Banter See
Apr 032007
 

Missbraucht und geschunden

Prof. Schuller macht u.a. die Fäkaleinleitungen vergangener Zeiten für die schlechte Lage des Banter Sees verantwortlich.

(hk) Fast 50 BürgerInnen waren der Einladung des Clubs zu Wilhelmshaven (CzW) zu einem Vortrag des Oldenburger Professors Dr. Dieter Schuller zum Thema ‚Zukunft des Banter Sees’ gefolgt.

Prof. Schuller befasst sich seit 1987 mit der Problematik des Banter Sees – „ein schwieriger See“, wie Schuller gleich einleitend klarmachte. Schwierig ist der Banter See, weil er eigentlich kein richtiger See ist. Entstanden ist der Banter See bekanntlich als zum Kriegshafen gehörendes Hafen- und Werftbecken. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Hafenbecken vom Großen Hafen und damit vom Austausch mit über die Schleusen in den Hafen gelangendes Salzwasser abgetrennt.
Es entstand ein See, der mit einem natürlichen See nichts gemein hat. „Der Banter See ist ein künstlicher See, missbraucht und geschunden“, so Prof. Schuller. An Stelle der schilfbestandenen Uferbereiche (Litoralzone) wird der Banter See von Kaianlagen begrenzt, die eine ‚normale’ Entwicklung des Sees behindern.
Während der jahrzehntelangen Nutzung als Hafenbecken wurden die Fäkalabfälle der Betriebe und Schiffe in den See geleitet. Die technischen Prozesse in dem Militärhafen, die Korrosionsschutzanstriche der Schiffe – alles Quellen des hohen Phosphorvorkommens. Bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts gab es auch noch keine Kläranlagenpflicht für die am See angesiedelten Klein- und Freizeitgärtner. So hat sich nach Meinung von Prof. Schuller eine ordentliche Sedimentschicht mit dem entsprechenden Phosphatgehalt bilden können – eine mögliche Ursache für die Blaualgenblüte, die beinahe in jedem Jahr zu Badeverboten im See führt.

Doch das allein kann nicht die Ursache für das massenhafte Auftreten der Blau- oder Cyanobakterien sein.

Prof. Schuller schilderte den Vorgang, wie es zur Entstehung der sogenannten Sprungschicht kommt und was diese mit der Entstehung der Cyanobakterien zu tun hat: Die Sonneneinstrahlung und die durch den Wind zugeführte kinetische Energie sind die wichtigsten Faktoren, welche die physikalischen Bedingungen im Wasserkörper bestimmen. Die Strahlung wird im Wasser in Wärme umgewandelt und nimmt mit der Tiefe exponentiell ab. Das erwärmte Wasser an der Oberfläche ist leichter als das darunter liegende kältere und schwimmt daher auf diesem. Die nächtliche Abkühlung nun setzt ebenfalls von der Oberfläche her ein. Das abgekühlte Wasser sinkt so weit in die Tiefe, bis es auf gleich warmes Wasser trifft. Da in der Zeit von März bis August die Erwärmung am Tag größer ist als die nächtliche Abkühlung, wird der Temperaturunterschied zwischen der oberen warmen und der darunter liegenden kalten Schicht immer größer. Auf diese Art entsteht in einer bestimmten Tiefe ein meist steiler vertikaler Temperatur- und damit Dichtegradient (die sog. ‘Sprungschicht’), der eine physikalische Trennung der unterschiedlich temperierten Wasserschichten bewirkt.
Es findet also keine Durchmischung der unteren Wassermassen mit dem sauerstoffreichen Oberflächenwasser statt. Eine Zirkulation findet nur noch in der oberen, über der Sprungschicht liegenden Deckschicht statt.

Sommerliche Stagnation

Nach Meinung von Prof. Schuller findet nur dann eine Vermehrung der Cyanobakterien statt, wenn es zu der oben beschriebenen ‚sommerlichen Stagnation’ kommt.
Der geringe Salzgehalt von ca. 1 Prozent (Nordsee: 3,5%), die bereits erwähnte hohe Phosphordichte, Wasserverhältnisse, die eine Konkurrenz anderer Organismen ausschließen, der Lichteinfall, die Wärme – das Zusammenspiel all dieser Faktoren begünstigt das massenhafte Auftreten der giftigen Cyanobakterien.
Prof. Schuller empfahl „bei Beachtung aller technischen Möglichkeiten, der am Banter See vorliegenden Randbedingungen und der Kostenfrage“, einen Schwerpunkt der Maßnahmen auf die Sanierung des Umfelds des Sees – unter besonderer Berücksichtigung der Verbesserung seiner Litoralzone – zu legen.
Des weiteren empfahl er, den Versuch zu unternehmen, die „Phosphatbindung im Sediment aus der Abhängigkeit von der Eisenbindung zu lösen“. Dafür könnte, so Schuller, „eine wiederholte Anwendung einer Calcitaufspülung, auch eine Kombination einer Behandlung mit Aluminiumsalzen und Kalkdotierung erprobt werden“.
Für diese beiden möglichen restaurativen Ansätze sollten Versuche in kleineren abgegrenzten Arealen durchgeführt werden, um Erfahrungen mit der Anwendung, Erkenntnisse über Risiken der Eingriffe und über die Nachhaltigkeit der Wirkungen zu gewinnen. Dafür dürften in jedem Fall mehrjährige Beobachtungen notwendig sein.

