Hotelismus
Apr 272006
 

Alles zu seiner Zeit

Neue Entwicklungen bei Vorzeigeprojekten stimmen wenig optimistisch

(iz) Kann hier denn nie mal was glatt über die Bühne gehen? Immer wieder werden Vorzeigeprojekte für die Stadt als der große Durchbruch angekündigt. Gewachsene Strukturen zu zerstören, die dem Neuen weichen müssen, geht auch stets flott von der Hand. Auf die Fertigstellung bzw. damit den damit verbundenen Aufschwung warten hoffnungsvolle BürgerInnen jedoch meistens lange und manchmal auch vergeblich.

Schon einmal musste das Bauschild für das geplante „Holiday-Inn“-Hotel an der Jadestraße aktualisiert werden – der Fertigstellungstermin (geplant war Sommer 2006) wurde um ein Jahr verschoben. Schuld war das (mittlerweile beendete) Gerangel darum, wer die Kosten für die Sanierung des Baugrundes übernimmt, der durch Schweröl – eine Altlast aus dem 2. Weltkrieg – verseucht war. Im Ergebnis blieben dem Investor die 800.000 Euro erspart, der Bund als Verkäufer zahlte.
„Weg für Hotelneubau wird frei gemacht“ ließ die Lokalpresse Mitte Dezember 2005 verlauten. Nun konnte es ja endlich losgehen. Oder? Nach Abschluss der Sanierung wirkte das Gelände ziemlich aufgeräumt, von regem Baubetrieb konnte keine Rede sein, Ende März waren sämtliche Baumaschinen verschwunden. Mitte April wurde der Vorhang des Schweigens gelüftet: Noch vor dem eigentlichen ersten Spatenstich hatte der Investor einen Rückzieher gemacht und das Projekt an die Columbia-Gruppe weiterverkauft.
JadestrDie Columbia-Kette betreibt bundesweit diverse Hotels der gehobenen Klasse und ist vermutlich auch in der Lage, an der Jadestraße einen ansprechenden Bau zu errichten. Nur wird sich das wohl auch bis zu den Sommer-Holidays 2007 kaum verwirklichen lassen. Böse Zungen behaupten, demnächst würde das Bauschild durch ein elektronisches Display ausgetauscht, um tagesaktuell Baufortschritt und –fertigstellung zu dokumentieren. Und viele Ortsansässige stimmen die wechselvollen Entwicklungen deshalb nachdenklich, weil sie kein Einzelfall sind.
Erinnern Sie sich an den geplanten „Dubai-Hotelturm“ am Südstrand? Das erste, was passierte, war, das etablierte Jugendhotel „Seeräuber“ dafür zu schließen. Dieser Teil des denkmalgeschützten Hotelensembles am Südstrand sollte für den Neubau abgerissen werden. Erst dann erfolgte die planungsrechtliche Überprüfung, Kollisionen zwischen hafengebundenem Gewerbe und Wohnraumnutzung zeichneten sich ab. Aus diesen oder anderen Gründen machte der Investor einen Rückzieher. Was blieb, war der wenig repräsentative Leerstand des „Seeräubers“ – an der „maritimen Meile“, dem Aushängeschild unser Stadt. Ein Denk- und Mahnmal verfehlter Stadtplanung.

Hotelismus und Pflasteritis

Nicht nur der „Hotelismus“ prägt unser Wolkenkuckucksheim, auch die „Pflasteritis“ ist im Kommen. Erinnert sei an den Banter Markt. Früher ein öder (Park-)Platz mit desolatem Belag, heute ein öder Platz mit schickem Pflaster, aber ohne jegliche Infrastruktur, die ihn als Kommunikationsraum auszeichnen würde. Der dortige Wochenmarkt, an sich eine prima Idee, ist auf zwei unerschrockene Standbetreiber geschrumpft.
Es folgte die Pflasterung der östlichen Marktstraße mit schickem Granit. Mal abgesehen davon, dass es nicht ganz so schick aussieht, wenn die Planer sich verrechnen und die nachgelieferten Steine einen anderen Farbton aufweisen – wenn beiderseits die Leerstände fluktuieren und allenfalls durch Billigläden gefüllt werden, hat das die gleiche Ästhetik wie ein Seidenkleid mit Filzpantoffeln.
TOP 1 der Hitliste ist momentan der Valoisplatz, der durch eine „maritime Allee“ Richtung Jadestraße verlängert wurde. Zu diesem Zweck wurde die bestehende und viel genutzte Grünanlage zwischen Rhein- und Weserstraße platt gemacht und mit feinem Pflaster versiegelt. Eine Allee ohne Bäume – damit ist man den östlichen Bundesländern, die derzeit systematisch ihre berühmten Allen erst noch abholzen, einen großen Schritt voraus.
Nur am Rande erwähnt sei noch die „Agenturose“. Immer mal wieder wird eine Agentur eingeschaltet, um die Probleme zu lösen, die auch hochkarätige Leute in Rat und Verwaltung allein nicht in den Griff kriegen. Es ist sicher nicht verkehrt, mal etwas Geld in die Hand zu nehmen, um sich einen unverstellten Blick von außen zu leisten. Die Ergebnisse sollten das dann allerdings rechtfertigen. Als nächstes steht in dieser Hinsicht die Neubürgeragentur auf dem Prüfstand.

Zweckpessimismus?

Aber vielleicht kommen die Bäume auf der „maritimen Allee“ ja noch, muss man das Pflaster nur wieder hochnehmen. Wir wollen ja auch nicht alles schlecht machen. Wir wollen auch das Hotel an der Jadestraße nicht tot reden. Wir würden uns, wie alle WilhelmshavenerInnen, freuen, wenn mal eine der aufwändigen Investitionen wirklich den Durchbruch bringen würde. So dass dann auch die Bäume an der Jadestraße nicht umsonst gestorben sind, wie der „Seeräuber“ am Südstrand. Wir versuchen nur zu ergründen (und das sollten unsere Stadtväter und –mütter auch mal tun), wie es denn kommt, dass mit jedem neuen Projekt die Begeisterungsfähigkeit der Bevölkerung nachlässt. Ganz einfach: mit zurückhaltenden Erwartungen sinkt auch die Enttäuschung, wenn wieder mal was im Sande verläuft. Und man kann sich Peinlichkeiten ersparen, wenn man Projekte nicht von vornherein so hoch aufhängt, als seien sie schon so gut wie fertig und der Erfolg vorprogrammiert. Gleichwohl sollten die BürgerInnen regelmäßig über Planungen und deren weitere Entwicklung, Fortschritte wie auch Rückschläge, informiert werden – aber alles zu seiner Zeit.

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