Wohnungslose
Jan 252006
 

Weg vom Betteln

(noa) Es ist ganz schön kalt gewesen in den letzten Tagen und Nächten. Als vor ein paar Wochen im Münsterland der Strom ausfiel, nachdem Schneemassen die Leitungsmasten gefällt hatten, berichteten sämtliche Fernsehsender ausführlich, wie schwer das Leben im Winter ohne Strom ist. Was ist denn mit den Leuten, die nicht mal ein Dach über dem Kopf haben?

Die Wohnungslosen in Wilhelmshaven nächtigen im Frühling, Sommer und Herbst oft im Freien. Im Winter gewährt ihnen die Diakonie im Flüchtlingsheim ein Dach über dem Kopf. Erfrieren muss hier zum Glück also keiner. Im Haus der Diakonie an der Weserstraße können die Menschen, die keine Wohnung haben, einen Teil des Tages im „Tagesaufenthalt“ verbringen, wo sie auch duschen, ihre Wäsche waschen und etwas essen können.

Seit bald zehn Jahren nutzen einige von ihnen auch die Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen, indem sie die Straßenzeitung „Asphalt“ verkaufen. „Asphalt“ gibt es schon seit 1994, aber erst seit Ende 1996 wird die Zeitung auch in Wilhelmshaven angeboten. Die Idee der „Macher“ dieser Zeitung war und ist es, den wohnungslosen Menschen eine Chance zu bieten, vom Betteln wegzukommen. Da es ein Kommissionsgeschäft ist, verlangt es von den Verkäufern einiges an Planung und Disziplin.70 Cent zahlen sie vorab für ein Exemplar, für 1,40 Euro bieten sie es den Menschen an. Manch ein Bürger zahlt mehr, sei es aus Mitleid „für die Armen“, sei es aus Respekt für Menschen, die trotz aller Widrigkeiten etwas leisten wollen für ihr Geld, sei es, dass sie sich mit dem Wechselgeld nicht belasten wollen – oder nicht so lange mit dem Asphalt-Verkäufer zusammen stehen wollen, bis der ihnen das Wechselgeld auf die Hand gezählt hat. Solches erwarten oder darum bitten sollen die Verkäufer jedoch nicht.
Der Verkauf des „Asphalt“ fordert etwas von den Wohnungslosen: Sie dürfen vor und während des Verkaufs keinen Alkohol und keine andere anderen Drogen konsumieren, und sie haben feste ihnen zugewiesene Plätze.
In Wilhelmshaven sind es momentan sechs Männer und eine Frau, die die monatlich erscheinende Straßenzeitung an unterschiedlichen Plätzen feilbieten und damit ihr Arbeitslosengeld II aufbessern. (Einer von ihnen denkt gegenwärtig darüber nach, eine Wilhelmshavener Ortsbeilage ins Leben zu rufen.) Und es sind momentan etwa 650 Exemplare jeder Ausgabe, die so in Wilhelmshavener Haushalte gelangen. Bei freundlicheren Außentemperaturen steigen diese Zahlen auch mal bis auf zehn VerkäuferInnen bzw. 1000 Exemplare an. Vermutlich wird nicht jedes verkaufte Exemplar auch gelesen – die oben erwähnten Menschen, die aus Mitleid kaufen und vielleicht auch ohne den Gegenwert der Zeitung ein wenig Geld springen lassen würden, legen ihren „Asphalt“ vielleicht zu Hause gleich zu den Lidl-Prospekten und der Sonntagszeitung ins Altpapier. Schade, denn in jeder Ausgabe der Straßenzeitung steht etwas Lesenswertes drin!

Asphalt

Foto: Asphalt-VerkäuferInnen beim gemeinsamen Grünkohlessen in der Diakonie, zu dem Uwe Koopmann (2. v.r.), Mitarbeiter der ambulanten Wohnungslosenhilfe der Diakonie, eingeladen hatte.

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