Energie + Stadtwerke
Apr 272006
 

Energie der Zukunft

Womit sollen Wilhelmshavener Busse in Zukunft betankt werden?

(jes) Kriege wurden und werden geführt, um die Verfügbarkeit des „Treibstoffs des freien Westens“ sicherzustellen. Es ist an der Zeit, unseren Umgang mit dem beliebtesten Rohstoff der Welt, unseren Umgang mit dem „schwarzen Gold“, welches von Bohrtürmen in den arabischen Wüsten oder in der Nordsee ans Tageslicht gefördert wird, zu hinterfragen. Die Kapazitäten dieses fossilen Brennstoffes werden in den nächsten Jahrzehnten ihr Ende erreicht haben.

Die Frage nach einer Alternative zum Erdöl wird (glücklicherweise) immer dringlicher. Der von Rudolf Diesel im Jahre 1900 entwickelte Motor nutzte bereits eine andere Möglichkeit, denn das erste Dieselfahrzeug lief mit Erdnussöl. Heute gibt es viele fortschrittliche Gedanken und Entwicklungen, um das Mineralöl zu ersetzen.
Durchaus vorzeigbare Projekte liefern hierbei einige Regional- und Nahverkehrgesellschaften wie unter anderem der Hamburger Hochbahn- Verkehrsbetrieb mit seinen seit 2 Jahren laufenden Tests mit Wasserstoffbussen oder die oldenburgische Verkehr- und Wasser GmbH (VWG) mit ihrem im November letzten Jahres begonnenen Erdgas-Projekt im Nahverkehr.
Da stellt sich natürlich die Frage, ob ein solches Projekt auch bei den Wilhelmshavener Stadtwerken umzusetzen wäre.

Erdgas?

Wenn wir Oldenburg als Vorreiter der mit Erdgas betriebenen Busse betrachten, müssen wir leider feststellen, dass dasselbe in Wilhelmshaven auf Grund unserer vorhandenen (oder auch nicht vorhandenen) Kapazitäten realistisch gesehen nicht möglich ist. Gegen eine Umstrukturierung des Wilhelmshavener Busparks spricht leider einiges.
Erdgasbusse haben im Grunde Benzinmotoren, und im Gegensatz zu PKW sind sie monovalent. Das heißt, man kann nicht von Erdgas auf einen anderen Treibstoff umstellen. Was auch bedeutet, dass man einen Bus nicht auf Erdgas umrüsten kann. Es müssten also neue Fahrzeuge gekauft werden. Doch die sind zum einen sehr teurer und lassen sich zum anderen sehr schwer wieder verkaufen.
So sitzt Mercedes z.B. derzeit auf 50 fabrikneuen Bussen. Wie sollte dann ein 10 Jahre altes Erdgas-Fahrzeug, bei voranschreitender technologischer Entwicklung, wieder zu verkaufen sein? Ein weiteres Hindernis ist, dass die Reichweite von Erdgasfahrzeugen nicht der eines Dieselbusses entspricht.
Das Scheitern der Umsetzung eines solchen Projektes liegt hierbei nicht nur an den Fahrzeugen selbst, sondern auch daran, dass der gesamte finanzielle Aufwand für unsere Stadt mit ihren 29 Bussen sehr groß wäre. Die Schulung der Mitarbeiter und die Umrüstung der Werkstatt dürften da noch das kleinere Übel sein, ein großes finanzielles Problem ist aber u.a. die Anschaffung einer Erdgastankstelle, die ca. 1,5 Millionen Euro kostet.
In Oldenburg wurde die Tankstelle von der EWE mitfinanziert, die mit diesem Projekt für sich wirbt. Ob auch die Wilhelmshavener GEW da mitziehen würde?
Des Weiteren ist in den nächsten Jahren mit einem Preisanstieg für den Kraftstoff zu rechnen, da die Verträge und Förderungen (60 Cent pro Liter) in den nächsten Jahren auslaufen. Und zu guter Letzt ist Erdgas auch eine endliche Rohstoffquelle, die irgendwann wieder die Frage nach einer Alternative aufwerfen wird.

