Bundestagswahl 2005 – 4
Sep 152005
 

Die Merkelshow

CDU-Kanzlerkandidatin in Wilhelmshaven

(hk) Der Valoisplatz war anständig gefüllt – vorne auf der Bühne versuchte eine Showband, das Flair der großen Welt wenigstens musikalisch nach Wilhelmshaven zu bringen. Ein Entertainer führte durchs Programm – Jan Stecker, im richtigen Leben Moderator einer Autosendung beim privaten Fernsehsender Kabel eins. Wer Autos verkaufen kann, wird wohl auch Frau Merkel an den Mann bringen können, so wohl die Logik der CDU-Wahlkämpfer. Alles wurde auf Großleinwand übertragen, so dass jede/r jederzeit sehen konnte, was sich vorne auf der Bühne tat.

Merkel_3Einleitende Worte gab es vom CDU-Bundestagskandidaten Werner Kammer – das war sowohl rhetorisch wie auch inhaltlich die unterste Schublade der politischen Kultur. Selbst als der Kabelkanal-Moderator zum Beifall für „unseren Hans-Werner Kammer“ aufrief, fiel dieser mehr als spärlich aus und fand nur im CDU-Ghetto statt.
Die Organisatoren des Merkel-Auftritts hatten sich nämlich etwas Besonderes ausgedacht: Die südliche Hälfte des Valoisplatzes wurde, einschließlich Bühne, vom übrigen Platz abgesperrt – hier fanden nur geladene Gäste und Platz. Und auch nur hier fand der Beifall statt. Beim größten Teil der hinter die Absperrung verwiesenen WilhelmshavenerInnen gab es vielleicht mal ein kleines Händchen für Angela Merkel. Ansonsten war man dort doch sehr ruhig, zumal es sich bei einem Großteil der Ausgesperrten ersichtlich um CDU-kritische BürgerInnen handelte.
Merkel_2Die Organisatoren des Events, personell präsentiert durch eine Mischung aus Bodyguards und Jublern, hatten Schwierigkeiten, Leute zu finden, die die vorbereiteten aussagestarken Plakate „Wechsel wählen“ und „Angie“ auf Zuruf in die Höhe hielten. So sah man dann unter den spontan in die Höhe gehenden Plakaten auch meist die orangenen T-Shirts des „TEAM Zukunft“.
Merkel selber brachte ihre schon tausendmal gehörten ‚Argumente’ für den Wechsel unters Volk. Inzwischen wissen wir, dass sie auch nicht mehr weiß als diese ständig zu Gehör gebrachten Stereotypen.
Merkel_1Die Situation in Wilhelmshaven wurde sowohl von Kammer, vom ebenfalls anwesenden niedersächsischen CDU-Spitzenkandidaten Friedbert Pflüger und von Angela Merkel als schlecht bezeichnet – doch es wird alles besser, wenn der JadeWeserPort kommt, wenn die Küste mit chemischer Industrie dichtgestellt wird und wenn die CDU das Schrödersche Werk vollendet hat.
Der neue Chefredakteur der Wilhelmshavener Zeitung, Klaas Hartmann, machte dann in seinem Kommentar (sein Erstlingswerk in der WZ) klar, welcher politische Wind künftig in der WZ wehen wird. Auf Seite 1 prangt die Schlagzeile: Merkel punktet an der Jade – Unions-Kanzlerkandidatin begeistert in Wilhelmshaven 3000 Zuschauer.
cdu_2Unbeeindruckt von der Wirklichkeit macht Klaas Hartmann unter der Überschrift „Glänzender Auftritt“ Werbung für die CDU: „Merkel hat sich gestern außerdem wieder die Lufthoheit über Themen geholt, die die SPD in jüngster Zeit – mit Hinweis auf die geplante Mehrwertsteuer-Erhöhung – pachten möchte: Generationenvertrag, Bildung, Arbeitsplätze. Und die Art, in der die CDU-Politikerin diese heißen Eisen anpackt, ist in der Tat erfrischend offen: Leistungsträger sollen zwar nicht bestraft werden, aber ihrer – auch finanziellen – Verantwortung für das Gemeinwesen gerecht werden. Jugendliche sollen nicht nur gehätschelt, sondern auch gefordert werden.cdu_1
Der Leistungsbegriff sei keine Drohung, sondern eine Notwendigkeit, sagt Merkel völlig zu Recht. Das alles sind keine sehr bequemen Wahrheiten; aber wohin uns die politischen Versprechungen der vergangenen Jahrzehnte geführt haben, sehen wir an den Bilanzen in sämtlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen. Falls Angela Merkels Beispiel Schule macht, hat sie der politischen Kultur einen guten Dienst erwiesen.“

Auf Werbeveranstaltungen gibt es ja auch immer nette kleine Wahlpräsente. In Wilhelmshaven verteilte die CDU eine Sonnenlotion („damit Sie uns nicht rot werden“) und Pfefferminzbonbons. Zumindest die Bonbons konnte man gut gebrauchen: Sie halfen gegen den schalen Geschmack, der sich insbesondere nach der Rede des Dr. Pflüger im Mund breit machte.

 

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Ich bin ja in einer anderen Partei. Doch ich finde die WASG sehr belebend.“

Frank Buscher, ver.di-Gewerkschaftssekretär

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