Gegenwind-Gespräch: Jörn Felbier
Apr 292005
 

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Ein Kapitänleutnant bringt die Wilhelmshavener CDU auf Vordermann

(ef/noa) Medienscheu kann man ihn bestimmt nicht nennen, den neuen Kreisverbandsvorsitzenden der CDU, Jörn Felbier. Gut gelaunt und selbstbewusst strahlt er in die Kameras von Pressefotografen und hat in kurzer Zeit schon einiges geschafft: Sein Parteifreund Lahl aus Schortens fühlt sich kräftig auf den Fuß getreten, SPD-Neumann hält ihn für „verbrannt“, und einen ersten WZ-Leserbrief wegen eines „rhetorischen Fehlgriffs“ gab es seinetwegen auch schon. Auch mit uns mochte er gerne sprechen.

Jörn FelbierKapitänleutnant Jörn Felbier ist 33, in Wilhelmshaven geboren, hat an der Cäcilienschule Abitur und unmittelbar anschließend in Flensburg die Offiziersausbildung gemacht. Er hat gut drei Jahre in Hamburg Politik studiert, jedoch nicht graduiert, sondern ist zurück zur fahrenden Flotte gegangen. Seit Oktober 2003 ist er in Bremerhaven stationiert und unterrichtet an der Marineoperationsschule taktischen Datenfunk. Er pendelt täglich und bleibt manchmal länger, weil er andererseits für Ratssitzungen auch mal früher wegmuss. Nachwuchs ist noch keiner da, weil seine Frau gerade im Examen ist und die Felbiers beschlossen haben, dass sie erst mal ihre Ausbildung abgeschlossen haben soll, bevor Kinder kommen.
Felbier ist seit der letzten Kommunalwahl im Rat der Stadt Wilhelmshaven, ist Vorsitzender des Personalausschusses, Mitglied des Jugendhilfeausschusses, stellvertretendes Mitglied im Finanzausschuss und sitzt in der Wirtschaftsförderungsgesellschaft.
Die Gefahr, dass er während seiner Amtszeit als CDU-Kreisvorsitzender oder als Ratsherr wegversetzt wird, besteht eher nicht, weil er bis 2006 auf seinem Dienstposten geplant ist und eine Verlängerung dieser Verwendung sehr wahrscheinlich ist.

Gegenwind: Herr Felbier, wie fühlen Sie sich im Rat zwischen den ganzen Zivilisten?
Jörn Felbier: Gut. Da sind ja vier Ex-Offiziere. Es gibt überhaupt kein Problem mit meinem Beruf. Klar gibt es mal unterschiedliche Meinungen. In der Sache können wir uns schon streiten, aber nicht wegen des Berufes.

Das gibt uns das Stichwort: Bisher haben wir über die CDU immer nur von Streit und Gräben zwischen zwei Lagern berichten können. Udo Grubert (Udo Grubert saß für die CDU von 1996 bis 2001 im Rat der Stadt Wilhelmshaven. Wir veröffentlichten im März 2000 in der Ausgabe 157 unter der Überschrift „Nicht maaßlos verbiestert“ ein Gespräch mit ihm) hat im Jahr 2000 in einem Kommentar davon gesprochen, dass ein Neuanfang nötig sei, damit die Partei endlich inhaltlich arbeiten kann, aber seither sah es nicht nach Frieden aus.
Jetzt ist Ruhe.

Wo ist der Graben zwischen den zwei Lagern geblieben?
Offenbar zugeschüttet. Es gibt verschiedene Meinungen, und das ist gut so, aber einen Graben spüre ich nicht. Dieter Wohler hat sehr gut gearbeitet und Ruhe reingebracht. Wir haben die Geschäftsstelle in der Grenzstraße, die wunderbar funktioniert. Da gibt es einen Konferenzraum, in dem wir uns immer treffen, einen Raum für den Publikumsverkehr und ein Arbeitsbüro für den Geschäftsführer. Die Geschäftsstelle ist ganz offen – kommen Sie jederzeit vorbei!

Zu Maaß’ Zeiten gab es dort die Mitgliederkartei, die streng unter Verschluss gehalten wurde. Haben Sie als Ortsverbandsvorsitzender eine Liste der Mitglieder Ihres Ortsverbandes bekommen?
Nein. Und ich brauche sie auch nicht. Ich kann jederzeit dort nachfragen: Ist der oder der Mitglied? Und die Mitgliederzahl bekomme ich auch ziemlich exakt. Ich gebe meine Post in der Geschäftsstelle ab, und sie wird von dort aus verschickt, da brauche ich keine Mitgliederliste meines Ortsverbandes. Aus Datenschutzgründen kann nicht jeder kommen und eine Mitgliederliste verlangen. Und als Kreisvorsitzender bekomme ich ja mit, wer eintritt. Man macht sich als Ortsverbandsvorsitzender seine eigene Liste. Da sehe ich überhaupt kein Problem.

