WoBau Cerberus
Aug 102005
 

Höllenhunde und Heuschrecken

Vom leichtfertigen Umgang mit Wohnraum

(hk) Die Warnungen vor dem Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft Jade im Jahre 2000 an die Deutsche Bank waren noch nicht verhallt, da verkaufte eben diese Deutsche Bank die Wohnungsbaugesellschaft an die, nicht von ungefähr nach dem Höllenhund der griechischen Mythologie, benannten Fondsmanagementgruppe Cerberus.

CerberusDer Schock über diesen Verkauf saß den Beschäftigten, den Mietern und vielen am Wohl ihrer Heimatstadt interessierten BürgerInnen noch in den Knochen, als es plötzlich hieß, dass Peter Cordes nicht mehr alleiniger Geschäftsführer der Jade sei, dass ihm zwei weitere Geschäftsführer zur Seite gestellt wurden. Dabei handelt es sich pikanterweise um Bernhard Richter, den die Jade-Beschäftigten schon aus der Zeit kennen, als die Jade der Deutschen Bank gehörte und um Joachim Tigges
Was bedeutet es, dass jetzt 3 Geschäftsführer an der Spitze der Jade stehen. Da sind natürlich einmal die gestiegenen Personalkosten – aber die Schaffung einer Zuverdienstmöglichkeit für die Herren Richter und Tigges wird sicher nicht der Grund dafür sein. Da werden schon die Interessen des Höllenhundes an einer möglichst schnellen, möglichst hohen Rendite ausschlaggebend gewesen sein.

Kein Problem

Die Stadt Wilhelmshaven fühlt sich den 18.000 Mietern der Jade verpflichtet und sieht in der Bestellung der zwei zusätzlichen Geschäftsführer kein wirkliches Problem. Oberbürgermeister Menzel kündigte laut Wilhelmshavener Zeitung vom 22. Juli an, dass „die Stadt jetzt die mit der Cerberus-Gruppe bestehenden Verträge überprüfen werde“.Heuschrecke 3
Erster Stadtrat Jens Stoffers meint, dass die Stadtverwaltung nicht so ‚zahnlos’ sei, wie zunächst befürchtet. Er baut auf die Einbindung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Siegfried Neumann in den Beirat, denn hier müssten alle ‚wesentlichen Schritte’, so der Erste Stadtrat Stoffers zur Wilhelmshavener Zeitung, einstimmig gefasst werden. Der Schutz der Mieter vor Mieterhöhungen sei noch bis 2007 festgelegt, was allerdings nicht viel bedeutet, denn wir haben immerhin das Jahr 2005 schon zu mehr als die Hälfte hinter uns gebracht!

Am 26. Juli meldete sich dann Walter Heide von Radio Jade zu Wort:

