Ratssplitter
Dez 192006
 

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vom 13. Dezember 2006
eingesackt und ausgepackt von Imke Zwoch

Gesellschaftsspiele

Der Dschungel der städtischen Gesellschaften wird jetzt um zwei weitere aufgeforstet: die Eigenbetriebe „Grundstücke und Gebäude der Stadt Wilhelmshaven“ (GGS) und die „Städtische Datenverarbeitung Wilhelmshaven“ (SDW)

. Vorab muss allerdings der städtische Personalrat angehört werden, was – auf dessen Antrag – sozusagen last minute vorm anstehenden Ratsbeschluss erfolgte. Personalratsvorsitzender Diether Kanth machte deutlich, dass die Personalvertretung die neuen Gesellschaften als überflüssig erachtet. Ab dem 1.1.2007 wird nämlich auch in der öffentlichen Verwaltung das kaufmännische Haushaltsrecht eingeführt. Und es sei nicht nachvollziehbar, so Kanth, warum die Verwaltung weniger effektiv arbeiten sollte als eine Gesellschaft und weshalb die MitarbeiterInnen nach der Umwandlung motivierter sein sollen, wie es die Begründung für den Ratsbeschluss darlegt. Trotz Kanths klarer Worte sprach sich der Rat mit Stimmenmehrheit für die neuen Gesellschaften aus.

„Man duzt sich“

warf Oberbürgermeister Eberhard Menzel mehrfach laut wie süffisant in den Raum, als BASU-Ratsherr Joachim Ender dem Personalratsvorsitzenden inhaltlich beipflichtete und beide sich in ihren Wortbeiträgen mit Vornamen ansprachen. Na und? Die meisten Ratsleute duzen sich untereinander, fraktionsübergreifend, und auch mit bestimmten Verwaltungsmitarbeitern. Fürs Protokoll wird zwar meist die Höflichkeitsform benutzt, aber gelegentlich rutscht auch mal der Vorname des Angesprochenen raus, zumeist, um damit Vertrauen und Übereinstimmung zu demonstrieren. Darf man das etwa nur bei Meinungsäußerungen, die dem OB in den Kram passen? Solche überflüssigen wie peinlichen Bemerkungen sollte er sich künftig besser sparen. 

Eine schöne Bescherung

wollte die LAW armen Kindern in Wilhelmshaven bereiten: Jedes sollte zu Weihnachten 50 Euro von der Stadt erhalten, erklärte Sprecher Johann Janssen. Weil das Fest kurz vor der Tür steht, wurde der Vorschlag als Dringlichkeitsantrag eingebracht. Insgesamt ging es um geschätzte 250.000 Euro.
Zu diskutieren waren nun a) die Dringlichkeit und b) die Sinnhaftigkeit des Antrags. Ersteres ist, laut Rechtsamt, dann der Fall, wenn dadurch „ein Schaden abgewendet“ bzw. bei Nichtbehandlung ein „Nachteil für das allgemeine Wohl“ entsteht. (Aus Sicht der Kinder wäre vermutlich beides gegeben – red). Rechtlich sei solch eine Zuwendung für Bedürftige gar nicht vorgesehen und die Stadt für jene sowieso nicht mehr zuständig. Zudem müsse die Verwaltung dafür erst ein eigenes Auszahlungsverfahren entwickeln. Die Behandlung des Antrags sei also „aus verschiedenen rechtlichen Gründen“ weder nötig noch möglich.
Klar war: Die anderen Fraktionen mussten dem Antrag zumindest vom Grundsatz her beipflichten, um nicht als herzlos zu gelten. Für die SPD ging Sabine Gastmann einen deutlichen Schritt weiter: Sie lobte den Antrag als „zu Recht tollkühn“ – auch wenn die Familienversorgung jetzt Aufgabe des Jobcenters sei, wolle ihre Fraktion sowohl Dringlichkeit als auch Inhalt des Antrags unterstützen.
CDU-Sprecher Günther Reuter fand die Idee „sympathisch“, qualifizierte sie dann aber als „populistisch“ ab. (Dieser Totschlagbegriff wird gern benutzt, wenn andere eine Idee haben, die das Herz der WählerInnen trifft.) Auch er berief sich auf die Zuständigkeit des Bundes, und wenn, dann müsse man ja der Gerechtigkeit wegen auch andere Bedürftige unterstützen, Behinderte, Alte usw. – „das rechnet sich dann leicht auf eine Million Euro hoch“. Klar, wenn man’s drauf anlegt … Abschließend konnte sich Reuter wieder mal eine seiner geliebten Unterstellungen nicht verkneifen: „Herr Janssen ist sicher einer der ersten, der sagt, die Verwaltung ist unfähig“. Zur Sache bitte! 

