Kultur
Mrz 012006
 

Kahlschlag

Wird der Rat am 1. März Wilhelmshavens Kulturlandschaft völlig zerstören?

(noa) „Wissen sie, was sie tun?“, fragt Norbert Czyz (sich selbst? – uns alle? – die bewussten „sie“?) in der „WZ“ vom 9. Februar 2005 bezüglich der Kürzungsvorschläge, die der Kulturausschuss in seiner Sitzung vom 6. Februar beschlossen hatte. Und nicht nur die betroffenen Kultureinrichtungen, sondern auch BürgerInnen protestieren.

Folgende Einsparungen beschloss der Kulturausschuss zur Beschlussfassung durch den Rat der Stadt:

  • Der jährliche Zuschuss für die Kunsthalle soll um jährlich 100.000 Euro gekürzt werden. Gespart werden soll an der Leitung – die Kunsthalle soll mit externen Trägern kooperieren.
  • Die jährliche Zuwendung der Stadt an das Stadttheater soll um 60.000 Euro gekürzt werden; das entspricht einer Reduzierung um 10 %.
  • Die VHS, die bekanntlich in eine gGmbH umgewidmet werden soll, soll im Jahr 130.000 Euro weniger erhalten.
  • Bezüglich der Stadtbücherei schlug die Verwaltung dem Kulturausschuss eine Kürzung um jährlich 200.000 Euro vor. Die Vertreter der Mehrheitsgruppe (SPD/Grüne) verdoppelten: 400.000 Euro soll die Bücherei weniger bekommen. Dieser Vorschlag wurde gegen die Stimmen der CDU angenommen; die CDU wird am 1. März in der Ratssitzung den Vorschlag der Verwaltung unterstützen.
  • Im Botanischen Garten sollen zwei von drei Gärtnerstellen entfallen, was jährlich 100.000 Euro einsparen würde.
  • Die Musikschule soll Kosten sparen durch Aufgabe es Einzelunterrichts.

Ein kulturelles Angebot kostet Geld und bringt nichts ein – so könnte man naiv sagen. Mag sein, dass die Stadtverwaltung und das eine oder andere Ratsmitglied so denken. Fast jeder, der über die im Raum stehenden Kürzungen spricht, bringt sie nun aber in einen Zusammenhang mit der Neubürgeragentur. Dr. Ursula Spath, Beisitzerin des Kunstvereins, mutmaßt in der „WZ“ vom 09.02., Wilhelmshavens Kulturlandschaft solle zerstört werden für die Neubürgeragentur. Volkmar Tent gibt zu bedenken, dass „die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt zur Vielfalt ihres Kulturangebots … deren Image bei dem gesuchten Neubürger nur schaden kann“ (Leserbrief in der „WZ“ vom 22.02.), und Hans-Jürgen Schmid weiß in seinem Kommentar in der „WZ“ vom 18.02., dass Kultur „immerhin ein ‚weicher’ Faktor der Wirtschaftsförderung“ ist. Und Sven Pieper schließt seinen köstlich zynischen Leserbrief zum Thema mit der Überlegung: „Kultur nämlich ist Lebensqualität. Fehlt diese, dann gibt es leider kaum mehr einen Grund, gerade in Wilhelmshaven zu leben.“ („WZ“ vom 20.02.)
Einzig H.-J. Schmid gibt sich in seinem erwähnten Kommentar trotz der geplanten „notwendigen“ Einschnitte optimistisch: „Denn eines haben die kommunalpolitischen Mangelverwalter über Jahrzehnte stets geschafft: Trotz aller Kürzungen ging für Bedeutung und Entwicklung der Stadt Wilhelmshaven Wesentliches bislang nicht verloren.“

