Südstrand
Aug 012009
 

Fäkal

Der Skandal wird täglich größer

(hk) In diversen Artikeln haben wir auf den unhaltbaren Zustand der Einleitungen von Fäkalien unweit des offiziellen Badestrandes Südstrand und direkt in einen von vielen SchwimmerInnen genutzten Bereich zwischen Südstrand und Mariensiel hingewiesen. Keiner würde einen solchen Zustand an seinem Urlaubsort in Spanien, Italien oder in der Türkei tolerieren.

b246061Doch in Wilhelmshaven ist eben (immer) alles anders. Hier wird fleißig eingeleitet, egal ob gerade Badezeit ist, ob Ebbe ist, ob die Sonne scheint oder ob es regnet. In einer Presseerklärung der Kaiserlichen KanalarbeiterInnen, die sich seit 2006 für die Schließung des Banter Siels einsetzen, vom 3. Juli 2009 heißt es: Die Kaiserlichen KanalarbeiterInnen können endlich beweisen, dass die Stadt auch bei strahlendem Sonnenschein Fäkalien in die Vorzeigebadezone am Südstrand einleitet. Dirk Dobel hat am 25. Juni dieses Jahres seine Beobachtungen am Banter Siel per Foto festgehalten und sich mit der Bürgerinitiative aus Wilhelmshaven in Verbindung gesetzt. Er machte Bilder am 25. Juni 2009 mit seinem „Handy“, als bei strahlendem Sonnenschein durch das Banter Siel, unweit vom neuen Columbia-Hotel, Fäkalieneinleitungen ohne Not und vor allen Dingen ohne Genehmigung vorgenommen wurden. Er beschreibt den Vorgang folgendermaßen: „Ich war am 25. Juni gegen 11 Uhr am Deich und konnte beobachten, wie aus dem Banter Siel große Mengen stinkender Abwässer aufs Watt geleitet wurden (es war Niedrigwasser). Es stank fürchterlich und lockte sogleich auch große Mengen Möwen an. Ich konnte außerdem beobachten, dass Toilettenpapier u.ä. im Abwasser schwamm. Daraufhin rief ich die Polizei an, die mich an die Wilhelmshavener Entsorgungsbetriebe (WEB) verwies. Hier bekam ich die Auskunft, dass alles in Ordnung sei, da es sich nur um Hafenwasser handeln würde.

Auf der Internet-Seite der Wilhelmshavener Entsorgungsbetriebe wurde der Vorfall wie folgt geschildert: Am 25. Juni 2009 kam es bei Wartungsarbeiten an einem Kanalschieber der Rohrleitung zwischen Kanalhafen und Einleitstelle Banter Siel zu einer Kurzschlussströmung. Aufgrund des höheren Wasserspiegels floss Wasser aus dem Kanalhafen über die Rohrleitung aus dem Banter Siel. Dies wurde als Einleitung von Mischwasser missdeutet. Nach Abschluss der Reparaturarbeiten am 30. Juni 2009 wurde durch eine Kontrolle sichergestellt, dass kein Wasser aus dem Kanalhafen über das Banter Siel auslief. Eine Einleitung von Mischwasser fand zu keinem Zeitpunkt statt. Als „unwiderlegbarer Beweis“ wurde das Bild eines Kanalschiebers von dem Text umflossen!

Gemeinsam gegen Änderungen

Über die Reaktionen des zuständigen städtischen Dezernenten Dr. J. Graul haben wir wiederholt im Gegenwind berichtet (unsere Empfehlung: Gegenwind 229 vom August 2007). Heute dokumentieren wir, wie das Gesundheitsamt mit den Bedenken der BürgerInnen verfährt. Am 28. Mai 2009 schickte Frau Bettina Richter die folgende Mail ans Gesundheitsamt:

Sehr geehrte Damen und Herren, am 26.5.09 wurden im Zusammenhang mit dem Gewitter am Morgen bei Niedrigwasser Fäkalien am Südstrand abgeschlagen. Beim Mittagshochwasser fand keine Warnung der Badenden statt, die sich vermutlich unwissend ins Wasser begaben. In der örtlichen Presse liest man immer wieder von der Fürsorge der Stadt, die Schwimmer nach Einleitungen von „Mischwasser“ zu warnen. Offensichtlich ist dies mindestens im o. g. Falle nicht geschehen. Eine solche Unterlassung seitens der Behörden ist m.E. als Körperverletzung anzusehen. Meine Frage: Was kann und will das Gesundheitsamt unternehmen, um die Badenden zu schützen und die Verantwortlichen in der Stadt zur Rechenschaft zu ziehen?

