004 die Schließung des Wilhelmshavener Werkes der „Neue Torde Möbel“ ankündigte, verhandeln der Betriebsrat und die IG Metall mit dem Gesellschafter Robert Vietor und der Geschäftsleitung über die Möglichkeiten der Weiterführung des Betriebes auf dem ehemaligen KSW-Gelände an der Henschelstraße. Man glaubte sich auch schon näher gekommen zu sein. Bis zum 16. Dezember.

In einer Pressemitteilung der IG Metall heißt es an diesem Tag:

Eine Lösung über die beabsichtigte Schließung des Möbelwerks Neue Torde in Wilhelmshaven mit ca. 120 Beschäftigten scheint in weite Ferne gerückt. Nach mehreren Gesprächen mit dem Gesellschafter Robert Vietor, Geschäftsleitung sowie IG Metall und Betriebsrat über Lösungsmöglichkeiten um den Fortbestand des Werkes wurden nun die Gespräche abrupt durch die unverschämte und skandalöse Haltung von Robert Vietor beendet. Nach Meinung der Geschäftsführung brauchen die Beschäftigten nicht mehr Anfang des Jahres weiterzuarbeiten und auch nicht wiederzukommen. Auch ausreichende Interessenausgleichs- und Sozialpläne bzw. eine mögliche Auffanggesellschaft soll es nicht mehr geben. Daher steuert alles auf eine Einigungsstelle zu. Die Geschäftsleitung und Robert Vietor zeigen keine Verantwortung mehr für die Belegschaft und ihren Familien. Damit scheint „das Tischtuch zerschnitten“.

TordeSeitdem ist die Belegschaft alarmiert. Mahnwachen, Demonstrationen, Aktionen bestimmen seitdem das Leben der knapp 120 Torde-MitarbeiterInnen.
Nachdem Robert Vietor auch noch den vereinbarten Einigungsstellentermin ohne Angabe von Gründen absagte, stehen die Zeichen vollends auf Sturm.
Viele der Mitarbeiter bei Torde haben das alles schon mehrmals erleben müssen – erst bei KSW, dann 1995 bei Torde und jetzt bei Neue Torde.

Wir sprachen mit Ahmet Altuntas über seine Erfahrungen im deutschen Arbeitsalltag.

Gegenwind: Wann bist du nach Deutschland gekommen?
Altuntas AhmetAhmet Altuntas: Ich bin im Mai 1969 nach Deutschland gekommen – da war ich 16 Jahre alt. Dann habe ich eine Lehre als Automechaniker bei Ford Hillmann angefangen – ich habe damals 60 Mark im Monat verdient. Nach 2 Jahren musste ich die Lehre aufgeben, um Geld zum Leben zu verdienen. Dann habe ich bei Kammgarnspinnerei KSW angefangen.

Was hast du da gemacht?
Ich habe alle möglichen Arbeiten gemacht – war in vielen Abteilungen. Zuerst habe ich in der Tuffy-Abteilung (Badezimmergarnituren) gearbeitet – als Tuffy nach Jever ging, kam ich in eine andere Abteilung. Dann hat die KSW den Neubau errichtet, da wo jetzt Torde ist, dann habe ich dort gearbeitet. Als der damalige KSW-Direktor, Herr Inderhuels, starb – von da an ging es bergab. Da waren wir noch 1.200 Leute, die wurden nach und nach reduziert.
Eines Morgens kamen wir zur Arbeit und 250 Leute bekamen ihre Kündigung ausgehändigt – kein Wort dazu, keine Diskussion – einfach tschüs! Die wurden richtig kalt erwischt. Von der Gewerkschaft Textil und Bekleidung haben wir zu der Zeit nicht viel Unterstützung erhalten – die fühlte sich mehr den Angestellten verbunden. Die haben uns wirklich nicht geholfen.

Und dann kam gleich Torde?
Ich bin direkt von der KSW zu Torde gegangen und habe dort in der Schneiderei als Vorarbeiter gearbeitet. 8 Jahre war ich im Betriebsrat und bin jetzt noch Ersatzmitglied.

Torde war doch schon mal pleite.
Torde hat 1995 schon einmal Konkurs gemacht – dann wurde die Neue Torde gegründet, und nach einiger Zeit lief alles wieder normal. Bis Oktober letzten Jahres – da hat Herr Vietor hier eine Versammlung gemacht und gesagt: Ende des Jahres mache ich hier dicht – ohne Begründung. Wir waren alle geschockt – Bis dahin haben wir Überstunden gemacht, freitags länger gearbeitet und auch samstags gearbeitet – Einige haben bis zu 100 Überstunden und auch noch den Urlaub vom letzten Jahr. Die hatten gar keine Möglichkeit gehabt, diesen Urlaub zu nehmen – der wurde abgelehnt!
Wir versuchen mit dem Betriebsrat und der IG Metall alles zu regeln. Doch der Herr Vietor hat kein Interesse daran, über irgendetwas zu sprechen – der will nur den Laden hier dicht machen.

Gab es auch Unterstützung von der Stadt?
Oberbürgermeister Menzel hat sich eingeschaltet und Herr Frank von der Wirtschaftsförderung – von denen wurde Herrn Vietor Unterstützung angeboten – sei es die Mietfrage oder andere finanzielle Fragen – aber er wollte nicht – der wollte nur dicht machen.

Was war das mit der Miete? Torde hat ja die hohe Miete mit als Grund angegeben, Wilhelmshaven zu verlassen.
Darüber wurde ja verhandelt – aber er wollte nicht. Oberbürgermeister Menzel hat meines Wissens vieles angeboten – und der war richtig sauer, als von Vietor keine Reaktion kam.

Wie begründet Vietor die Schließung?
Er sagte, dass er die Forderungen von Quelle, Neckermann und Otto-Versand hier nicht realisieren kann. Hier ist die Produktion zu teuer. Wir haben ja in der letzten Zeit schon die ganzen Überstunden gemacht, ohne diese abzufeiern. Das sollte dann geschehen, wenn nicht so viel zu tun ist. Doch in dem Werk in Polen arbeiten die Leute für 2,50 Euro in der Stunde und hier muss er das Fünf- bis Sechsfache bezahlen.

Wie viele Leute arbeiten in dem Werk in Polen?
Das sind jetzt knapp 250 Leute, ich glaube, die arbeiten sogar in drei Schichten. Und das Werk soll noch erweitert werden – und dann wird das Werk in Hude, wo jetzt ja auch schon Kurzarbeit ist, auch nicht verschont werden.

Wie geht es jetzt weiter?
Jetzt arbeitet knapp die Hälfte der Belegschaft das ab, was noch da ist. Jetzt arbeiten wir für uns – das heißt fürs Insolvenzkonto.

Wie lange soll das so weitergehen?
Das geht jetzt bis Ende Februar. Am 1. März soll die Insolvenz eröffnet werden – bis dahin bekommen wir das Geld von Torde, dann gibt es das Insolvenzgeld und dann ist Schluss. Vietor hat den Mietvertrag schon gekündigt.

Was machst du jetzt?
Im März werde ich 52. Ich habe, seit ich hier in Deutschland bin, also seit 35 Jahren, immer gearbeitet, ich war noch nie arbeitslos. Ich habe mir jetzt ein Haus gekauft. Ich werde und muss alles versuchen, wieder Arbeit zu finden. Ich will ja arbeiten – ich mache jede Arbeit – ich bin gesund, aber wo findet man als über Fünfzigjähriger in Wilhelmshaven Arbeit?

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für dich und die Leute von Torde.

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