1670 Jahre zu spät

kam der LAW-Antrag nach Berechnung von Michael Schadewaldt (FDP). Seit dem Jahre 336 n. Chr. sei das Datum des Weihnachtsfestes bekannt. Warum die LAW den Antrag nicht früher eingebracht habe? Die Dringlichkeit konnte er deshalb nicht nachvollziehen.
Abschließend stimmten immerhin 21 Ratsmitglieder für die Annahme des Dringlichkeitsantrages – da fehlten 9 Stimmen an der erforderlichen 2/3-Mehrheit.

Geschichtsklitterung

Am zukünftig ehemaligen Geniusstrand soll eine „JadeWeserPort Info-Box“ aufgestellt werden. Der Voslapper Ratsherr Harms (CDU) sprach sich dafür aus, diese in Form des alten Voslapper Leuchtturms zu gestalten. Wilfrid Adam (SPD) schloss sich an: „Damit ist der Geschichtsschreibung Wilhelmshavens gedient.“ Man war sich sicher, damit den Voslappern ein schönes Geschenk zu machen. LAW-Ratsherr Janssen ist anderer Ansicht: Sowas sei „kitschig“, nachdem man traditionelle Strukturen dort zerschlagen und sich für das Moderne entschieden habe. BASU-Ratsherr Joachim Tjaden teilt die Zweifel. Woraufhin der OB seine Lieblingsplatte zum 324. Mal auflegte: Klar, die BASU wolle den JadeWeserPort nicht, weil sie keine jungen Leute hier haben wolle usw. blabla. Tjaden reagiert vernünftigerweise nicht mehr auf solch unsachlichen Anwürfe. Ender verbat sich, die BASU über einen Kamm zu scheren. (Die BASU-Vertreter sind nicht nur im Detail verschiedener Ansicht, sie dürfen die auch laut formulieren und ohne Fraktionszwang abstimmen. Die LAW übrigens auch).
Zurück zu Janssen: Denkmalfachleute werden ihm vermutlich zustimmen (ich übrigens auch – die Verf.), dass der Nachbau eines Denkmals, erst Recht in diesem Kontext, Kitsch ist. Das ist so wie eine Neuschwanstein-Replik in Tsingtau, Disneyworld am Watt. Mit den veranschlagten Baukosten von einer Mio. Euro würde man da auch lange nicht hinkommen. Sein LAW-Kollege Gerold Tholen ergänzte noch, er sei nicht gegen die Infobox, aber gegen eine städtische Beteiligung daran – das sei Sache der beteiligten Firmen (da hat er recht ). Womit wir beim nächsten Thema wären:

Geld spielt keine Rolle

Für die Infobox wird zunächst (wieder mal) eine Gesellschaft gegründet, die „JadeWeserPort Infobox GmbH“, mit einem Stammkapital von 70.000 Euro. Die Hälfte gibt das Land Niedersachsen, allein 15.000 Euro die Stadt und den Rest die Landkreise Friesland, Wittmund und Wesermarsch. Jetzt kommt’s aber dicke: Für die Baukosten schießt das Land 245.000 Euro zu, die Stadt 105.000 Euro und die Landkreise 140.000. Weitere 500.000 kommen aus öffentlichen Fördertöpfen. Und wo bleibt, bitte, Eurogate als Betreiber des geplanten Containerterminals, für das dort geworben wird? Und warum spricht hier keiner von der verhängten Haushaltssperre, die z. B. Reuter als Hindernis anführte, als es um das von der LAW geplante Weihnachtsgeschenk an arme Kinder ging? 
Damit nicht genug: Die „Flugplatzgesellschaft Wilhelmshaven-Friesland mbH“ kriegt von der Stadt auch noch 295.000 Euro geschenkt. Begründung: Bisher ist in Mariensiel nur ein Sichtanflug möglich, jetzt soll ein Instrumentenan- und abflugverfahren eingerichtet werden. Das „dient der Wirtschaftsförderung, da sich dadurch die Attraktivität des Flugplatzes für Geschäftsreisende und Investoren erhöhen wird.“ Aha. Das Ganze läuft unter „Daseinsvorsorge der Gemeinde“. Wunderbar: Wir betreiben Daseinsvorsorge für gut verdienende Geschäftsleute, aber nicht für arme Kinder in der Stadt. Frohe Weihnachten. Auch wenn die Abwicklung der Weihnachtsgabe tatsächlich nicht so einfach gewesen wäre – dass das dermaßen totgeredet wurde, während hier mal eben Beträge genehmigt werden, die (alle aufsummiert) für 8300 Kinder gereicht hätten, spricht Bände. 