Ist der Mitgliederstand einigermaßen konstant?
Nach einer Karteibereinigung hatten wir ca. 600 Mitglieder, sind jetzt bei ca. 650 angekommen und hoffen, dass wir das noch ausbauen können. Es gibt nicht mehr so viele Mitglieder wie in den 80-er Jahren, als es 800 oder 850 waren, und irgendwann vor langer Zeit waren es auch mal 1000.
Vor anderthalb Jahren gab es eine Mitgliederwerbeaktion, die die CDU Niedersachsen initiiert hatte, da haben wir in drei Monaten 27 Mitglieder gewonnen. Jetzt halten sich monatlich die Austritte, Wegzüge und Todesfälle in etwa die Waage mit den Eintritten.

Und wie ist die Altersstruktur?
Das Durchschnittsalter in der CDU Wilhelmshaven beträgt schätzungsweise Anfang bis Mitte 50 – genau kann ich es nicht sagen – jedenfalls ist es deutlich geringer geworden in den letzten Jahren. Wir haben hier eine sehr aktive Junge Union, das sind 25 bis 27 Leute, die sehr aktiv sind. Ein- bis zweimal im Monat treffen sie sich alle Mann.

Alle Mann? Oder auch alle Frau?
Zwei Frauen sind in der Jungen Union.

Es ist also mehr eine Jungs-Union.
Zu meiner Zeit waren vier Frauen dabei.

Nun sind Sie zum Kreisvorsitzenden der CDU gewählt worden. Und da ist Ihnen auch der Gedanke gekommen, dass Sie für den Bundestag kandidieren wollen – war das nicht ein bisschen vorschnell?
Das sehe ich anders. Man wird die ganze Zeit auf diese Personalie angesprochen und kommt gar nicht dazu, inhaltlich zu diskutieren. Grundsätzlich wird erst einmal eine halbe Stunde über diese Personalie gestritten. Warum sollte ich damit hinter dem Berg halten, dass ich es sehr gerne probieren würde? Wir haben hier in Wilhelmshaven das entsprechend qualifizierte Personal. Wir haben auch die großen Projekte hier vor Ort: den JadeWeserPort, den Chemiepark, die Bundeswehr als großen Arbeitgeber, und wir haben hier auch die großen Probleme – die Arbeitslosigkeit, die höher und anders strukturiert ist als in Friesland und in Wittmund. Vor diesem Hintergrund haben wir entschieden, mit einem eigenen Kandidaten anzutreten. Das war eine Entscheidung für den Kreisverband Wilhelmshaven. Der nächste Schritt wird sein, mit den Kreisverbänden Friesland und Wittmund zu sprechen, und dann wird man sehen, wer tatsächlich zur Bundestagswahl antritt. Diese beiden Kreisverbände haben genauso das Recht, eigene Kandidaten zu stellen. Genau wie jeder in der Partei das Recht hat, so habe ich es auch. Ich habe es gesagt, und dann war auch Ruhe. Bis auf den Artikel, den der ehemalige Bürgermeister von Schortens, Herbert Lahl, in die WZ gebracht hat, ist nichts gekommen. Dass es denen vielleicht nicht schmeckt, das kann natürlich sein.

Unterschätzen Sie nicht die Friesländer! Maaß wäre ohne sie nie Bundestagsabgeordneter geworden.
Maaß hat sich eher auf die Wittmunder gestützt. Aber das ist klar: Wer auch immer Bundestagskandidat wird, braucht die Mehrheit von allen drei Kreisverbänden.

Haben Sie zuerst Ihren Wunsch geäußert, oder haben Sie zuerst die beiden anderen Kreisverbände informiert?
Beide Kreisverbandsvorsitzenden wussten, dass ich kandidieren möchte. Wir haben miteinander telefoniert. Sie wussten jedoch nicht, wann ich an die Presse gehe. Überrascht von meiner Äußerung, dass ich kandidieren möchte, könnte allerdings das einfache Mitglied sein.