Biodiesel?

Um der Umwelt einen kleinen Gefallen zu tun, gibt es noch die Alternative des schadstofffreien Diesels, der hier in der Raffinerie produziert wird (siehe Gegenwind 130).
Paderborn fährt ein erstaunliches Projekt mit seinen Bussen: Wenn man mit diesem Kraftstoff betankten Fahrzeugen bei Vollgas ein weißes Taschentuch an den Auspuff hält, bleibt es weiß.
Dieser Diesel geht aber von unserer Raffinerie lediglich in den Export und wird von Paderborn aus Holland eingekauft. Zudem kostet dieser schwefelfreie Diesel auch noch 10 Cent mehr, und die Busse müssten mit einem speziellen Filter ausgerüstet werden – Kostenpunkt 3000 Euro.
Die Stadtwerke äußerten sich auch aus anderen Gründen zu diesem Lösungsvorschlag negativ, da dieser Kraftstoff nach Aussagen von Herrn Ahlers (Betriebsleiter der Stadtwerke) die Motoren derart verschmieren soll, dass sie davon kaputt gehen und die zusätzlich eingebauten Filter regelmäßig verstopfen.
Dazu ist auch diese Option an die Ölindustrie gekoppelt und nicht ausreichend zukunftsorientiert.

Rapsöl?

Wenn wir wieder zurückkommen zu den Wurzeln des Dieselmotors und an die Betankung mit Pflanzenölen denken, ergeben sich interessante Aspekte. Der Energie-Experte Dr. Ingo Harms hielt in Kooperation mit den Grünen einen Vortrag über die Vor- und Nachteile des Pflanzenöles, besonders über die Betankung mit Rapsöl. Dessen Preis liegt seit einigen Jahren konstant bei 61Cent pro Liter, es müssten keine neuen Fahrzeuge angeschafft werden, da jeder Dieselmotor mit Rapsöl betankt werden kann. Es wären keine neuen Tanksäulen erforderlich, und anders als bei dem schwefelfreien Diesel gab es bislang keine Beobachtungen über das Verschmieren des Motors. Im Gegenteil: Das Glyzerin im Rapsöl unterstützt die Schmierung der Zylinder im Kolben, und durch die höhere Verdichtung schont es zudem den Motor.
Problem(chen): Bei Minusgraden wird Rapsöl härter. Dem kann man durch den Einbau einer Vorheizung entgegenwirken (was mit einem geringen Kostenaufwand verbunden ist), oder man tankt ein wenig Diesel hinzu. Andere Pflanzenöle haben diese Eigenschaft nicht. Pflanzliche Treibstoffe bieten auch ein neues Marktsegment für die Agrarwirtschaft. Zudem sind sie gegenüber dem Diesel weitaus schadstoffärmer, CO2 entsteht bei der Verbrennung gar nicht. Der Nachteil: Es riecht nach Pommesbude und qualmt sehr stark aus dem Auspuff. Aber auch hieran wird schon gearbeitet. Die Uni München untersucht Rapsöl seit 6 Jahren, um einen Reinheitsstandard herzustellen („Weihenstephaner Standard“).
Da es 2000 verschiedene tankbare Pflanzenöle gibt, könnte jede Region auf der Welt sich mit ihrem natürlich vorkommenden Pflanzenöl selbst versorgen.
In Deutschland ist eine beträchtliche Infrastruktur solcher Rapsöl-Tankstellen gegeben, so dass man sich fragen müsste, weshalb nur wenige ihre Fahrzeuge damit betanken.
Die Antwort ist, dass die Automobilindustrie seit Jahrzehnten ihre Hände darauf hält. Denn wenn man einen Motorschaden oder sonstige Mängel an seinem Fahrzeug entdeckt und ausschließlich mit Pflanzenölen getankt hat, verfällt die Garantie und keinerlei Haftung wird vom Hersteller übernommen. Mercedes z.B. gibt vor, dass man sein Fahrzeug mindestens zu 60% mit Diesel betanken muss, um die Garantie in Anspruch nehmen zu können. Dieses Risiko ist unseren Stadtwerken zu groß.

