Kein Meilenstein
Welch eine Überraschung: Europort wird JadeWeserPort-Betreiber
(hk) Tagelang feierte Wilhelmshaven die Benennung der Bremer Firma Eurogate mit Sonderseiten und unzähligen Äußerungen à la: „Ein guter Tag für Wilhelmshaven“ oder „Ein guter Tag für Niedersachsen“ oder „Ein guter Tag für Bremen“ und „Bla bla bla.“ Was die Benennung des Betreibers wirklich bedeutet und wie es um den JadeWeserPort steht, erfragten wir bei Manfred Berger, dem Sprecher der Bürgerinitiative gegen den JadeWeserPort.
Gegenwind: Die Betreibergruppe für den JadeWeserPort wurde jetzt benannt. In Wilhelmshaven wurde diese Tatsache wie Kaisers Geburtstag gefeiert. Was steckt wirklich dahinter? Ist damit der Bau des Containerterminals in trockenen Tüchern?
Manfred Berger, Bürgerinitiative gegen den JadeWeserPort: Absolut nicht. Der eigentliche Bau des Hafens hängt nicht vom Betreiber ab. Zuerst muss der Planfeststellungsbeschluss erlassen werden. Danach muss das Land Niedersachsen 1 Milliarde Euro für den Bau der Hafenfläche zur Verfügung stellen. Erst dann kann der Betreiber mit seiner Investition beginnen.
Warum wurde der Betreiber gerade jetzt ausgewählt? War das eine Zwangsläufigkeit im Planungsablauf?
In der letzten Zeit gibt ziemliche Unruhe in der Bremer Bürgerschaft. Die Abgeordneten wissen, dass die Häfen in Bremerhaven über 100 Millionen Euro Nettoverluste in jedem Jahr einfahren. Hier muss dringend eine Lösung her.
Da nun Eurogate als Betreiber für den JWP ausgewählt wurde, können die Abgeordneten beruhigt werden: Eine Bremer Firma wird Betreiber. Somit zahlt diese Firma ihre Steuern in Bremen. Der Hafen wird aber von Niedersachsen gebaut. Die Verluste durch einen solchen Hafen werden somit von Niedersachen getragen werden müssen. Für uns bedeutet das im Klartext Gewinne nach Bremen – Verluste nach Niedersachsen – da werden wir nicht mitspielen.
Ist Eurogate ein guter Partner? Wäre Rhenus ein besserer gewesen? Oder ist das vollkommen egal?
Dazu können wir leider keine Bewertung abgeben. Wie so häufig in diesem Verfahren wird auch dieser Vertrag mit Eurogate unter Verschluss gehalten. Aber wir arbeiten kräftig daran, den Betreibervertrag zu bekommen. Gleichzeitig laufen noch die Petitionen bei der Europäischen Kommission und beim Niedersächsischen Landtag gegen die Art der Betreiberauswahl. Hier warten wir noch auf eine Entscheidung.
Die BI gegen den JWP wird es auch weiterhin geben?
Natürlich arbeiten wir weiter. Für uns ist die Auswahl des Betreibers kein Meilenstein.
Wie geht es weiter? Welche Möglichkeiten hat die BI noch, welche Schritte wird sie einleiten?
Es geht auf verschiedenen Ebenen weiter: Der Voslapper Groden wird in den nächsten Tagen zum Naturschutzgebiet erklärt. Daraus ergibt sich, dass die Umweltverträglichkeitsuntersuchung des JWP unvollständig ist und nachgearbeitet wird. Ein weiterer Änderungsantrag der Realisierungsgesellschaft wird folgen.
Der angekündigte Änderungsantrag für die Durchführung der Bahntrasse durch den Voslapper Groden mit der Lärmschutzwand für die Rohrdommel steht noch aus.
Alle Änderungsanträge müssen in einem gemeinsamen Erörterungstermin behandelt werden. Die ordnungsgemäße Abarbeitung ist Voraussetzung für den Planfeststellungsbeschluss.
Der Bebauungsplan 76 (Naherholungsgebiet Geniusbank) ist rechtswidrig vom Rat der Stadt aufgehoben worden. Wir arbeiten an einem Normenkontrollverfahren, um diese Aufhebung rückgängig zu machen.
Weiterhin werden wir das anstehende Verfahren aufmerksam beobachten und auf jeden handwerklichen Fehler aufmerksam machen.
Obwohl kaum jemand an die immer wieder genannten hohen Arbeitsplatzzahlen glaubt, spielen diese auch jetzt wieder eine herausragende Rolle. Eurogate will hier nicht nur den reinen Umschlag betreiben, sondern auch anderweitig aktiv werden – und damit bis zu 2.000 Arbeitsplätze schaffen. Was bedeutet das?
