Aus der Schule geplaudert
Nov. 132007
 

Na, Gottseidank!

„Minister sieht Unterricht gesichert“ lautete die Überschrift auf der Niedersachsen-Seite der WZ am 30.08., also zu Beginn des laufenden Schuljahrs. (Dann ist es bestimmt auch nicht so schlimm, dass dauernd Stunden ausfallen, oder?) Die Erklärung: Die Schülerzahlen sinken.


„Einen besonders starken Rückgang verzeichnen die Grund- und Hauptschulen. 42,1 Prozent der ehemaligen Grundschüler wechseln auf Gymnasien, 37,5 Prozent auf Realschulen, 14,9 Prozent auf Hauptschulen und 4,9 Prozent auf Gesamtschulen. Die Nachfrage nach Gesamtschulen ist höher, es gilt aber ein Neugründungsverbot“, so stand es im o.g. Artikel.
Und dann kam am 19.09. auf einmal ein Hoffnungsschimmer: „Wulff lenkt bei Gesamtschulen ein“, hieß es da. Der wahrscheinliche Grund für dieses Einlenken stand gleich im ersten Satz des Artikels: Es war „gut vier Monate vor der Landtagswahl im Januar 2008“. Zwar deuten alle Umfragen darauf hin, dass die CDU bei der Wahl die Nase vorn haben wird, doch vorsichtshalber kann man dem Esel ja mal eine Möhre vor die Nase halten. Damit aber eines klar ist: „Neue Gesamtschulen sollen nur eingerichtet werden, ‚wenn es die betreffende Kommune als Schulträger unbedingt will’.“ Hm… Für die Kommunen ist die Einrichtung einer Gesamtschule vielleicht kein so erstrebenswertes Ziel; da könnten Kosten entstehen. Die Eltern sind es, die unbedingt Gesamtschulen wollen!
Im Kreis Friesland entstand im September flugs ein Aktionsbündnis zur Gründung einer IGS, und im Oktober gab es „rund 150 Besucher bei Auftakt zum IGS-Aktionsbündnis Friesland“ (WZ, 19.10.). Doch „die von CDU und FDP geführte Landesregierung hat zwar zugesagt, weiteren Gesamtschulen grünes Licht zu geben. Gleichwohl hat sie dieses Versprechen bislang nicht in Form einer Gesetzesänderung in die Tat umgesetzt“ (ebd). Die an einer friesischen Gesamtschule Interessierten machen also Dampf. Wenn sie bis zur Landtagswahl kein klares OK aus Hannover haben, kann es schon passieren, dass Wulff sich nicht mehr erinnern kann, eingelenkt zu haben.
An einer Gesamtschule in Friesland (als Standort ist das Schulzentrum Sande, das Nachwuchssorgen hat, im Gespräch) sind auch Wilhelmshavener Eltern und Kinder interessiert, muss die IGS Wilhelmshaven doch Jahr für Jahr Hunderte von Kindern abweisen – müssten die friesischen Kinder nicht mehr nach Wilhelmshaven drängen, gäbe es mehr Plätze für die Wilhelmshavener SchülerInnen.
Was gab es an der Schulfront noch in den letzen Monaten? Unser Kultusminister Busemann und seine gleichgesinnten Kollegen warfen im September das deutsche Zentralabitur in die Debatte. In Niedersachsen ist das Zentralabitur ja eine relativ neue Errungenschaft. Als Bestandteil der Busemannschen „Reform“ wurde es 2006 eingeführt. Die „Brennpunkt“-Seite in der WZ vom 12.09. ergriff schon Partei dafür; jedenfalls deutete die spöttische Überschrift „Meine Tests, meine Standards, mein Abi“ darauf hin. Ob einheitliche Abituraufgaben tatsächlich dafür sorgen, die Vergleichbarkeit von Abschlüssen zu sichern, sei dahingestellt – sie würden jedenfalls ziemlich viel Druck auf die Kollegien ausüben und zu einer Vereinheitlichung der Unterrichtsinhalte führen. Das verträgt sich eigentlich nicht so gut mit dem niedersächsischen Modell der Eigenverantwortlichen Schule… Oder soll es da doch nur darum gehen, sich alles, was Geld kostet, eigenverantwortlich zusammenzubetteln?
Denn darauf scheint sich diese „Reform“ zu reduzieren. In der Meldung „Schulleiter fordern mehr Autonomie“ (WZ, 19.10.) beklagten niedersächsische SchulleiterInnen, sie würden durch ein Übermaß an Bürokratie behindert und brauchten unbedingt auch Geld für Vertretungsunterricht und Fortbildungen.
Wie auch immer – fünf Wochen nach der ganzen Seite zum Zentralabitur stand dann am 18.10. in einem kleinen Artikel, den man beinahe übersehen konnte: „Kultusminister wollen kein Zentralabitur“ – diese Idee ist also erst mal vom Tisch.
Und dann fand die Stiftung Warentest auch noch heraus, dass in vielen eingeführten Schulbüchern ziemlich viel Unsinn steht. Schön, dass das endlich mal durch eine Untersuchung bestätigt wurde – Lehrkräfte und SchülerInnen hatten das schon langst bemerkt.
Währenddessen fordert die niedersächsische FDP eine „bessere Lehrer-Ausbildung“ (WZ, 27.10.) und behauptet, „es gebe einen zu hohen Prozentsatz von angehenden Pädagogen, die nur Lehramt studierten, ‚weil sie vielleicht nichts anderes gefunden haben’“ (ebd). Na, wunderbar! Schröder nannte die Lehrer seinerzeit „faule Säcke“, die FDP bezeichnet sie nun auch noch als Nulpen!
Am 11.11. ging eine Meldung durch die Radiosender, derzufolge Schulkinder in Deutschland sich mit zunehmendem Alter unglücklicher in der Schule fühlen. Das passt zur zunehmenden Anzahl der SchulabbrecherInnen: „Zu viele Schüler hören vor dem Abschluss auf“ (WZ, 4.10.). Und „Kinder fühlen sich schon früh benachteiligt“ (WZ, 25.10.). Die Kinder aus armen Familien merken schon früh, dass sie wenig Chancen haben – vielleicht sollte man da mal hinschauen, statt den Druck zu erhöhen und die Lehrer zu beschimpfen.

Anette Nowak

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