Freistrahlverfahren

Da hatte der Oldenburger Professor aber etwas gesagt, was die fest auf das Freistrahlverfahren eingeschworenen Wilhelmshavener auf die Palme brachte. Dabei geht es auch um das „Durchstoßen“ der oben beschriebenen Sprungschicht. Prof. Schuller hatte dann aber auch nichts gegen ein solches Verfahren einzuwenden – nach seiner Meinung würde damit allerdings das Problem, nämlich der hohe Phosphorgehalt, nicht beseitigt, sondern es sei nur als symptomatische und nicht nachhaltige Maßnahme zu betrachten.
Und hier entspann sich dann die Diskussion, in der der ebenfalls anwesende Umweltdezernent Dr. Jens Graul sagte, dass es Aufgabe der Stadt sei, „die Blaualgenblüte zu verhindern, ohne die bestehenden Bedingungen zu verändern“. In einer Presseerklärung der Stadt heißt es zur selben Problematik: „Solche Maßnahmen müssen zum einen nachhaltig wirken können, zum anderen sollen sie aber auch den Interessen aller Nutzer entsprechen. (…) Dieses Verfahren bietet im Gegensatz zu allen anderen immer wieder diskutierten Verfahren die Gewähr dafür, dass die Gewässerqualität im Banter See für alle Nutzer verbessert wird. Schließlich geht es um Gartennutzer, Schwimmer, Surfer, Angler, Taucher u.v.a.m.“ Nur der Beweis dafür, dass das Freistrahlverfahren wirklich nachhaltig wirkt, wurde bisher noch nicht erbracht.

Weitere Diskussionsbeiträge:

Algenblüte im Kanal

Der Ems-Jade-Kanal und der Große Hafen befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft. Wie kann es nun angehen, dass es in diesem Gewässer zu keiner Algenblüte kommt? Dr. Gerd Liebezeit vom Forschungszentrum Terramare bestätigte, dass von ihm durchgeführte Untersuchungen ergeben hätten, dass der Phosphatgehalt im Kanal / Großer Hafen noch über dem des Banter Sees liegt, die Trübung des Wassers (aus den ostfriesischen Moorgebieten) verhindere jedoch den für die Cyanobakterien benötigten Lichteinfall. Aus diesem Grunde sei, so unisono Dr. Graul und Prof. Schuller, die Öffnung des Grodendamms keine Lösung für die Probleme des Banter Sees.

Salzgehalt

Ein Bürger, der seit 50 Jahren im Banter See taucht, berichtete, dass früher der Salzgehalt des Banter Sees weitaus höher war und dass es große Kolonien von Miesmuscheln gab, die ja bekanntlich auch für die Reinigung des Wassers wichtig sind. Seine entsprechende Forderung: 2/3 des Banter See-Wassers mit salzhaltigen Nordseewasser austauschen. Hier kam dann die Frage auf, wie das zu bewerkstelligen sei. Eine Rohrverbindung durch den Banter Seedeich zur Jade wäre zwar technisch durchaus machbar – es würde allerdings indiskutabel lange dauern, bis das Wasser ausgetauscht wäre.
Abschließend machte Prof. Schuller noch einmal deutlich, dass man seiner Meinung nach die Probleme des Sees innerhalb des Sees lösen muss. Es gehe darum, „die Befindlichkeiten der Natur nicht zu stören“, den See als das behandeln, was er ist – nämlich ein ökologisch wertvoller Brackwassersee, dem man nur helfen muss, sich zu einem intakten Brackwassersee zu entwickeln. Und das bedeutet, dass untersucht werden muss, welche Stoffe beispielsweise durch die Kleingarten- und Freizeitnutzer in den See gelangen (Rasendüngung usw.), an welchen Stellen Altlasten in den See gelangen (ein Mitglied des Tauchclubs Manta berichtete von vielen Dutzend offenen Rohren, die in den Banter See hineinragen), das bedeutet auch, zu untersuchen, welche Stoffe über den Rhynschlot des Banter Seedeichs, dem binnenseitigen Deichentwässerungsgraben, in den See gelangen (Fäkalien der Deichschafe) – kurz: Alle Einleitungen in den Banter See müssen untersucht und gegebenenfalls beseitigt werden. Das vorhandene sedimentgebundene Phosphor lässt sich nicht einfach beseitigen; deswegen müssen weitere Schritte wie das Einbringen einer Calcitspülung zur Verhinderung der Phosphatbindung ins Auge gefasst werden.
Der Banter See ist, und das war die einhellige Meinung aller VeranstaltungsteilnehmerInnen, für Wilhelmshaven viel zu wichtig und wertvoll, als dass den Problemen des Sees zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werden darf.