Geschenkt

hat uns der Rat einen städtischen Fahrradbeauftragten. Carsten Henze wird in den kommenden 5 Jahren alle vertreten, die sich umwelt- und gesundheitsbewusst auf zwei Rädern durch die Stadt bewegen. Henze (bzw. sein Vertreter Ferdinand Heimbuch) wird den „Runden Tisch Radverkehr“ leiten, an dem sich Verkehrsplaner, Straßenbauer und „bedarfsweise“ Vertreter von Schulen, Behinderten, Bürgervereinen etc. zusammenfinden. Im Bauausschuss hat der Fahrradbeauftragte beratende Stimme. Als Vorstandsmitglied im örtlichen ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub) sind Herrn Henze die erforderliche Sachkenntnis und Motivation zuzutrauen. Für diese ehrenamtliche Tätigkeit erhält Herr Henze eine jährliche Entschädigung von 300 Euro. Wir wünschen ihm viel Erfolg und Durchsetzungsvermögen bei dieser wichtigen Aufgabe! 

Wunschkandidat wider Willen

Anfang 2007 gründet die Stadt zusammen mit den Landkreisen Friesland, Wittmund und Wesermarsch den Zweckverband „Veterinäramt JadeWeser“. Als Vertreter für dessen Verbandsversammlung schlug die bunte Ratsmehrheit den grünen Bürgermeister Werner Biehl vor und als Stellvertreter Landwirt Heinz Weerda (CDU). Für die SPD ist jedoch Letzterer „der einzige Fachmann im Rat“ und damit Spitzenkandidat für diesen Posten. Obwohl Reuter erläuterte, dass die Reihenfolge in seiner Fraktion so abgestimmt sei, insistierte Neumann. Erst als Weerda selbst deutlich erklärte: „Ich stehe nicht für eine Abstimmung (als Hauptvertreter) zur Verfügung!“, gab die SPD klein bei. Offen bleibt, ob die SPD Herrn Biehl wirklich aus fachlichen Gründen ablehnte. Laut Verbandssatzung geht es dort nicht nur um Aufgaben des Veterinärwesens, sondern auch des gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Und da wird sich ein altgedienter Grüner schon engagiert und sachkundig einbringen.

Geht doch

Auf der konstituierenden Ratssitzung hatte es Ärger um die Vertreter im Verwaltungsrat der Sparkasse gegeben. Die „Jamaica“-Gruppe hatte ihren Vorschlag, den Vorsitz Jörn Felbier (CDU) zu übertragen, durchgebracht. Bisher war das immer der Oberbürgermeister gewesen, weshalb die SPD nicht nur großen Unmut zum Ausdruck gebracht, sondern bockig die Wahl weiterer Vertreter torpediert hatte. Es dürfen nämlich insgesamt nur drei weitere Ratsmitglieder in dieses Gremium, und als die SPD gleich drei aus ihren Reihen vorschlug, zeigten die anderen Fraktionen sich natürlich stur. Jetzt, im zweiten Anlauf, hielten sich alle brav an die paritätische Verteilung. Das Thema „Felbier als Vorsitzender“ wurde allerdings nicht erneut aufgegriffen – seine Wahl hat Bestand.

