Interkultureller Garten
Jul 312007
 

Gärtnern ohne Grenzen

Einen Interkulturellen Garten gibt es seit diesem Sommer in Wilhelmshaven. Auf einer Fläche hinter dem Pumpwerk haben Familien aus Vietnam, der Türkei, dem Libanon, dem Kosovo und anderen ehemals jugoslawischen Staaten und aus Deutschland gemeinsam den Boden urbar gemacht, gesät, gepflanzt und auch schon geerntet. Insgesamt 26 Personen, darunter 15 Kinder, treffen sich dort fast täglich zum Gärtnern und Klönen.


Die Idee dazu entstand vor etwa drei Jahren. Der Initiator (der hier bescheiden ungenannt bleiben möchte) konnte Marianne Janss von der Migrationsberatung dafür begeistern, die engagiert alle zuständigen Ämter im Rathaus mit ins Boot (bzw. Beet) holte. Die Stadt stellte das Grundstück zur Verfügung, Janss besorgte die Gelder für die Infrastruktur wie Zaun und Bauwagen. Zur Einweihung gab es Köstlichkeiten aus allen vertretenen Ländern, und neben dem Oberbürgermeister kamen auch weitere Vertreter aus Politik und Verwaltung.
Das Konzept der Interkulturellen Gärten, das in Deutschland erstmals in Göttingen verwirklicht wurde, besteht darin, Brachflächen in Gemeinschaftsgärten mit ökologischem Anbau zu verwandeln, in denen möglichst vielen Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft eine eigene Gartenfläche zur Verfügung gestellt werden kann. So soll in gleichberechtigter Zusammenarbeit von Deutschen und MigrantInnen ein multikultureller Schrebergarten ohne Zäune entstehen.
In Wilhelmshaven leben fast 3900 Menschen aus anderen Nationen aller Kontinente, darunter aus mehr als einem Dutzend europäischer Staaten. Viele engagieren sich in eigenen kulturellen Gruppen und Verbänden. Ein Austausch und wirkliches Zusammenleben, auch mit Deutschen, findet bisher nur in geringem Maße statt. Dem interkulturellen Garten wird somit eine wichtige Brückenfunktion zukommen. Bei allen kulturellen Unterschieden hat Gärtnern etwas sehr Verbindendes. Interessant ist es, voneinander zu lernen, wie man auf verschiedenen Wegen zum gleichen Ziel kommt: aus einem Samenkorn, einer winzigen Pflanze selbst gesunde und schmackhafte Nahrungsmittel zu erzeugen, zu ernten, zu verarbeiten, zuzubereiten und (gemeinsam) zu genießen. Der eine bevorzugt die Furche, die andere schwört aufs Hügelbeet. Gemeinsam fährt man in den Baumarkt und erfährt, dass es mehr als eine Technik gibt, um einen wirkungsvollen Zaun gegen Kaninchen zu bauen.
Interkulturelle Gärten gibt es in vielen deutschen Städten. Einige haben auch die Funktion eines „Interkulturellen Heilgartens“. Nicht selten haben MigrantInnen traumatische Erlebnisse wie Flucht, Krieg oder sogar Folter hinter sich. Die Arbeit in und mit der Natur, gemeinsam mit Menschen, die biografische Erfahrungen teilen, hilft bei der Bewältigung. Die Beteiligten erfahren menschliche Wärme und eigene Initiative, Kompetenzen werden belebt; sie gewinnen ihre kulturelle Identität zurück. Der Garten ist auch der interkulturelle und soziale Raum, den es ebenso zu „beackern“ gilt. (iz)

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top