 

Kommentar:

Rettet den Banter See
Wird das wieder ein typisches Wilhelmshavener Possenspiel? Da wird geredet, bis die letzte Alge blau, grün und giftig wird. Da wird gehandelt, ohne dass es ausreichende Erfolgschancen gibt, oder da wird nicht gehandelt, obwohl es ausreichende Erfolgschancen gibt.
In einer Pressemeldung der Stadt Wilhelmshaven wird behauptet: „Der Banter See gehört inzwischen zu den am besten erforschten Gewässern in Wilhelmshaven.“ Und weil er so erforscht wurde, gibt es die Blaualgenblüte. Oder mit anderen Worten: Die Blaualgenblüte hat es schon immer gegeben, sie wurde nur nicht erkannt. Wer mit solchem Unsinn an die Öffentlichkeit tritt, hat die vielen Untersuchungen nicht gelesen, in denen die Voraussetzungen für die explosionsartige Ausbreitung der Blaualge dargestellt wird. Auch die Behauptung in der aktuellen Pressemitteilung – „Dieses Verfahren bietet im Gegensatz zu allen anderen immer wieder diskutierten Verfahren die Gewähr dafür, dass die Gewässerqualität im Banter See für alle Nutzer verbessert wird“ – ist nicht bewiesen. Hauptsache scheint hier zu sein, dass man etwas schreibt, egal was.
Nun sind wir leider auch nicht im Besitz der Weisheit, wie der Banter See zu retten ist. Doch wir wissen, dass es wichtig ist, alle Schadstoffeinträge in den See zu verhindern. Das kostet von der Untersuchung bis zur Ausführung eine Menge Geld. Doch das sollte uns der Banter See wert sein. Denn nur hier bietet sich ein Handlungsfeld für wirklich nachhaltige Hilfe – und nur darum kann es im Endeffekt gehen.
Auch der Vorschlag von Prof. Schuller, den Uferbereich überall dort, wo es möglich ist, mit einer zu einem anständigen Brackwassersee gehörenden Uferzone inkl. der Bepflanzung mit Erlen und Weiden auszustatten, sollte schleunigst in die Realisierungsphase gehen.
Auch das Freistrahlverfahren sollte umgehend eingesetzt werden, bietet es doch allem Anschein nach die Gewähr, zumindest kurzfristig die Symptome des Patienten Banter See zu lindern – schließlich wollen nicht alle WilhelmshavenerInnen zukünftig ihre Freizeit auf einer Aussichtsplattform an der Baustelle des JadeWeserPorts verbringen.
Und es geht uns auch darum, den Banter See mit seinen jetzigen Nutzungsformen zu erhalten.
Nur weil man den Geniusstrand und den Campingplatz plattgemacht hat, kann das nicht bedeuten, dass jetzt die Freizeitgärtner um den Banter See für die Realisierung irgendwelcher Ersatzmaßnahmen ebenfalls plattgemacht werden müssen.
Rettet den Banter See!

Hannes Klöpper

 

Pressemitteilung der Stadt Wilhelmshaven vom Sommer 2006:
Die aktuelle Entwicklung der Blaualgen im Banter See hat leider dazu geführt, dass dort erstmalig in diesem Sommer wieder ein Badeverbot ausgesprochen wurde. Die von der ICBM-Meeresstation der Universität Oldenburg durchgeführte Überwachung hat ergeben, dass es zu einem starken Anwachsen der Zahl von Blaualgen (genauer: Cyanobakterien) der möglicherweise giftigen Art „Nodularia Spumigena“ gekommen ist.

Zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben von Mensch und Tier musste deshalb ein Badeverbot für den Banter See ausgesprochen werden. Hundebesitzer sind in diesem Falle gehalten, ihre Tiere anzuleinen. Das Badeverbot umfasst selbstverständlich auch das Tauchen. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass im Banter See geangelte Fische nicht verzehrt werden sollten. Um auf die Gefahren und das daraus resultierende Badeverbot hinzuweisen, stellt die Stadt an öffentlich zugänglichen Stellen des Uferbereiches rings um den See Informationstafeln auf.
Die weitere Entwicklung der Algenblüte wird überwacht. Sobald die Algenblüte abklingt und eine Gefährdung ausgeschlossen werden kann, wird das Badeverbot wieder aufgehoben.

 

Pressemitteilung der Stadt Wilhelmshaven vom März 2007
Die Stadt Wilhelmshaven ist sich der zukünftig eher noch zunehmenden Bedeutung des Banter Sees für die Naherholung sehr bewusst. Auch angesichts knapper Haushaltsmittel wird sie weiterhin alles tun, um die Ursachen der Blaualgenblüte zu erforschen und die Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. Solche Maßnahmen müssen zum einen nachhaltig wirken können, zum anderen sollen sie aber auch den Interessen aller Nutzer entsprechen. (…)
Der Banter See gehört inzwischen zu den am besten erforschten Gewässern in Wilhelmshaven. Dies erklärt vielleicht, warum es vorher kein Blaualgenproblem gab. Als ehemaliges Hafenbecken hat der Banter See viel Nutzungsqualität, aber auch ein paar Merkmale (Wassertiefe, Volumen, leichter Salzgehalt, keine natürliche Zuflüsse), die stabilen ökologischen Verhältnissen entgegenstehen. (…) Bisher steht fest: Die Algenblüte folgt dem Witterungsverlauf (Erwärmung, Belichtung und Besonnung bei Schönwetterperioden). Dies ist der Auslöser, aber nicht die Ursache des Problems. Vielmehr folgt die Algenblüte im Sommer jeweils einem Anstieg des Phosphatgehalts bei niedriger Nitratkonzentration.
Deshalb steht – nach dem die Anrainer in den 1990er Jahren an die Kanalisation angeschlossen wurden – die Frage im Raum, ob der Beitrag aus Oberflächengewässern hierzu eine Ursache sein kann. Die bisherigen Beprobungsergebnisse des Wassers aus dem Rhynschloot des Banter Seedeichs, dem binnenseitigen Deichentwässerungsgraben, mit vergleichsweise eher mittleren bis geringen Phosphatwerten lassen diesen Rückschluss – auf die Schafbeweidung – nicht zu. Die Beprobungen werden aber weitergeführt.
Ein weiterer Verdacht richtet sich auf die mögliche Rücklösung von Phosphat aus dem Sediment und Eintrag in die Wassersäule. Dazu wurden in den vergangenen Monaten Sedimentproben untersucht, die Analyse des Phosphatkreislaufes innerhalb des Sees ist allerdings noch nicht endgültig abgeschlossen. (…) Eine natürliche windgetriebene Umwälzung findet nur noch in der wärmeren oberflächennahen Schicht statt, die sauerstoffgesättigt ist. Mit den tieferen, kalten Schichten findet kein Sauerstoffaustausch mehr statt, so dass sich dort durch Sauerstoffzehrung im Zuge natürlicher Umsetzungsprozesse häufig sauerstoffarme bzw. sauerstofffreie Zonen ergeben. Ein Austausch zwischen diesen beiden Ebenen findet kaum statt.
Ziel technischer Verfahren zur Tiefenwasserbelüftung war es bisher schon, derartige Schichtungen zu durchbrechen bzw. aufzulösen (technisch „Destratifikation“). An der Fachhochschule in Wilhelmshaven wurde in den zurückliegenden Jahren ein Verfahren entwickelt und im Labormaßstab erprobt, welches einen Freistrahl nutzt, um sauerstoffreiches Oberflächenwasser in die Tiefe zu fördern.(…)
Dieses Freistrahlverfahren verspricht nach Auffassung der Stadt Wilhelmshaven im Rahmen eines Pilotprojektes Aussicht auf Erfolg auch im Banter See. Für das Jahr 2007 ist nach dem heutigen Stand der Planung anschließend der Einsatz des Freistrahlverfahrens im Banter See vorgesehen. Eine entsprechende Vorplanung wurde inzwischen in Auftrag gegeben. Dieses Verfahren bietet im Gegensatz zu allen anderen immer wieder diskutierten Verfahren die Gewähr dafür, dass die Gewässerqualität im Banter See für alle Nutzer verbessert wird. Schließlich geht es um Gartennutzer, Schwimmer, Surfer, Angler, Taucher u.v.a.m.. Der Austausch mit Hafenwasser zum Beispiel würde den Fischbestand im Banter See verändern und Sichtverhältnisse für die Unterwassersportler eintrüben.

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