Beispiel Stadtbücherei

Wir beleuchten hier die Stadtbücherei exemplarisch – jedeR kann sich dann selbst eine Meinung darüber bilden, ob Wesentliches erhalten blieb und erhalten bleiben wird.
Am 11. Januar veröffentlichte die „WZ“ die Jahresbilanz der Bücherei. 2005 habe es 60.000 weniger Ausleihen gegeben, u.a, aufgrund des Wegfalls des Büchereinbusses, hieß es da. Doch diese Einsparung war ja bei weitem nicht die erste.
Bereits in den vergangenen Jahren wurden im Zuge der Haushaltskonsolidierung Einsparungen bei der Stadtbücherei beschlossen und teilweise bereits umgesetzt. So entfielen durch Nicht-Wiederbesetzung frei werdender Stellen seit dem Jahr 1990 neuneinhalb (9,5!) Arbeitsplätze. Seit Anfang 2005 fanden und finden bei der Bücherei allgemeine Rationalisierungen durch Fremdleistungen statt. Zu Februar 2006 wurde eine Verwaltungsfachangestellte, die bisher Verwaltungs- und Sekretariatsaufgaben wahrnahm, in die allgemeine Verwaltung versetzt. Und die bisher eigenständige Musikbücherei wird an Mitte 2006 nach dem altersbedingten Ausscheiden eines Bibliothekars, dessen Stelle nicht wiederbesetzt wird, als Abteilung der Erwachsenenbücherei weitergeführt.
Wo sind da überhaupt noch Einsparungen möglich, ohne das Angebot drastisch zu verschlechtern? Vor Jahren schon wurden die Öffnungszeiten reduziert, montags hat die Bücherei zu. Derzeit steht sie uns an 34 Stunden in der Woche zur Verfügung (dienstags bis freitags von 11 bis 18 Uhr, samstags von 11 bis 17 Uhr). Im Kulturausschuss (und übrigens auch in den Klausurtagungen der Ratsfraktionen) war die Rede von einer weiteren Kürzung der Öffnungszeiten. Vormittags soll die Bücherei geschlossen bleiben. Ein Großteil der NutzerInnen seien SchülerInnen, und die könnten ja erst am Nachmittag hin, wird das begründet. Tatsächlich sind von den angemeldeten insgesamt 8900 LeserInnen nur 3400 (also 38 %) Kinder und Jugendliche! (Das interessierte übrigens außer dem FDP-Vertreter offenbar kein Ausschussmitglied.)
Die Auslastungsstatistiken der Stadtbücherei belegen eine starke Nutzung der Einrichtung in der Zeit von 11 bis 14 Uhr, vorrangig durch Stellensuchende, die die Stellenangebote in der Zeitung lesen wollen, ältere Menschen, die lieber in Ruhe lesen wollen und deshalb kommen, wenn die SchülerInnen andere Pflichten haben, „Mittagspausenkunden“, Schulklassen und Kindergartengruppen und Väter oder Mütter mit Kleinkindern.
Vergleiche mit Städten gleicher Größe zeigen, dass die bisherigen Öffnungszeiten dem Oberzentrum Wilhelmshaven schon nur knapp angemessen sind.
Es ist davon auszugehen, dass bei den vom Kulturausschuss vorgeschlagenen Änderungen der Öffnungszeiten ein großer Teil der jetzigen „KundInnen“ der Bücherei von der Benutzung ganz ausgeschlossen würde. Und sinkende „Fallzahlen“ (hier Ausleihzahlen), die von den Entscheidungsträgern sorgfältig beobachtet werden, lieferten dann bald einen weiteren Grund zu Kürzungen und irgendwann zur Schließung.
Außer der Reduzierung der Öffnungszeiten hat der Kulturausschuss sich noch mehr ausgedacht: Man könne doch ein Eintrittsgeld von denen verlangen, die nur zum Lesen (z.B. zum Zeitunglesen) kommen (… man habe da von einer Bibliothek gehört, die so verfahre … ); eine Kooperation mit der Bücherei der Fachhochschule und/oder der Marinebibliothek sei denkbar (abgesehen von der nicht-städtischen Trägerschaft dieser beiden Einrichtungen würde sich die Frage nach dem „Wie“ und für die beiden Büchereien die Frage nach dem „Warum“ stellen. Übrigens wurde weder mit der einen noch der anderen Einrichtung darüber gesprochen…). Und dann gab es da noch die Idee, die Stadtbücherei in eine GmbH umzuwandeln. Diese Idee, mit der Kommunen gerne liebäugeln, um Kosten zu sparen, hat schon in Gütersloh und in Siegburg, wo man sie verwirklicht hat, nicht zu Einsparungen geführt.

 

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