Hartz IV und Recht
Feb 282007
 

Logo HartzIV und Recht

Es gibt zwei ziemlich aktuelle Gerichtsentscheidungen, die vermutlich auch für einige Wilhelmshavener Erwerbslose interessant sind.

Stromabschlagszahlungen über 20,74 € im Monat sind Kosten der Unterkunft!

So sieht es das Sozialgericht Frankfurt am Main (Az: S 58 AS 518/05 vom 29.12.2006). Wie kam das Gericht auf diesen Betrag? Maßgeblich für die Höhe der Regelleistung nach Hartz IV – also für das Arbeitslosengeld II – ist das SGB XII einschließlich der Regelsatzverordnung. In dieser Verordnung ist angegeben, welcher Prozentsatz des Eckregelsatzes auf welche Ausgabenabteilung entfällt. Für die Abteilung 04 „Wohnung, Wasser, Strom, Gas u.a. Brennstoffe“ wird ein Satz von 8 % angegeben. Diese 8 % entsprechen 27,60 €. Darin sind allerdings neben den lediglich „weitgehend“ und nicht etwa in vollem Umfang zu berücksichtigenden Stromkosten auch die „voll“ anzurechnenden Positionen für Reparaturen und Instandhaltung der Wohnung enthalten. Unter Berücksichtigung diverser Veröffentlichungen kam das Gericht auf Stromkosten in Höhe von 20,74 €, die aus dem Regelsatz zu bestreiten sind.
Was heißt das nun für die einzelnen Alg II-EmpfängerInnen?
Wer einen höheren Stromsabschlag als 20,74 € monatlich zu entrichten hat, sollte die Übernahme des Differenzbetrages durch das Job-Center beantragen. Das Sozialgericht verurteilte im konkreten Fall die zuständige ARGE zur Übernahme des Betrages, der 20,74 € überstieg, und ließ keine Berufung zu.
Auch die Nachzahlung, die viele nach der Jahresabrechnung des Stromversorgungsunternehmens zahlen müssen, sollten sie nicht als Darlehen, wie es jetzt die Bearbeitungsweise der ARGEn ist, sondern als Teil der Kosten der Unterkunft, die in angemessener Höhe vom Job-Center zu tragen sind, beantragen.
Laut Einschätzung aller, die die „Szene“ kennen, ist selbstverständlich zu erwarten, dass die beklagte und verurteilte ARGE Beschwerde gegen das Urteil beim Landessozialgericht Hessen einlegen wird und dass auch diese Frage früher oder später das Bundessozialgericht beschäftigen wird.

Mehrbedarfszuschlag für Alleinerziehende auch dann, wenn diese bei Muttern wohnt!

So bestimmte das Sozialgericht Oldenburg am 16. Januar 2007, recht aktuell also, allerdings einstweilen noch nicht in einem Urteil, sondern in einem Beschluss (Az: S 45 AS 1800/06 ER).
Der Fall: Eine 20-jährige Mutter wohnt mit ihrem Baby im Haushalt ihrer Mutter, also der Großmutter des Säuglings. Die ARGE Oldenburg gewährte der jungen Familie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von lediglich 398,- € im Monat (345,- € für die junge Frau, 207 € für ihr Baby minus 145,-€ Kindergeld), so, als wäre die junge Mutter allein deswegen nicht allein erziehend, weil sie in der Wohnung ihrer Mutter wohnt. Hierzu schreibt das Gericht in der Begründung des Beschlusses: „Allein stehend bzw. allein erziehend ist nämlich nicht nur eine Person, die ohne Partner in einer Wohnung oder Wohngemeinschaft lebt, sondern auch ein volljähriges Kind, das ohne Partner im Haushalt der Eltern lebt. Als nicht allein stehend im Sinne des Gesetzes gelten lediglich Personen, bei denen auch andere Personen, z.B. Eltern oder Großeltern, für mindestens gleiche Teile des Tages mit der Erziehung oder Pflege des Kindes betraut sind.“
Abgelehnt hat das SG Oldenburg allerdings den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bezüglich der von der jungen Frau beantragten Kosten der Unterkunft und Heizung. Hier folgte das Gericht der Annahme der ARGE, sie wohne mit ihrem Kind bei ihrer Mutter, ohne sich an den Wohnungskosten zu beteiligen. Es ist ähnlich Betroffenen daher anzuraten, mit den Eltern (oder den sonstigen Verwandten, bei denen sie wohnen) eine formelle Vereinbarung abzuschließen und schriftlich festzuhalten, damit sie beweisen können, dass ihnen Kosten der Unterkunft und der Heizung tatsächlich entstehen. (noa)

