Gegenwind-Gespräch: Werner Dalichow
Jun 302005
 

Es geht voran

Auch in Wilhelmshaven wächst die Linke

(noa) Als die WASG den 13. Juni als Tag der Gründung des Kreisverbandes festlegte, war noch nicht abzusehen, welche stürmische Entwicklung bis dahin in Gang kommen würde. Wir sprachen mit Werner Dalichow über „Linksbündnis“, Lafontaine und Gysi, die neuen Töne bei der SPD und wie es nun mit der WASG weitergehen wird.

Gegenwind: In unserem Bericht über eure Veranstaltung am 6. September im „Orange“ hatten wir geschrieben: „Es gibt Gespräche mit Oskar Lafontaine. Wenn er der WASG beitreten sollte, dann als normales Mitglied. Seine prominente Stellung würde ihm keine besondere Position in der WASG sichern.“ Das haben wir doch damals richtig wiedergegeben, oder?
Werner Dalichow: Ja.

Und jetzt nach der NRW-Landtagswahl entsteht ein ganz anderer Eindruck. Am 11. Juni in der „WZ“ war der Brennpunkt: „Der Verachtete plant seine Rache“ und in der Unterüberschrift: „Der Ex-SPD-Chef wird Spitzenmann des neuen Linksbündnisses“. Seid ihr umgefallen? Oder war das etwa schon der Inhalt der Gespräche, die ihr seit September oder länger führt?
Das ist folgendermaßen: Wir haben uns gesagt, wir bauen zuerst das Schiff, und dann holen wir uns die Galionsfigur. Und nun hat sich die Situation dramatisch verändert durch die Ankündigung der Neuwahl. Lafontaine ist aus der SPD ausgetreten, was viel Resonanz in den Medien gegeben hat. Und da haben wir uns gesagt, wenn er jetzt kommt und für und mit uns den Wahlkampf durchzieht, dann ist das für uns gut. Er sitzt aber nicht in irgendwelchen Vorstandspositionen und wird da auch nicht reinkommen. Er wird der Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, aber er ist ein ganz einfaches Mitglied wie alle anderen auch.

Es ist also nicht so, dass er euch in die Tasche gesteckt hätte, sondern ihr benutzt ihn?
Benutzen – nein.

Okay, ihr nutzt ihn. Ihr nutzt seinen Bekanntheitsgrad, und er lässt sich nutzen.
Ja. Man muss das ja so sehen: Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein Ergebnis von 2,2 % erzielt. Das war aus dem Stand ein ganz gutes Ergebnis. Und als Müntefering am Wahlabend um 18.25 Uhr „Neuwahl“ sagte, war klar, dass wir nun blitzschnell reagieren müssen. Wir würden vielleicht – optimistisch gerechnet – vielleicht bei 3 % bundesweit liegen. Aber durch so ein Zugpferd kann es mehr werden. Und Lafontaine hat die Dinge aus unserer Sicht ja immer korrekt betrieben. Damals als Kanzlerkandidat hat er gewarnt, dass die deutsche Vereinigung Kosten verursachen wird, dass es so wie von der damaligen Regierung geplant nicht kommen dürfe.
Köhler, der jetzige Bundespräsident, war es, der gesagt hat, die Kosten der Wiedervereinigung finanzieren wir durch die Sozialkassen. Genau davor hat Lafontaine damals gewarnt.
Und 1999 ist er zurückgetreten, weil er Schröders Politik nicht mittragen konnte. Er wusste ja, wo Schröder hin will, und er hat gesagt, dass das keine sozialdemokratische Politik ist. Der einzige Fehler war, dass er auch aus dem Bundestag gegangen ist. Er hätte sein Mandat behalten sollen.

Lafontaine hat ja bis einen Tag vor seinem Austritt aus der SPD immer wieder gesagt: Ich weiß noch nicht, ob ich die SPD weiter unterstützen werde – ich warte ab, was für eine Politik sie nun macht.
Und die SPD hat in diesen Tagen immer wieder gesagt: Wir machen weiter mit der Agenda 2010. Und nachdem Lafontaine gesagt hatte, dass er nun zusammen mit Gysi das Linksbündnis macht, kippte es bei der SPD. Dann sagten führende Sozialdemokraten auf einmal, dass wir höhere Löhne brauchen. Die SPD kündigte eine andere Politik an, jedenfalls mit Worten, als die Gefahr sichtbar wurde, dass tatsächlich ein Linksbündnis entstehen könnte.
Ja, und seitdem Lafontaine zugunsten des Linksbündnisses aus der SPD ausgetreten ist, hört und liest man fast täglich von der WASG. Wir sind jetzt viel bekannter als vorher.

Wie ist der Kontakt PDS-WASG hier in Wilhelmshaven?
Zur Zeit noch relativ schwach. Wir hatten eine Einladung der PDS, der wir gefolgt sind. Das war ein erstes Kennen lernen. Und im Gegenzug waren sie auf unserer Gründungsversammlung in der letzten Woche. Mehr war in der kurzen Zeit noch nicht möglich. Wir führen die Gespräche ganz locker weiter. Zunächst einmal werden wir auf Landesebene mit der PDS sprechen. Es geht ja nicht an, dass auf kommunaler Ebene irgendwelche Beschlüsse gefasst werden, und dann in jeder Stadt andere, und auf Landesebene noch mal andere. Der Wahlkampf wird sich ja über die Landesvorstände darstellen müssen.

