Arbeitslose initiativ
Feb. 282007
 

Wie man sogar einen Stein ausquetschen kann

Gesetzliche Neuregelungen nehmen denen, die eh schon kaum etwas haben, noch mehr weg

(noa) Hartz IV, die viel gepriesene Arbeitsmarkt“reform“, belebt tatsächlich den Arbeitsmarkt. Allerdings, wie sich immer deutlicher herausstellt, stark begrenzt auf ein einziges Berufsfeld: Das Gesetz ist ein gigantisches Beschäftigungsprogramm für die Sozialgerichte.


Logo ALISo berichtete Günther Kraemmer in seiner Begrüßung der BesucherInnen der Februar-Monatsversammlung der Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven/Friesland. Und er paraphrasierte einen Kabarettisten, der bemerkt hatte, dass diese große „Reform“ nach dem größten Puffgänger Deutschlands benannt sei. Deshalb gebe es Bestrebungen, dem Gesetz einen neuen Namen zu geben – völlig überflüssig, fand Kraemmer, der Name sei doch passend.
Und noch eine Hartz IV-Blüte erzählte er: In Löbau (Sachsen) hat eine Wohnungsbaugesellschaft offensichtlich falsch geplant und bietet „zu große“ Wohnungen für Alg II-Bedarfsgemeinschaften an. Damit sie ihre Mieter nicht verliert, hat sie etwa 100 Bedarfsgemeinschaften je ein Zimmer weggenommen. „Einmal im Monat schickt die Gesellschaft angeblich eine Mitarbeiterin durchs Viertel, um nachzuschauen, ob wirklich alle ausgemusterten Zimmer leer sind“, heißt es im Artikel „Lüften erlaubt, Wohnen verboten“ in der Frankfurter Rundschau vom 7. Februar. Damit es nicht zu muffen beginnt, verfügen die Mieter weiterhin über Schlüssel zu den abgetrennten Zimmern und betreten sie zum regelmäßigen Lüften.
Dann war allerdings der heitere Teil der Versammlung schon vorbei, denn nach der Begrüßung ging es um die „Weiterentwicklung von Hartz IV“, und „Weiterentwicklung“ heißt: Neuregelungen, die die Situation der Betroffenen weiter verschlechtern. Das ist erstens trocken und zweitens größtenteils nicht lustig. So hat der Gesetzgeber sich zum 01.01.2007 etwas einfallen lassen, „um ungerechtfertigten Leistungsbezug bei Alg II-Empfängern zu verhindern“: Bei der ersten Pflichtverletzung (z.B. einem Nachlassen in dem vergeblichen Bemühen, Arbeit zu finden, Verweigerung der Annahme eines 1-€-Jobs o.ä.) erfolgt eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 30 % für drei Monate, bei der zweiten Pflichtverletzung um 60 %. Nach jeder weiteren Pflichtverletzung wird das Alg II völlig gestrichen. Bei jugendlichen Arbeitlosen kann sogar die Zahlung der Kosten der Unterkunft eingestellt werden, wenn sie nicht tun, was die ARGE von ihnen verlangt.
Und auch in einer anderen Hinsicht wird die Macht der ARGEn vergrößert: Sie können jetzt wie vorher nur die Bundesagentur für Arbeit und die Zollbehörden Ordnungswidrigkeiten verfolgen und ahnden.
Eine weitere Einsparung zu Lasten der Langzeitarbeitslosen, die diese im Moment gar nicht bemerken werden: Der Beitrag für die gesetzliche Rentenversicherung wurde von 78 € auf 40 € gesenkt. Da die Rente, die man nach mehrjährigem Bezug von Alg II zu beanspruchen hat, ohnehin nicht zum Leben reicht und viele der Betroffenen zusätzlich Grundsicherung werden beantragen müssen, scheint das nicht so schlimm zu sein. Tatsächlich senkt es jedoch die Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung und damit die Rente für alle.
Einer kleinen Gruppe von Alg II-Empfängern wird seit dem 01.01.07 Geld weggenommen, denen nämlich, die Pflegekinder betreuen und damit ihr Alg II ein bisschen aufbessern. Ab dem dritten Pflegekind wird das Pflegegeld als Einkommen gewertet und auf das Alg II angerechnet; beim dritten Kind zu 75 %, ab dem vierten Kind in voller Höhe.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie es dem Gesetzgeber gelingt, sogar einen Stein auszuquetschen!

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