Landesbühne
Nov 082006
 

Der Revolutionär frisst seine Bücher

Landesbühne inszeniert „Dantons Tod“

Sehr viel Text und starke Bilder – so könnte eine vorsichtige Umschreibung der Inszenierung lauten. Was soll ich sagen? Mein Sitznachbar schlief nach der Pause ein. Ich persönlich fand das Stück zäh. Doch weil jede/r andere Erwartungen und kein Kritiker die Objektivität gepachtet hat, halte ich stets mein Ohr ins Publikum. Da war die eine oder die andere schon begeisterter als ich oder hatte sogar Pipi in den Augen vor Ergriffenheit. Und es gab, wenn auch keine stehenden Ovationen, doch anständigen Applaus.

RevolutionBüchners Vorlage setzt erst ein, als die Revolution bereits im Sterben liegt. Da ist es schwierig, die Charaktere durchdringend zu zeichnen, so dass der fehlende Teil der Biografien mitschwingt. Die schweren, dichten Texte laufen Gefahr, zur reinen Rezitation zu verkommen, wenn sie nicht von starken Bildern gestützt werden. So war es auch anfangs, die Darsteller standen noch kaum in ihrer Rolle, erst nach der Warmlaufzeit kam Leben in die Bude. Nur die weiblichen Figuren blieben durchweg blass (Ausnahme: Alicja Rosinski als Mädchen aus dem Volk, und Verena Held legt als Lucile am Ende einen Zahn zu.) Da bleibt aber offen: Ist das nicht gekonnt oder vom Regisseur so gewollt? Auch kleine Bilder können stark sein – so schaffte es Georg D. Tielmann, dem Lacroix mit kleinen Gesten am Rande Leben einzuhauchen, Angst und Irrsinn auch körperlich zu zeigen, bis er am Ende seine Bücher auffrisst.
Eine SchülerInnengruppe meinte am Ende, das sei das Langweiligste, was sie je gesehen hätten. Die Event-verwöhnte Generation für diesen Stoff zu begeistern, ist wirklich hartes Brot. Auf aktuelle Bezüge hat Regisseur Reinhard Friese bewusst verzichtet, doch die Musik ist schon ganz peppig – statt der Marseillaise gibt es Musik von den Dustbrothers und Madrugada – und es lassen sich auch Comic-Elemente als Stilmittel entdecken. Womit wir zu den Stärken der Inszenierung kommen: Das Bühnenbild ist die Wucht. Bedenken, es könnte die Spielfläche erschlagen, haben sich nicht bestätigt, dafür ist es zu plakativ. Den Hintergrund bildet Eugene Delacroix’ berühmtes Revolutionsgemälde „Die Freiheit führt das Volk an“ (im zweiten Teil ausgeblendet zugunsten einer tristen Gefängnismauer). Oberhalb der Rückwand eine Lauffläche – mal Robespierres spartanische Denkfabrik, mal Laufsteg der selbstgefälligen Besserrevolutionäre. Darunter der riesige Bilderrahmen, in dem Straßenszenen ins Bild gesetzt werden – und die sind ein tragendes Element der Inszenierung. Zeitgenössische Szenen aus der Revolutionszeit werden bewusst starr interpretiert, wie Gemälde oder Comics. Der Rahmen trennt das Prekariat von den Revolutionsführern, beide machen sich ein Bild voneinander, das längst nicht mehr die jeweils eigene Realität erreicht. Und es ist, wie der Rahmen, in jedem Fall schief. Ein sehr starkes Bild liefert zum Ende die Leiter, zuvor verbindendes und dann trennendes Element zwischen Dantonisten und Robespierres „Wohlfahrtsausschuss“, jetzt als Guillotine – man muss keine Köpfe rollen lassen, um die Brutalität des Systems darzustellen.
Nach dem albernen Che-Guevara-Stück der letzten Spielzeit bietet „Dantons Tod“ ein erfreuliches und notwendiges Kontrastprogramm. Revolutionäre als lächerliche Popstars zu verunglimpfen, sichert zwar Lachsalven und Schenkelklopfer, trägt aber so gar nicht zur ernsthaften Auseinandersetzung bei. Auch Danton war ein Popstar seiner Zeit, anders kann man die Massen nicht gewinnen, was aber nicht heißt: eine Witzfigur. Da wird die Landesbühne mit dieser eher trockenen und sehr anspruchsvollen Inszenierung ihrem Auftrag schon besser gerecht. Aber schauen Sie selbst.

Weitere Aufführungen im Stadttheater: : Sa, 13.11.2006 / Mi, 29.11.2006 / Di, 19.12. 2006 / Sa, 13.01. 2007 / Do, 25.01 2007, jeweils 20.00 Uhr

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