Also ein Zusammenschluss hier in Wilhelmshaven steht nicht unmittelbar bevor?
Nein, und es wird einen Zusammenschluss auch nicht geben. Für die Bundestagswahl diesen Herbst wird die PDS ihre Landeslisten für WASG-Mitglieder öffnen. Aber die WASG wird eigene Listen aufstellen für den Fall, dass es mit der Zusammenarbeit mit der PDS nicht klappt, so dass wir auf jeden Fall antreten können. Wir sind ja keine PDSler. Sonst wären wir in die PDS eingetreten.

Wie war die Gründungsversammlung? Waren auch Leute da, die ihr noch nicht kanntet?
Ja. Es waren insgesamt etwa 40 Leute da. Es sind direkt während der Versammlung auch neue Mitglieder beigetreten.

Wie ist überhaupt das Interesse an euch? Das hat sich doch bestimmt in den letzten zwei, der Wochen gesteigert.
Allerdings. Seit die Medien über uns berichten, bekomme ich mehr Anrufe. Und es sind nicht nur die Leute, die man schon kennt. Es melden sich auch Menschen, die jahre- und jahrzehntelang das politische Geschehen beobachtet haben, aber bisher nie aktiv waren, die nun aber mehr wissen wollen. In Wilhelmshaven und auch in Oldenburg ist der Zulauf nicht so groß wie in anderen Teilen Niedersachsens. In anderen Orten ist es gewaltig mehr, besonders im südöstlichen Niedersachsen, in Hameln, Salzgitter, Göttingen etwa. Und in Leer will der gesamte SPD-Ortsvereinsvorstand der SPD austreten und der WASG beitreten – 12 Personen!
Hier sind die Leute ja traditionell nicht so leicht zu begeistern, verhalten sich mehr abwartend.

Wahrscheinlich ist es in Wilhelmshaven auch so, dass man in der SPD bleibt, weil man in der SPD ist…
Es gab zahlreiche Austritte aus der SPD in der letzten Zeit. Aber die Ausgetretenen sagen „Ja, mach mal“, warten aber noch ab.

Und nun hat der Verein WASG in Wilhelmshaven den Kreisverband der Partei WASG gegründet und einen Vorstand gewählt?
Ja, das war letzten Montag. Wir haben einen 10köpfigen Vorstand gewählt.

Wer ist das?
Ich selbst, Johann Janssen, Norbert Krüger, Hannes Willms und als Schatzmeister Detlef Sandkuhl sind der geschäftsführende Vorstand. Beisitzer sind Dirk-Agge Bothe, Hertha Walter, Joachim Tjaden, Björn Riemann und Mike Schauderna. Diese Einteilung in einen geschäftsführenden Vorstand und Beisitzer muss ja offiziell sein, aber wie auch im Bundesvorstand sind alle gleichberechtigt. Über die Aufgabenverteilung sprechen wir noch. Es kann also sein, dass du nächstes Mal mit jemand anderem sprichst.

Nur eine Frau zwischen neun Männern?
Ja, schade. Aber wir können die Frauen ja nicht mit Gewalt holen.

Habt ihr in den letzten drei Wochen Stände gemacht?
Nein. Wir warten erst einmal ab, was zwischen WASG und PDS beschlossen wird. Wenn wir jetzt in der Marktstraße oder in F’Groden stehen würden, würden die Leute genau das fragen, und wir wissen noch keine verbindliche Antwort.

Und wann werdet ihr die haben?
Der Zeitplan ist so: Am 2. Juli haben wir den WASG-Landesparteitag. Da wird die Landespartei gegründet, und der Landesvorstand wird gewählt. Und es wird auch die Landesliste für die Bundestagswahl erstellt. Am 3. Juli ist der Bundesparteitag der WASG, und danach gibt es sofort eine Urabstimmung. Am 15. Juli wird das Ergebnis veröffentlicht.
Am 9. Juli hat die PDS ihren Landesparteitag, wo sie über die Frage berät, ob sie ihre Landesliste für Mitglieder der WASG öffnet, und am 16. Juli ist der Bundesparteitag der PDS. Das muss jetzt ja alles sehr schnell gehen, und es muss alles zeitlich aufeinander abgestimmt sein.

Und dann wird der Wahlkampf losgehen?
Dann geht’s los.

Vielen Dank für das Gespräch.

Nachtrag: Das Gespräch mit Werner Dalichow fand am 20. Juni statt. In der Zwischenzeit hat sich auf verschiedenen Ebenen noch etwas getan. War Mitte Juni noch die Rede davon, dass die WASG in einem eventuellen Bündnis mit der PDS ihren Namen aufgeben müsste und komplett in einer DL/PDS aufgehen müsste, meldet die PDS-Spitze mittlerweile die Bereitschaft, sich in „Die Linkspartei“ umzubenennen.
Und im Kreisverband Wilhelmshaven hat man über das Problem des Frauenmangels nachgedacht. Ein großes Hindernis für Frauen, sich in Parteien zu organisieren, ist bekanntlich die „männliche Diskussionskultur“ in Parteien. Die soll es in der WASG Wilhelmshaven nicht mehr geben: Frauen dürfen sprechen, wenn sie etwas zu sagen haben, und müssen nicht mehr warten, bis sie nach Rednerliste „dran“ sind, ihr Punkt aber schon erledigt ist oder sich mittlerweile verändert oder weiterentwickelt hat. (noa)

 

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