Ackis Rundschlag
Apr 272006
 

Ackis rundschlag

Viereinhalb Jahre

im Rat der Stadt oder „Es gibt sie doch noch!“

55 Monate haben wir nicht viel gehört von unseren gewählten politischen Vertretern. Doch es gibt sie noch, die 45 Ratsvertreter der Stadt.

Allerorts beschwören sie Bürgernähe. SPD- und CDU-Vertreter geben sich in den Clubräumen der Gaststätten praktisch die Klinke in die Hand.
Ja, so sollte Politik vor Ort tatsächlich gemacht werden – mit den Bürgern, für die Bürger.
Das Themenspektrum lässt kaum noch Wünsche offen. Vogelgrippe, Jugendarbeit, Schulen, Lärmschutz, Freizeitgebiete, Industrieansiedlung, Nahversorgung, Radwege und vieles mehr.
Vollmundig preisen sie ihre glorreichen Taten der letzten Jahre und versuchen die Bürger doch tatsächlich glauben zu machen, dass sie all diese Themen zum Wohle der Bürger bearbeitet haben.
Der interessierte Bürger wird aber das Gefühl nicht los, als hätte er das alles schon einmal gehört. „Es geht steil aufwärts in Wilhelmshaven“, hallt es durch die Mikrofone. „Tausende Arbeitsplätze entstehen“. „Wir werden viele junge Familien nach Wilhelmshaven holen“. „Schulen werden saniert, Radwege gebaut, Freizeitanlagen, Spielplätze, Frei- und Hallenbäder aufgewertet“.
Egal, welche Wünsche die Bürger auch äußern, sie werden erfüllt!

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Vor fünf Jahren saßen sie auch vor den Bürgern, die Damen und Herren der Politik, und versprachen das Blaue vom Himmel. Sprachen von Bürgernähe, Transparenz, und Aufschwung, wenn nur das Kreuz an der richtigen Stelle gemacht wird.
Und die Bürger haben 2001, wie schon so viele Jahre zuvor, ihr Kreuz gemacht. Im Glauben an die Versprechungen ihrer zukünftigen Vertreter.
Nun soll der Glaube ja Berge versetzen. Was der Glaube jedoch nicht macht, er bringt Politiker nicht dazu, Versprechen tatsächlich zu halten.
Nun werden viele Bürger sagen, wir haben diese Ratsvertreter gar nicht gewählt. Bei knapp 50% der Wilhelmshavener Wahlberechtigten stimmt das auch. Sie gingen nicht zur Wahl und wählten damit aber doch. Sie wählten den Weg, andere entscheiden zu lassen, wer die Geschicke der Stadt lenken und leiten soll. Sie, die Nichtwähler, haben schlussendlich ebensoviel zur Zusammensetzung des Wilhelmshavener Stadtrates beigetragen wie diejenigen Bürger, die tatsächlich zur Kommunalwahl 2001 gingen.
55 Monate sind seit dieser Wahl vergangen. 55 Monate ohne Aufschwung, ohne tatsächlich erfolgte positive Veränderungen. Noch mehr Schulden, noch mehr Insolvenzen, noch mehr leer stehende Wohnungen und Geschäfte.
Fragt man seine Ratsvertreter einmal persönlich, warum bestimmte Entscheidungen so und nicht anders getroffen wurden, verstecken sie sich hinter Fraktionszwängen, den erdrückenden städtischen Schulden oder aber hinter übergeordneten Entscheidungen in Land und Bund.
Natürlich befindet sich Wilhelmshaven in einer Zwickmühle aus Einwohnerrückgang, geringeren Einnahmen und erdrückenden Schulden. Natürlich muss auch in Wilhelmshaven gespart werden. Natürlich kann der Rat der Stadt nicht alle Wünsche der Bürger erfüllen.
Aber die sicherlich erforderlichen Sparprogramme müssen ausgewogen und nachvollziehbar sein. Wir leisten uns 45 Ratsvertreter, 2 Bürgermeisterinnen, Ausschüsse ohne Aufgaben, externe Berater und unzählige Aufsichträte. Über 40 Gesellschaften arbeiten mit den Steuergeldern der Bürger, ohne dass hier eine ausreichende Kontrolle durch die politischen Vertreter stattfindet, stattfinden kann.
Aus den großen Fraktionen von SPD und CDU sind auch in Zukunft keine Entscheidungen über Verkleinerung des Rates, Zusammenlegung von Ausschüssen oder gar die Prüfung der Gesellschaften zu erwarten. Würde dies doch immer mit dem Verlust von Posten einhergehen – Posten, für die Gelder kassiert werden, Posten (z.B. 2. Bürgermeisterin), die als Verhandlungsmasse für Mehrheitsbildungen (SPD/Grüne) benötigt werden.
Da spart man – SPD/Grüne/CDU – lieber bei Stadttheater, Kunsthalle, Volkhochschule, botanischem Garten, Bücherbus oder Mütterzentrum, um nur einige zu nennen.
Da steckt man lieber erhebliche Gelder in Hafentorbrücke, Nordgleis oder die Öffnung der 1. Einfahrt. Man plant die Bebbauung der Schleuseninsel, schließt ersatzlos Campingplatz und Geniusstrand.
Viele dieser Fehlentscheidungen der letzten Jahre sind in Unkenntnis der Tatsachen erfolgt. Es gibt nicht so viele Ratsvertreter, die vor der Abstimmung tatsächlich die Unterlagen gelesen haben oder sich gar bei Fachleuten schlau gemacht haben.
Gute Beispiele aus den letzten Wochen sind dabei die Ansiedlungsplanungen eines Kraftwerkes, eines Massenschüttgutlagers oder eines Elektrogeräteentsorgers. Zu all diesen Themen gab es Informationsgespräche mit den zuständigen Firmen. Nur Ratsvertreter habe ich, und ich war vor Ort, nicht gesehen. Warum sollten sie sich auch die Zeit für solche Informationsveranstaltungen nehmen? Dafür werden schließlich auch keine Sitzungsgelder bezahlt, und nur, was auch bezahlt wird, ist für den ehrenamtlichen Ratsvertreter interessant?!
Sicher, es gibt/gäbe Ausnahmen! Leider äußern diese ihre Meinung nur hinter verschlossenen Türen.
Viele werden mir jetzt vorwerfen, ich würde alles nur schlecht machen, immer nur dagegen sein. Wer das unbedingt so sehen will…
Ich habe eine klare, eindeutige Meinung, wie Ratsarbeit aussehen sollte. Ganz sicher ist Ratsarbeit nicht:

  • nur fürs Protokoll zu reden,
  • gegen seine Überzeugung abzustimmen,
  • die Fahne immer in den Wind drehen,

Joachim Tjaden

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