Wasserstoff?

Wasserstoff lässt sich nur mit einem enormen Energieaufwand herstellen; wenn hierfür Atomenergie eingesetzt wird, kann man hier auch nicht mehr von Umweltfreundlichkeit reden.
Aber nichtsdestotrotz fährt Hamburg seit zwei Jahren ein erstaunliches Pilotprojekt. Auf die Idee kam das Hamburger Hochbahn-Verkehrsunternehmen, welches sich sehr stark engagierte, EU-Fördermittel für dieses Projekt zu bekommen. Weil diese zum Jahresende auslaufen, kann das Projekt, obwohl es nur positive Ergebnisse gibt, nicht selbstständig aufrechterhalten werden. Die 9 Busse, die in Hamburg im Linienverkehr eingesetzt sind, wurden eigens für dieses Projekt von Daimler Chrysler konstruiert, die Kosten sind allein noch nicht tragbar, denn diese Wasserstoff-Alternative steckt im Grunde noch in den Kinderschuhen und ist noch nicht marktfähig. Allein die Wasserstofftankstelle kostet auch hier 1,5 Millionen Euro.
Unverständlich ist, dass diese Fördermittel auslaufen, denn eine andere zukunftsorientierte Alternative zum Mineralöl ist noch nicht in Sicht. Weswegen es doch (eigentlich) für jede Regierung wichtig erscheinen sollte, solche Projekte so lange zu begleiten, bis sie sich selbst finanzieren können, und so viel Interesse und Fördermittel zu investieren, dass solche Fahrzeuge ausgereift und marktfähig werden. Aber einerseits doch wieder verständlich, dass solche Projekte nur Projekte bleiben: Was hätte es für globale Auswirkungen für Politik und Wirtschaft, wenn Wasserstoff für alle Fortbewegungsmittel marktfähig wäre? Ein Faden, der besser nicht zu Ende gesponnen werden möchte…
In Hamburg hat man außer dem finanziellen Aufwand bislang keine negativen Erfahrungen mit Wasserstoffbussen gemacht. Deshalb hat sich auch die Berliner Verkehrsgesellschaft um EU-Gelder bemüht und wird ab Juni dieses Jahres 14 Wasserstoffbusse einsetzen. Das Wasserstoffprojekt HyFleet:Cute wird von MAN, Total und Vattenfall begleitet und von der EU innerhalb ihres Forschungsprogramms gefördert. Es handelt sich laut Pressemitteilung der BVG um ein internationales Demonstrationsprojekt für den öffentlichen Nahverkehr in Europa, in dem sich 31 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammengeschlossen haben, um die Wasserstofftechnologie voranzutreiben. Es sollen Antriebskonzepte in Stadtbussen sowie Technologien und Verfahren zur Herstellung und Verteilung von Wasserstoffbussen aufgezeigt werden.
Doch auch dieses Projekt ist lediglich auf eine Dauer von vier Jahren ausgelegt.
Wie unsere Anfrage ergab, besteht bei den Wilhelmshavener Stadtwerken kein besonderer Enthusiasmus, sich ebenfalls um Fördermittel zu bemühen. Unsere Busse werden mit einem schwefelärmeren Krafftstoff betankt, und geplant ist, ein eigens von Mercedes hergestelltes System in unsere Busse einzubauen, welches die neuesten Abgas-Richtlinien der EU schon jetzt übertrifft.
Vorerst werden die Stadtwerke Wilhelmshaven ihre Busse wie gewohnt mit Diesel-Kraftstoff betanken und abwarten, bis jemand mit der für sie perfekten Lösung vor der Tür steht.

  • Falls Sie diese Lösung kennen – bitte bei den Stadtwerken melden

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