Die Wohnungsbaugesellschaft ist im Weltmarkt angekommen.
Der Cerberus-Investment-Fund hat die Gesellschaft gekauft. Rat und Verwaltung der Stadt ist es gelungen, soziale Standards in den Vertrag zu schreiben. Das ist aller Ehren wert. Doch was keinen gesetzlichen Schutz hat, ist das Papier nicht wert, auf das es geschrieben ist.
Ein halbes Jahr war relative Ruhe bei der Jade, nur die Beschäftigten klagten über ein raueres Betriebsklima. Jetzt hat Cerberus zwei weitere Geschäftsführer bestellt. Die Stadt pocht darauf, dass sie befürchtete Veränderungen bei der Wohnungsbaugesellschaft durch das Veto des einzigen städtischen Vertreters im Beirat blocken kann.
Doch was passiert, wenn diese Veränderungen wirtschaftlich begründet werden? Das werden die beiden neuen Geschäftsführer schon exzellent hinbekommen.
Was passiert, wenn Cerberus die Stadt bei Ablehnung von Veränderungen auf Regress verklagt? Für einen Klageerfolg garantieren bei dem weltweit tätigen Unternehmen ganze Anwaltsgeschwader. Was passiert? Das Veto im Beirat wird sich verflüchtigen wie der Morgennebel in der prallen Sommersonne!
Heuschrecke 2Zur Erinnerung: Dieser Investment-Fund hat 14 Mrd US-Dollar in seiner Kriegskasse und kauft sich weltweit in Unternehmen ein. Mehr als 40 sind es bisher. Chemie- und Gesundheitsfirmen in den Vereinigten Staaten und Ostasien; Städtereklame, die Plasma-Sparte von Bayer, Beate Uhse in Deutschland, um nur einige zu nennen.
Alle Unternehmen müssen schnell maximalen Profit bringen. Wirtschaftsfachleute bezeichnen solche Investment-Funds gern als Totengräber- oder Geier-Funds. Das Geschäft: Notleidenden Unternehmen die Schulden abkaufen, die Mehrheit übernehmen, das Unternehmen zerschlagen und mit Gewinn weiterverkaufen.
Die Wohnungswirtschaft ist kein eigentliches Geschäftsfeld von Cerberus. Aber bei mehr als 100.000 bisher gekauften Wohnungen gibt es ganz hervorragende Perspektiven. Umbauen, Renovieren, Abreißen erzielt, auch wenn dies nur in der Planung ist, erhebliche Steuervorteile und vergoldet die Bilanzen.
Die Cerberus-Gruppe will, dem Vernehmen nach, die Verwaltung ihrer norddeutschen Wohnungsbestände nach Wilhelmshaven verlegen. Wilhelmshavener Ratsmitglieder haben gejubelt, dass damit eine Weltfirma nach Wilhelmshaven kommt.
War das ahnungslos? War das dumm?
Eine Wohnungsverwaltung in Wilhelmshaven hat soviel Einfluss beim Cerberus-Investment-Fund in New York, wie Opel Bochum oder Rüsselsheim bei General Motors in Detroit.
Das haben wir doch inzwischen alle gelernt. Mr. Bloomberg, der Bürgermeister von New York, entscheidet als Mitglied des Aufsichtsrates von Cerberus auch über die Wohnungsbaugesellschaft Jade in Wilhelmshaven.
Eberhard Menzel, der Oberbürgermeister von Wilhelmshaven, hat auf die Wohnungsbaugesellschaft so wenig Einfluss, wie er Einfluss hat auf eine Änderung der Umlaufbahn der Erde um die Sonne.
Das nennt man Globalisierung!
Eine gute Woche später erschien ein Leserbrief von Herrn Wilfried Dubrau in der Wilhelmshavener Zeitung, aus dem wir auszugsweise zitieren:
„Die derzeitige Unruhe unter den Mitarbeitern des Wohnungsbauunternehmens ist verständlich. Die Unruhe der ca. 18.000 Menschen, die Mieter der Wohnungsbaugesellschaft ‚Jade’ sind, liegt in der Luft. Offenbar wird man die Geister, die man rief, nicht mehr los.
Auf der Einkaufsliste ausländischer Hedgefonds standen und stehen Wohnungsbaupakete ganz oben. Allein die Transaktionen in 2004 umfassen Milliarden Euro. Mahnende Stimmen, die fürchten, dass es den neuen Eigentümern nur um das schnelle Geld geht, haben kaum Gehör gefunden. Schließlich ist es in Wilhelmshaven nicht anders gelaufen.
Der Verkauf des kommunalen Wohnungs-Unternehmens aus rein fiskalischen Gründen etwa zur Haushaltssanierung, stand im Vordergrund. Zwar kann man Hedgefonds nicht dafür tadeln, dass sie den Liquiditätsengpass der öffentlichen Haushalte für ihre Zwecke nutzen. Gleichwohl ist der Kommune vorzuhalten, ob sie sich durch den Verkauf ihrer sozialen Fürsorge und der Grundversorgung benachteiligter Bevölkerungsgruppen mit bezahlbarem Wohnraum fahrlässig entzieht. Letztlich wird das Thema Wohnraumversorgung in Zukunft angesichts der zu erwartenden Altersarmut wieder an Bedeutung gewinnen.Heuschrecke 1
Wie will der ursprüngliche Eigentümer eigentlich verhindern, dass die Mieter in letzter Konsequenz der Maximierung der betriebswirtschaftlichen Rendite geopfert werden. Offenbar geben die Verträge nicht einmal her, von vorneherein über die Veränderung der Geschäftsführung informiert zu werden geschweige denn, die Erweiterung der Geschäftsführung bzw. die Ernennung eines neueren Geschäftsführers als zustimmungspflichtig zu definieren.
Da fragt sich der unvoreingenommene Betrachter, was denn nun ‚wesentliche Schritte’ in der Politik eines Wohnungsbauunternehmens sind. Wenig tröstlich dürfte für die Mieter auch sein, dass sich ihr Schutz vor Mieterhöhungen bis auf das Jahr 2007 erstreckt. Man muss den Leuten ja schließlich nicht kündigen, sondern braucht die Mieten nur in einem Ausmaße anzuheben, dass sie für die Mieter nicht mehr finanzierbar sind.
Ob ein Geschäftsführer, der die seinerzeitigen Privatisierungen von öffentlichen Unternehmen und den Weiterverkauf an Hedgefonds ‚durchgezogen’ hat, wirklich Respekt und Anerkennung verdient, sei auch dahingestellt. (Die Wilhelmshavener Zeitung brachte am 21. Juli 2005 einen entsprechenden Jubelartikel über Peter Cordes, dem Geschäftsführer der Jade, Anm. der Red.) Letztlich sind große Zweifel erlaubt, ob die Mieter nicht am Ende der diversen Bindungsverträge zum ‚Freiwild’ werden, ob der Verkauf des ‚Tafelsilbers’ der Stadt zum Mittel der Haushaltssanierung weitsichtig war und ob nicht der Rentabilitätsgesichtspunkt alle anderen Gesichtspunkte wie den Versorgungsauftrag, breite Schichten der Bevölkerung mit preiswerten Wohnraum zu versorgen, schlagen wird.“

Was bedeutet das nun alles?

Es war leichtfertig, ein so tief ins soziale Gefüge einer Stadt greifendes Unternehmen wie die Jade in private Hände zu legen. Der Zwang und der Wille zur kommunalen Entschuldung darf nicht dazu führen, dass man einen Großteil der Möglichkeiten zur sozialen Steuerung des kommunalen Gemeinwesens aus der Hand gibt.
Denn die Jade ist ja nicht nur einfach eine Wohnungsbaugesellschaft – sie steckt mit im Stadtumbau West, ist Treuhänderin und Sanierungsträger der Stadt Wilhelmshaven und somit Träger des Förderprogramms ‚Soziale Stadt’ für die westliche Südstadt. Organisationen wir RAN, WiWA oder auch die SOS-Jugendberatung und viele andere Gruppen und Institutionen Wilhelmshavens sind mit in das so lange funktionierende System der WoBau Jade eingebunden, ein System welches mehr als Bauen und vermieten von Wohnungen beinhaltete.
Es ist nicht verwunderlich, dass die Cerberus-Gruppe immer wieder im Zusammenhang mit Münteferings „Kapitalismuskritik“ von den Gesellschaften, die wie Heuschrecken über das Land herfallen, es abgrasen um dann voll gefressen das nächste Objekt in Angriff zu nehmen, genannt wurde. Ein solches Verhalten ist nun mal diesen Hedgefonds eigen. Und außer unserem Oberbürgermeister wissen das auch alle.

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