Lahl nennt es einen Affront…
Ich empfand es nicht als einen Affront. Ich habe nach dem Artikel mit Lahl telefoniert, um mich ihm vorzustellen, nachdem er sich öffentlich über mich geäußert hatte. Wir können es nur gemeinsam machen, und wir müssen dann auch gemeinsam einen Kandidaten küren.

Könnte es sein, dass Herr Lahl meinte, man hätte erst die Gespräche über den gemeinsamen Kandidaten führen müssen, bevor man an die Presse geht?
Ich weiß nicht, was Herr Lahl sich dabei denkt. Wie gesagt, für uns war die Entscheidung gefallen, wir wollten gerne einen Kandidaten aufstellen, und wir haben Bescheid gesagt, dass es so sein wird, und alles andere war dann unsere Entscheidung.

Vielleicht sind jetzt nach Maaß ja mal Friesland oder Wittmund dran.
Klar, irgendwann wird der Proporz mal gelten. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir hier von vorneherein die Flinte ins Korn werfen. Ich sehe es einfach so, dass wir hier unsere eigenen Probleme haben und das entsprechend vertreten müssen, genau wie die Friesländer und die Wittmunder gute Argumente für ihre Kandidaten finden werden – wenn ich da den Tourismus sehe, oder die Offshore-Windparks.

Und das alles glauben Sie? Davon sind Sie wirklich überzeugt?
Klar, sonst wäre ich da ja falsch.

Im Rat der Stadt Wilhelmshaven bilden Sie ja heimlich eine große Koalition mit der Mehrheitsgruppe.
Ganz bestimmt nicht! Wir haben zwar den Haushalt mitgetragen, aber wir haben schon unsere eigenen Ideen und Vorstellungen, die wir einbringen, gerade in den Ausschüssen. Wir lehnen einen Haushalt nicht einfach ab, nur weil wir in der Opposition sind. Das kann man im Bundestag oder im Landtag machen, und man findet ja auch genügend Haare in der Suppe. Aber zeigen, dass wir etwas bewegen wollen – das kann man nur, indem man der Bezirksregierung (oder ihrer Nachfolgerin) zeigt, man steht gemeinsam dahinter. Wir machen Schulden und belasten damit zukünftige Generationen. Wenn man sich die Schulen anguckt, die Straßen, die Jugend – es muss alles finanziert werden. Der Haushalt ist nun mal strukturell leider Gottes in einer Schieflage. Doch uns unterscheidet noch einiges von der Mehrheitsgruppe.

Sind Sie auch gegen den SB-Markt auf der grünen Wiese?
Ja, wir sind ganz klar gegen den Markt, so wie er jetzt geplant ist. Wir wollen die Innenstadt stärken. Wir hatten Herrn Babatz vom CIV bei uns und den Vorsitzenden von Karstadt, und die haben uns klar gesagt, dass wir hier schon zu viele leer stehende Geschäfte haben und keinen Markt brauchen, der noch mehr Kaufkraft abzieht. Einen Euro kann man nur einmal ausgeben. Wir waren ja auch ganz klar gegen die Pflasterung der Marktstraße, aber man kann nicht sagen, wir machen da alles neu und dann ziehen wir die Kaufkraft ab und bringen sie an den Stadtrand.

Der SPD-Parteitag hat sich ja auch dagegen ausgesprochen.
Das war eine richtige Entscheidung. – Es wäre natürlich ein Super-GAU, wenn der Markt nun direkt hinter der Stadtgrenze angesiedelt würde, aber das wird, glaube ich, nicht passieren. Wir können nicht die Strukturpolitik für Friesland machen, sondern wir müssen für unsere eigene Wirtschaft hier vor Ort denken. Wenn es etwas wäre, was unsere Struktur ergänzen würde…

Was hat Ihren Parteifreund Wohler dazu bewogen, nach zwei Jahren schon den Kreisvorsitz abzugeben?
Da gibt es mehrere Gründe: Erstens wird er gerade zum dritten Mal Papa. Dann hat er bei der Spar und Bau genug zu tun. Und er wollte sich mir nicht in den Weg stellen wegen der Budestagskandidatur.

Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Ihrem Wunsch, für den Bundestag zu kandidieren, und Wohlers Rücktritt?
Ja, aber das war nur ein untergeordneter Grund.

