Küstenautobahn
Jun 022005
 

Macht kaputt...

oder „Fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn“

(hk) Immer, wenn die Politik nicht weiterkommt, gibt es große Planungen in die Zukunft. Dass diese dann nach einiger Zeit wie Seifenblasen zerplatzen, ist wohl einkalkuliert – schließlich reichte das Getrommel um die Planungen, gepaart mit betörenden Versprechungen (Arbeitsplätze, 72 Jungfrauen u.ä.) um die BürgerInnen ruhig zu halten.

Dieses Spiel haben die Herrschenden rund um den Globus inzwischen zur Perfektion entwickelt. Wir in Wilhelmshaven leben seit Jahrzehnten nur noch mit solchen Versprechungen.

Der letzte Schrei

Wurden die Spielregeln für solche Spiele in der Vergangenheit hinter den gepolsterten Türen der Unternehmen und/oder der Verwaltungen ausgearbeitet und die entsprechenden Schachzüge vorbereitet, trifft man in jüngster Zeit vermehrt auf eine neue Variante dieses Spiels. Jetzt werden nämlich der Bürger, die Fußballmannschaft, die Stillgruppe, die Werkstatt oder der Bläserchor zu aktiv handelnden Spielfiguren befördert.
Und das geht so: Die Wirtschaft stockt in ihrer Entwicklung und macht dafür den Staat verantwortlich, der Staat ist pleite und kann die Wünsche der Wirtschaft nicht erfüllen. Also wird der Bürger als Joker ins Spiel genommen. Seine Aufgabe: Soviel Geld sammeln und dem Staat aufs Konto schaufeln, dass dieser seine Aufgabe im Interesse der Wirtschaft wieder erfüllen kann. Der arbeitende Bürger, der ja schon durch seine Arbeit die Gewinne der Unternehmen und die Steuern der öffentlichen Hand schafft, knappt sich also ein paar Euro vom Ersparten ab und wird z.B. (zumindest moralischer) Anteilseigner an der neuen Autobahn, die gerade die Gebiete durchschneidet, in denen sein Kollege aus Herne immer so gerne Urlaub machte.
Auf diese Art und Weise soll der Bau der A22 zwischen Westerstede und Stade / Glückstadt forciert werden.
Und man lese und staune: über 600.000 Euro sind da schon zusammengekommen, das anvisierte Ziel von 750.000 Euro ist nicht mehr so fern. In den Sponsorenlisten tauchen in erster Linie Klein- und Mittelbetriebe auf. Die Spenden sind meist Ergebnisse von Sammlungen im Betrieb. Doch auch ein spendender Betrieb fährt nicht schlecht mit seiner Spende: Bei dieser Aktion handelt es sich nicht um Spenden, sondern um eine Sponsoring-Aktion. In Absprache mit den Finanzverwaltungen Niedersachsen und Bremen genügt als Nachweis der Kontoauszug, um den Betrag als Betriebsausgabe absetzen zu können. Spendenbescheinigungen werden deshalb nicht ausgegeben und werden auch nicht benötigt.
Auch die Wilhelmshavener Zentimeterinitiative bringt Gelder für den Autobahnbau – und so sind in Wilhelmshaven und Umgebung immerhin schon über 60.000 Euro zusammengekommen. Das Interesse der Wilhelmshavener Wirtschaft und BürgerInnen wird durch den JadeWeserPort gespeist. Hier sollen ja Tausende Arbeitsplätze entstehen – und wenn die A22 gebaut ist, werden es wohl noch ein paar Tausend mehr werden.

Kritik und Alternativen

In einem offenen Brief wandten sich im letzten Monat verschiedene Bürgerinitiativen an die Minister Stolpe, Trittin und Hirche.

A22

„Küstenautobahn hemmt nachhaltige Regionalentwicklung und ist daher abzulehnen!


Wir treten aus sozialen, ökonomischen und ökologischen Gründen für eine nachhaltige Regionalentwicklung und Stärkung unseres ländlichen Raumes ein.
A 22 und neuer Elbtunnel würden trotz fehlendem Nutzen mehr als 2 Mrd. Euro verschlingen, einen Kaufkraftabzug zu den Oberzentren bewirken und insbesondere durch den tangentialen (West-Ost) – und nichtradialen – Bau weitere Arbeitsplätze an der Küste gefährden. Der Bau der A 22 bringt auch keine Arbeitsplätze im hiesigen Raum durch erforderliche europaweite Ausschreibungen und internationale Großkonzerne bzw. Arbeitskräfte aus Billiglohnländern.
Wir wenden uns dagegen, dass unsere Region, insbesondere der sich entwickelnde sanfte Tourismus, und der ländliche Raum als bloße Transitstrecke für transeuropäischen Warenverkehr insbesondere von Nord- und Osteuropa sowie Industrie missbraucht werden soll, was zusätzliche Immissionen/ Landschaftszerstörungen/Lärmbelästigungen mit sich bringen würde. Eine A 22 würde eine Vielzahl von bestehenden Tourismusangeboten und -unterkünften vernichten.“

Weiter heißt es in dem offenen Brief:

„Wir fordern daher mit Nachdruck folgende Alternativen zur Küstenautobahn westlich der Weser ein:
Anstrengungen zur Güterverlagerung von Straße auf Schiene und Wasserwege. Sofortige tatsächliche Sanierung der maroden Bahnstrecken Hude-Nordenham und
Wilhelmshaven-Oldenburg inklusive Lärmschutz und Absicherung einer schnelleren Über-/Unterwegung jeweils an der Schiene. Gleichzeitig sind Nahverkehrsteilpläne z.B. des Landkreises Wesermarsch mit heutiger Bedarfsabdeckung für ein hinreichendes vertaktetes, trägerübergreifendes Nahverkehrsangebot zu schaffen bzw. umzusetzen. Hierzu gehört auch die Wiedereröffnung zumindest der Bahnhaltepunkte Hahn-Lehmden, Jaderberg und Golzwarden, Kirchhammelwarden, Oberhammelwarden, Neuenkoop.
Wir alle sind aufgefordert, eine nachhaltigere Regionalentwicklung auf den Weg zu bringen. Die A 22 wäre hierbei in hohem Maße kontraproduktiv. Alternativen sind machbar! Es ist unser Land und unser Leben!“

Die Macher der JadeWeserPorts wollen die A22 – für sie ist es der Weg in den Osten, nach Polen, nach Russland. Natürlich soll der Containerverkehr in diese Richtung in erster Linie über Feederschiffe durchgeführt werden – aber wenn da doch jemand mit dem LKW hin will, soll er wenigstens eine schöne Autobahn vorfinden. Und hier offenbart sich das Dilemma: Die Hafenmacher wollen alles – Straße, Flüsse, Kanäle, Wattenmeer. Und sie wollen alles ohne Rücksicht auf Verluste und Umwelt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass längst beerdigte FDP-Politiker wie Walter Hirche plötzlich wieder ihren muffigen neoliberalen Gruften entsteigen und das Wort führen.
Die lokalen Politiker aller Farben wollen sich selbst ein mächtiges Denkmal setzen – und wenn die Herren sich durchsetzen, dann wird es auch ein mächtiges Denkmal – nur mit den Arbeitsplätzen… Wilhelmshavens Grüne haben längst vergessen, dass sie sich für den JWP eingesetzt haben, weil damit der Verkehr von der Straße aufs Wasser verlagert wird. Heute stecken sie so tief im Hafensumpf, dass sie Autobahnen bauen wollen!

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