Leben vom Alg II-Satz

wollen 450 Niedersachsen freiwillig immerhin sieben Wochen lang – eine Aktion für die Fastenzeit, ausgerufen von der Evangelischen Landeskirche Hannover. Hoffentlich wird am Ende auch darüber berichtet, wie viele das während der ganzen Zeit durchhalten. Wenn irgendetwas schief geht, z.B. die Katze Würmer kriegt oder das Kind Läuse, dann wird es nämlich verdammt eng.
83 Cent fürs Frühstück, je 1 Euro 48 fürs Mittag- und fürs Abendessen – auf die fünf von Ernährungsexperten dringend angeratenen Obst- oder Gemüsemahlzeiten täglich werden die Fastenden sowieso schon verzichten müssen. Vor der Einführung von Hartz IV, also bis Ende 2004, waren im Sozialhilfe-Regelsatz noch 4,36 €, also 15 % mehr als heute im Alg II-Regelsatz, für die Ernährung vorgesehen. (noa)

Geteiltes Leid

ist halbes Leid, so lautet ein tröstliches altes Sprichwort. Geteilte Ration ist eine halbe Ration, so stellen die Menschen, die so wenig Einkommen haben, dass sie auf zusätzliche Nahrungsmittel von der „Tafel“ angewiesen sind, seit längerem fest.
Als wir zuletzt von der „Tafel“ berichteten, hatte sich Hartz IV dort noch kaum bemerkbar gemacht. Die Zahl der Berechtigten hatte sich bis ins Frühjahr 2005 hinein nur geringfügig erhöht. Danach allerdings ist sie sprunghaft angestiegen und seit dem 2. Quartal 2005 konstant doppelt so hoch wie bis Ende 2004.
Nicht gestiegen jedoch ist die Menge der Lebensmittel, die die Tafel von den Geschäften zur Verfügung gestellt bekommt. 100 Tonnen Obst, Gemüse, Milchprodukte, Wurst und Konserven aller Art waren es 2006, die „Tafel“-Mitarbeiter (bis auf die Fahrer durchweg Ehrenamtliche) von Läden abholten, in der Ausgabestelle im Textilhof aussortierten, kühlten, anboten und abgaben. 1200 Berechtigte, 600 davon in Wilhelmshaven, können seither nicht mehr an beiden Ausgabetagen, sondern nur noch entweder am Dienstagvormittag oder am Freitagnachmittag kommen, um sich eine Tüte zusätzliche Lebensmittel aushändigen zu lassen.
Wie schon zur Zeit unserer damaligen Berichterstattung wird die Arbeit der „Tafel“ von städtischen Behörden offensichtlich nicht so richtig wahrgenommen. Dieser Verein darf bei der Abholung von Lebensmitteln, die kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen und nicht mehr verkäuflich sind, nicht wählerisch sein und muss auch Sachen mitnehmen, die nur noch entsorgt werden können. Eine Unterstützung durch die Stadt bzw. ihre Eigenbetriebe könnte z.B. darin bestehen, den Müll kostenlos mitzunehmen. Leider scheint das nicht möglich zu sein. Nur das Job-Center zollt der Tafel Anerkennung: Es weist seine KundInnen auf die Möglichkeit der Lebensmittelabholung bei der „Tafel“ hin. (noa)

 

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top