Kreisvorsitz und Kandidatur gehören also zusammen?
Ja. Ich muss mich ja im Landesverband positionieren für Listen. Das kann ich nur selber machen, wenn ich in den entsprechenden Gremien drin bin. Da wird man nur als Kreisvorsitzender kooptiert. Ich möchte niemandem zumuten, dass er für mich kämpfen muss, das will ich schon selber machen. Es passte zeitlich gerade zusammen mit Wohlers Entscheidung, etwas anderes zu machen. Es war nicht so, dass ich gesagt habe, ich will Bundestagsabgeordneter werden und muss deshalb Kreisvorsitzender werden. Das wäre falsch, das zu sagen.

Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie gesagt, Sie wollen Schwung und Esprit in die Wilhelmshavener CDU bringen. Wollen Sie, wie damals Gottschalk, Liederbücher verschenken mit „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“ und so?
Nein. Erst mal haben wir ein 100 Tage-Programm beschlossen. Der erste Schritt ist ein Besuchsprogramm bei der Wirtschaft. Ein zweiter Schritt ist die Wiederbelebung der Fachausschüsse. Es gibt einen neuen Ausschuss „Inhaltliche Arbeit“ unter der Leitung des JU-Vorsitzenden Christoph Arndt. Auch die Ausschüsse Schulen und Umwelt wollen wir wiederbeleben. In der Geschäftsstelle gibt es Änderungen: Wir stellen auf einen Newsletter und auf eMail-Verteiler um und weiten die Öffnungszeiten aus. Dann wollen wir mit gemeinsamen Sitzungen einen Austausch zwischen den Vereinigungen und den Ortsverbänden schaffen.

Vereinigungen?
Das sind die Frauen-Union, die Junge Union, die Mittelstands- und die Senioren-Union. Ich möchte auch gerne einen Ball und andere gesellschaftlich-kulturelle Aktivitäten veranstalten.

Sie haben uns ja gesagt, es herrscht jetzt im Kreisverband Friede, Freude, Eierkuchen. Und sie haben Herrn Dr. Milger…
Ja. Das ist in meinen Augen kein Problem. Dr. Milger ist angetreten zu allen politischen Ämtern, und er hat sehr viele Anträge gestellt. Das ist sein gutes Recht. Er wird auch sicher wieder irgendwelche Parteigerichte beauftragen, irgendetwas zu überprüfen. Bis jetzt ist er immer gescheitert, und damit rechne ich auch nächstes Mal.

Ist das nicht lästig?
Das braucht nicht lästig zu sein. Es ist sein gutes Recht, das zu machen. Soll er diesen Weg gehen! Es ist natürlich zeitaufwändig. Man muss sich damit beschäftigen, aber ich will nicht sagen, dass es lästig ist.

Hoffen Sie auf ein Direktmandat bei der Bundestagswahl?
Ja, sonst würde ich nicht antreten.

Na, auf das Direktmandat hat ja in diesem Wahlkreis die SPD das Abo.
Bei der letzten Wahl hatte Karin Evers-Meyer 53 % und die CDU 35 %. Aber im Moment ist eine günstige Strömung für die CDU. Wilfrid Adam hat ja sein Landtagsmandat sehr überraschend verloren. Klar, dieser Wahlkreis ist für uns eine „rote Diaspora“, aber …

Sie sollten auch zusehen, dass Sie einen guten Listenplatz bekommen.
Ich sehe für die kommende Wahl die einmalige Chance auf ein Direktmandat.

Sie sollten sich nicht darauf verlassen. Letztes Mal hat die Liste bis Platz 21 gezogen. Haben Sie schon Vorarbeit für einen guten Listenplatz geleistet?
Nein. So eilig ist das nicht.

Wer weiß. Allerorten wird damit gerechnet, dass die nächste Bundestagswahl sehr schnell kommen kann, wenn die SPD jetzt auch noch NRW verlieren sollte.
Selbst dann wird der Bundestag sich nicht vorzeitig auflösen. Das geht ja an den Geldbeutel der Abgeordneten.

Ja, und Sie wollen also MdB werden unter einer Kanzlerin Merkel?
Frau Merkel ist eine hervorragende Kandidatin. – Ich halte auch Herrn Stoiber für einen hervorragenden Kandidaten, aber ich denke auch, dass Frau Merkel eine hervorragende Kanzlerin werden würde. Diese Entscheidung fällt aber auf einer ganz anderen Ebene.
Man muss wegkommen von der ständigen Personaldiskussion. Ich habe das hier ja so gehandhabt, und ich denke, es wäre im Großen auch richtig. Aber der Zeitpunkt ist egal, es ist auch okay, wenn es später entschieden wird, ob Frau Merkel oder Herr Stoiber antreten. Doch wenn das entschieden ist, wird es mit Sicherheit einfacher werden.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Felbier!

 

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