Diese angekündigte Anzahl von Arbeitsplätzen ist wieder einmal eine mathematische Spielerei ohne gesicherten Hintergrund. Wir warten erst einmal auf den Betreibervertrag; der wird hoffentlich Auskunft über das Arbeitsplatzmodell geben. Aber ich erinnere daran, dass 1999 noch 10.000 Arbeitsplätze hier entstehen sollten – nun sind es nur noch 2.000. Wir werden hier Stück für Stück an eine realistische Zahl von ca. 100 Arbeitsplätzen herangeführt.
Eurogate spricht auch für den Hafenbetrieb von weit mehr Arbeitsplätzen, als es die BI in der Vergangenheit getan hat. Müsst ihr eure Angaben da revidieren?
Die Anzahl der Arbeitsplätze hängt sehr stark von dem verwendeten Betriebssystem innerhalb das Hafens ab. Wir wissen immer noch nicht, welches System zur Anwendung kommt. Solange hier noch keine glaubhaften Informationen vorliegen, werden wir von einem vollautomatischen System ausgehen. Nur damit ist es möglich, annähernd an die Umschlagmenge von 2,7 Mio. TEU heranzukommen. Erst wenn Eurogate „Butter bei die Fische gibt“ werden wir unsere Prognosen erneut durchrechnen.
Während die Arbeitsplatzprognosen bescheidener werden, steigen erwartungsgemäß die Kostenschätzungen: Die JWP-Infrastruktur sollte laut nds. Wirtschaftsministerium („Letter of Intent“ vom 06.11.2002) 448,6 Mio. Euro kosten. Im Dezember 2002 (siehe Gegenwind 185) rechneten wir schon mit 1.451 Mio. Euro Bruttokosten – also inkl. Schuldendienst. Woraus setzen sich die jetzigen Kostenschätzungen von 900 bzw. 950 Mio. Euro zusammen? Was kommt an Kosten auf Stadt, Land, Bund zu?
Der Bund wird den geringsten Anteil tragen. Die Kostenübernahme für die Verlegung der Fahrrinne hat Berlin bereits abgelehnt. Inwieweit der Bund Kosten für die Ertüchtigung der Bahnstrecke übernimmt, ist zur Zeit nicht absehbar. Die Verlängerung der Autobahn A29 bis in den Hafen wird wohl der Bund übernehmen.
Das Land wird den Löwenanteil übernehmen müssen. Die offiziellen Zahlen für den reinen Hafenbau liegen bei ca. 650 Mio. Euro. Es kommen aber noch die Ausgleichsmaßnahmen hinzu. Die Kosten für die Einwänder (Niedersachsenbrücke, E.ON usw.) müssen auch übernommen werden. Die allgemeine Teuerungsrate ist hier noch nicht eingerechnet. Wir rechnen mit ca. 1 Milliarde Euro für das Land Niedersachsen.
Die Stadt wird für die kommunalen Planungskosten aufkommen. Das Fachpersonal der Stadt ist so mit den Planungen im Rahmen des JWP beschäftigt, dass andere Aufgaben kaum noch erledigt werden können. Wir werden diese Folgeschäden erst in mehreren Jahren bemerken.
Wir hatten in unseren Berechnungen von 2002 den Zinsdienst bereits mit einbezogen. Gilt das auch für die von dir genannte Summe von 1 Milliarde Euro für Niedersachsen?
Nein, die Zinsbelastung ist in unserer Rechnung nicht enthalten. Zur Zeit gehen wir davon aus, dass der JWP aus dem laufenden Landeshaushalt bezahlt wird. Dieses Versprechen hat Ministerpräsident Wulff kurz nach seinem Amtsantritt gegeben. Wie er das in der heutigen Haushaltslage schaffen will, ist mir nicht klar – aber Versprechen ist Versprechen.
Sollte der JWP über Kredite finanziert werden, müssen wir davon ausgehen, dass sich die realen Kosten auf ca. 2,8 Milliarden Euro in den nächsten 38 Jahren belaufen.
Die Entscheidung für den JWP ist nach unseren Recherchen auf der Grundlage falscher Daten, die zum Teil sogar von renommierten Gutachtern (hier Berger [nicht Manfred Berger von der Bürgerinitiative, sondern Roland aus München]) manifestiert wurden, gefallen. Kannst du uns da mal die Hauptdiskrepanzen benennen?
Die Umschlagprognosen stimmen nicht mehr mit der Realität überein. Der Anteil des Feederverkehres steigt immer weiter. Damit haben wir augenscheinlich eine höhere Umschlagsrate, ohne einen Container mehr umzuschlagen.