Sonnenwende

Interessiert zeigt sich die SPD seit Neuestem am Thema „Solarenergie“ und erkundigte sich nun bei der Verwaltung: Ob städtische Dächer schon auf ihre Eignung für Photovoltaik-Anlagen geprüft wurden? Und ob es schon konkrete Planungen dazu gibt? Auch dazu, diese Energieform bei Privaten zu propagieren? Dazu Stadtrat Jens Graul: Als „Acapulco des Nordens“ sei unsere Stadt grundsätzlich für die Nutzung von Sonnenergie geeignet. 2006 wurden zwei Projekte geprüft: Das Dach der Herbartschule sei grundsätzlich geeignet, aber es sei nicht 100% nach Süden ausgerichtet (geringere Effizienz) und soll in 10-15 Jahren erneuert werden – dann müsste man die Anlage wieder abbauen. Fazit: Lohnt sich gerade nicht. Bei anderen Schulgebäuden mit Satteldach soll die Installation von Photovoltaik geprüft werden, wenn ohnehin eine Dacherneuerung ansteht. Zehn städtische Gebäudedächer hätten eine ausreichend günstige Position.
Das Flachdach der BBS (Friedenstr.) wurde 2006 erneuert, dort müsste man die Kollektoren allerdings aufständern (zusätzliche Investitionskosten). 138.000 Euro wären noch wirtschaftlich gewesen, die Erträge für die Einspeisung ins Netz eingerechnet, aber die errechneten 153.000 Euro seien nicht mehr wirtschaftlich. (Nun ja, 15.000 Euro mehr für eine Pilotanlage, die auch Privaten als Vorbild und Ansporn dient, könnte man schon als gelungene Investition verbuchen – die Verf.)
Mit berechtigtem Stolz berichtete Graul über die große Anlage auf dem Dach des Reinhard-Nieter-Krankenhaus. (Finden wir auch klasse – aber läuft das RNK, wenn es um andere Infos geht, nicht unter private Betreibergesellschaft?)
Jedenfalls will die Stadt die Nutzungsmöglichkeiten für ihre Dächer „erneut und ernsthaft untersuchen“. Was die Beratung privater Haushalte und der Wirtschaft angeht, habe man sich mit dem Landkreis Friesland der Kampagne „solar lokal“ abgesprochen.
Was leider außen vor blieb, war die Nutzung von Wärmekollektoren für Heizung und Warmwasser. Die kosten nämlich im Vergleich zur Photovoltaik nen Appel und n’Ei. Die Investitionen für solare Stromerzeugung lassen manchen Immobilienbesitzer zurückschrecken, aber wer sich eine neue Heizungsanlage kauft, kriegt die Warmwasser-Erzeuger dazu beinahe geschenkt und wäre dumm, sie nicht anzuschaffen. Hier besteht noch viel Potenzial und Beratungsbedarf. Wie wäre es, jedem Häuslebauer automatisch ein Infoblatt zukommen zu lassen? Da würde sich auch das hiesige Installationshandwerk freuen.

Zum Beispiel

sollen jetzt an der Kirchreihe, im Abschnitt westlich der Friedrich-Paffrath-Straße, brachliegende Grundstücke bebaut werden. Um, so Ratsvorsitzender Norbert Schmidt, die Bebauung innerstädtisch zu verdichten, statt sich weiter ins Umland auszubreiten. Da könnte man die Dächer gleich in sonnenfreundlicher Ausrichtung planen, oder? Was aus ökologischer Sicht noch zu beachten wäre: Die Kirchreihe ist bislang für Radfahrer sehr attraktiv – schön grün, schön breit und ziemlich ruhig zieht sich dieser traumhafte Radweg quer durch die Stadt. Und ist, so Horst Radmer (FDP), auch Teil eines internationalen Radfernwanderweges. Man sollte bei der Anbindung der Neubauten darauf achten, diese wichtige Funktion zu erhalten und auch den schönen Gehölzbestand schonen.

Fortsetzung folgt

Am 1.11. hatte die Ratsmehrheit folgende Ergänzung der Hauptsatzung beschlossen: „Auf Verlangen des Rates führt der OB eine Einwohnerversammlung durch.“ Bis dahin lag dieses Recht allein beim Stadtoberhaupt. Die Verwaltung hielt die Änderung für rechtswidrig, holte sich Beistand von der Kommunalaufsicht und gab dem Rat am 29.11. Gelegenheit, den Beschluss wieder aufzuheben. Was der nicht tat. Der OB legte dann formal Einspruch gegen den Beschluss ein, wodurch ein erneuter Ratsbeschluss zu dieser Angelegenheit fällig wurde. Erneut entschied jetzt die Ratsmehrheit, am Beschluss vom 1.11. festzuhalten. Nun wird der OB sich wieder an die Kommunalaufsicht wenden…

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