Mit freundlichem Gruß

Bettina Richter

b246062Schon  einen Tag später hatte Frau Richter eine Antwort von Dr. Rübsamen. Wir zitieren aus seiner Antwort und setzen gleich die (ebenfalls stark gekürzten) Bemerkungen der Biologin Frau Dr. Gisela Gerdes dazu:

Antwort Dr. Rübsamen: Wie Ihnen bekannt ist, handelt es sich bei der Jade um ein Tidengewässer und nicht um einen Binnensee mit langsamen Wasseraustausch. Ebbe und Flut sorgen für eine deutliche Durchmischung des Wasserkörpers.  

Stellungnahme Dr. Gerdes: Irrtümlich wird der Wasseraustausch häufig mit den gezeitenbedingten Bewegungen des Wasserkörpers gleichgesetzt. Im Vergleich zur Tidenwelle, die zweimal in ca. 24 Stunden ein- und ausläuft, ist der Wasseraustausch der Jade mit ca. 3 Monaten Dauer durchaus langsam. (…) Aber vielleicht verbirgt sich ja hinter der o.g. Formulierung auch die Hoffnung, dass die am Banter Siel freigesetzte Abwasserfahne rasch und linear mit der Tidenströmung abfließen würde. Allerdings kann das Gesundheitsamt dafür keinen Beweis antreten. Eine (bisher einzige) Beprobungskampagne mit mehreren Messstellen im Februar 2007 während einer Einleitung zeigte vielmehr, dass Konzentrationsspitzen der gefährlichen Bakterien von der Einleitestelle bis zur 1. Einfahrt nicht linear abflossen, sondern deutlich verzögert an den einzelnen Messstellen ankamen und zum Teil dort länger verweilten. (…) Badende wissen auch von Rückströmungen bei ablaufendem Wasser, die den Schmutz, wenn er ggf. schon etwas entfernter vom Ufer vorbeifloss, wieder in unmittelbare Ufernähe zurückbringen. Buhnen mit ihren Leezonen und Rückströme werden gerne von den Badenden frequentiert, so dass dort wahrscheinlich hohe Kontaminationsgefahren lauern. (…) Auch hinter der beschwichtigenden Aussage, dass Ebbe und Flut die Durchmischung des Wasserkörpers schon richten würden, verbirgt sich vermutlich eine durch nichts belegte Hoffnung. Wer sich die Mühe macht zu beobachten, wird sicherlich feststellen, dass die Abwasserfahne als breiter schaumiger, farbig abgesetzter Teppich lange an der Oberfläche treibt. Das ist auch logisch, weil hier das weniger dichte Wasser aus der Kanalisation das dichtere Meerwasser überschichtet. Viele der Behauptungen, die seit nunmehr nahezu drei Jahren der Öffentlichkeit immer wieder als Beweis dargeboten werden, ließen sich widerlegen.

Dr. Rübsamen: Am 26.5. war um 8.50 Uhr Niedrigwasser. Es wurden somit jeweils rund 90 Minuten sowohl vor wie auch nach Niedrigwasser mit Fäkalien kontaminiertes Regenwasser eingeleitet. Erst eindreiviertel Stunden nach Ende der Einleitungen fing die Badezeit (12.06 Uhr) an. Aus Untersuchungen der vergangenen Jahre wissen wir, dass bei solch einer Konstellation keine unmittelbare Gesundheitsgefahr für Badende besteht. Es können aber erhöhte Keimzahlen vorkommen, die jedoch die für ein Badeverbot maßgeblichen in der Niedersächsischen Badegewässerverordnung festgelegten Grenzwerte nicht überschreiten. Gesundheitlich bedenklich ist das Baden, wenn bedingt durch die Tide Abschläge aus dem Banter Siel während der Badezeit unmittelbar am Badestrand vorbeitreiben (also insbesondere bei Einleitungen während des Zeitraums kurz vor Hochwasser und drei Stunden nach Hochwasser, wenn das ablaufende Wasser Einleitungen unmittelbar am Strand vorbeiführt). Zwischenzeitlich habe ich telefonisch die Ergebnisse der von uns am Nachmittag des 26.5. zwischen 14.00 und 14.30 Uhr gezogen Badegewässerprobe erhalten. Es wurden Werte von 504 KBE/100 ml für E. coli und von 90 KBE/100 ml für Intestinale Enterokokken festgestellt. Diese Werte liegen deutlich unter den ein Badeverbot auslösenden Grenzwerten, sind allerdings gegenüber den beiden Voruntersuchungen dieses Jahres erhöht.