Über eine Hafenerweiterung will man (aus politischen Gründen) nicht mehr reden. Wenn es aber keine Hafenerweiterung gibt, ist Cuxhaven deutlich billiger zu haben. Die von der Gutachterfirma Berger genannte JWP-Kailänge von ca. 10 km gab den wesentlichen Ausschlag für Wilhelmshaven. Die Fa. Berger selbst hat sich allerdings von den ihr für das Gutachten zur Verfügung gestellten Angaben von jeglicher Verantwortung mit der Generalklausel freigezeichnet, dass sie die nicht nachgeprüft habe. So wurde eine irreführende Angabe aus dem Propagandaarsenal der Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung zum Ausschlag gebenden Teil des vergleichenden Gutachtens zwischen Cuxhaven und Wilhelmshaven.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Goldene Kalb
Das Ruder konnte rum gerissen werden – Wilhelmshaven steuert jetzt in eine großartige Zukunft. Diesen Eindruck versuchen die Damen und Herren aus allerlei Verwaltungsgremien und politischen und wirtschaftlichen Lobbyverbänden mit Nachdruck zu vermitteln. Es erübrigt sich, die unzähligen Sprüche der mehr oder weniger wichtigen Menschen nochmals zu veröffentlichen. Sie sind uns allen bis zum Erbrechen bekannt.
Hier scheint etwas mit einer Geschwindigkeit in Gang zu kommen, dass einem schwindelig wird: Ein belgischer Stromkonzern will ein neues Kraftwerk auf dem Rüstersieler Groden bauen, e-on möchte einen weiteren Kraftwerksblock bauen, über die Niedersachsenbrücke sollen zusätzliche Kohlemengen für Kraftwerke im Hinterland angelandet werden.
Das Freizeitgartengelände Schleuseninsel soll für die Ansiedlung von Gewerbe platt gemacht werden, die Hafentorbrücke soll die Schleuseninsel mit den Grodenflächen verbinden.
Dann soll da noch ein Containerhafen entstehen, die neuen Herren der Wilhelmshavener Raffinerie wollen ihren Betrieb kräftig erweitern, Ineos plant den Bau eines neuen Chlorgaswerkes und eines Crackers und möchte gerne mit Pipelines in alle Himmelsrichtungen und für alle Stoffe versorgt werden.
In der äußersten Ecke des Wilhelmshavener Stadtgebietes will die Deutsche Flüssigerdgas Terminal Gesellschaft (dftg) tiefgekühltes Gas erwärmen und ins Versorgungsnetz einspeisen.
Dafür soll nicht nur der Autobahnanschluss an die Grodenflächen, sondern auch noch eine Küstenautobahn von der Elbe bis nach Westerstede gebaut werden.
Auch um die Bahnanbindung Wilhelmshavens steht es nicht zum Besten.
Schon kommen aus der Verwaltung die ersten Hilferufe, dass man dort der Flut von Anträgen nicht gewachsen sein wird. Auch die Umweltverbände sind hier völlig überfordert und es steht zu befürchten, dass so manche Gefahrenquelle den Augen der Umweltschützer verborgen bleibt.
Doch in Wilhelmshaven träumt man den Traum irgendwann einmal eine aufstrebende und schuldenfreie Stadt zu sein.
Von daher schickt es sich in Wilhelmshaven auch nicht, diese Pläne zu hinterfragen. Von den Ratsparteien CDU, SPD, FDP und Grünen wird niemand es wagen, abweichende Gedanken zu äußern. Die BASU, dieses Konstrukt aus dem WALLI-Abtrünnigen Joachim Tjaden und den beiden CDU-Dissidenten Ender und Homann, wird das Goldene Kalb auch nicht schlachten können, zumal es kaum noch Projekte geben wird, bei denen dem Rat der Stadt eine wichtige Entscheidungsfunktion zukommen wird.
Der Tanz um das Goldene Kalb wird wohl noch eine ganze Zeit weiter gehen und noch wahnsinnigere Blüten treiben, als es heute schon der Fall ist. In welcher anderen Stadt wäre es möglich, dass ein Bäcker seinen Bürgern ein Containerbrot anbietet? In welcher anderen Stadt würde ein Containerkran als Ausstellungsobjekt beim Museum seinen Standort finden? In welcher Stadt würden an allen möglichen und unmöglichen Ecken Container stehen, die auf eine Ausstellung hinweisen? Es gibt Containerschiffe als Schlüsselanhänger; Hotels und Restaurants heißen plötzlich „JadeWeserPort“….. Das alles sind die Altäre und Standbilder der neuen Götzenverehrung mit dem Namen JadeWeserPort.
Und so wie die israelischen Frauen ihren gesamten Goldschmuck opferten und einschmelzen ließen, um das Goldene Kalb entstehen zu lassen, werden die Hafenpläne Milliarde um Milliarde aus den Steuern der Bürger verschlingen und letztendlich außer der Zerstörung der Umwelt keinerlei Folgen zeigen. Es sei denn…
Hannes Klöpper
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