Dr. Gerdes: Die angesprochenen „Untersuchungen der vergangenen Jahre“ beziehen sich auf die turnusmäßigen vierzehntägigen Probenahmen am Ufer des ehemaligen Planschbeckens in Höhe der ersten Treppe östlich der Buhne. Entnommen wird nach dem Zufallsprinzip, also unabhängig davon, welcher Tidenstand oder welches Wetter gerade herrscht und ob gerade eingeleitet wird oder nicht. Mit den generell in diesen Proben niedrigen Keimzahlen wird seitens der Stadt Propaganda für eine ausgezeichnete Wasserqualität des Strandes gemacht, wobei tunlichst verschwiegen wird, dass die Werte relativ selten die Situation während einer Einleitung bzw. kurz danach widerspiegeln. Diese während der Badesaison vierzehntägig durchgeführte Routinebeprobung an einer einzigen Überwachungsstelle in geschützter Lage wird dem Problem, dass das Badegewässer kurzfristig unregelmäßig fäkal belastet wird, nicht gerecht. (…) Eine einzige Probenstelle, zudem an geschützter Lage und nur zufallsbeprobt, reicht nicht aus, um Gewissheit über die jeweilige Präsenz hoher Dosen gefährlicher Fäkalkeime an den einzelnen Badestellen entlang des Südstrandes während und nach einer Einleitung zu erlangen. (…)

Dr. Rübsamen: Wir wissen auch, dass – wie im gesamten Wattenmeer, unabhängig von jeglichen Einleitungen – bei stürmischem Wetter (wie am Dienstag Nachmittag) oder Niedrigwasser aufgewirbeltes Sediment die Wasserqualität verschlechtert. Unter anderem deshalb begrenzen wir – wie auch zahlreiche andere Betreiber von Nordseebadestränden – die Badezeit auf einen Zeitraum von einigen Stunden vor und nach Hochwasser.

Dr. Gerdes: Aufgewirbeltes Sediment, ja selbst das Wälzen im Schlick, hat noch keinem geschadet, es sei denn, das Sediment ist hoch mit pathogenen Keimen und anderen Schadstoffen aufgrund der Direktabschläge aus der Kanalisation angereichert. (…)

Schlussfolgerungen:

Unbedenklichkeitsaussagen aus der städtischen Verwaltung basieren weitgehend nur auf  Behauptungen. An eine Behauptung sollte sich jedoch logischerweise die Forderung nach dem Beweis knüpfen (quod erat demonstrandum, abgekürzt q.e.d.). Scherzhaft wird in der englischen Sprache „q.e.d.“ im Sinne von quite easily done (zu deutsch etwa: „ganz leicht erledigt“) verwendet. Diese Verballhornung lässt sich gut auf die Versuche städtischer Verwaltungen übertragen, sich die Sache mit den Ängsten der Bevölkerung ganz leicht zu machen, indem man Behauptungen als Beweise darstellt. Obrigkeitsgläubige Bürger mögen glauben, dass Aussagenkonstellationen und bisherige Maßnahmen ein sicherer Schutz vor der Berührung mit hohen Dosen pathogener Keime im Badegewässer seien. Wir halten dieses Vertrauen für nicht ungefährlich. Wissen um die Größenordnungen hygienischer Beeinträchtigung des Badegewässers während der Einleitungen und danach kann nur erworben werden, wenn mit hochauflösenden Feldmethoden analysiert und quantifiziert wird, mit anderen Worten: wenn eine verlässliche wissenschaftliche Praxis angewandt wird, zu der besonders auch eine logisch auf die Fragestellung ausgerichtete Einrichtung der Probenahmestandorte gehört. Leider lassen sich Zahlen mit falschen Feldmethoden wunderbar manipulieren. Sehr geehrte Frau Richter, es ist anzuzweifeln, dass am 26.05. das Badegewässer bereits eindreiviertel Stunden nach Ende der Einleitungen (12.06 Uhr) großflächig wieder unbedenkliche Werte erreicht haben sollte, zumal die Fäkalienfront 90 Minuten (07.20 – 08.50 Uhr) in östlicher Richtung und wiederum 90 Minuten (08.50 – 10.20 Uhr) in westlicher Richtung am Südstrand entlang trieb. Aufgrund fehlender Messungen ist leider nur zu vermuten, aber nicht zu beweisen, dass Badende, darunter die besonders gefährdeten Kinder, mit erheblich über Grenzwerten liegenden Bakterienkonzentrationen in Berührung kamen. In diesem Zusammenhang steht Ihre Frage betr. Körperverletzung. Der Straftatbestand der Körperverletzung muss mit eindeutigen Werten nachgewiesen werden. Solche Werte gibt es aber nicht mangels Messungen. Die im Antwortbrief des Gesundheitsamtes signalisierte Unbedenklichkeit kann nicht mit der Einzelprobe belegt werden, die erst zwischen 14 und 14.30 Uhr und wahrscheinlich wiederum nur östlich der Buhne des Planschbeckens geschöpft wurde. Die Beurteilung, inwieweit die Antwort des Gesundheitsamtes Sie auf Ihre Frage, was von dort zum Schutz der Badenden unternommen würde, befriedigt hat, müssen wir Ihnen überlassen, hoffen aber, dass wir einige Argumente dazu beisteuern konnten.

Mit freundlichen Grüßen

Monika Giesche-Emmerich, Dr. Gisela Gerdes

Fotos: @GRUPPO|635.com|foto:hufenbach

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