Mietobergrenzen
Aug 012009
 

Aha...

Es gibt neue Mietobergrenzen für Hartz IV-Berechtigte

(noa) Auf orientalischen Märkten wird gefeilscht. Du bietest 100 Euro für einen Teppich, für den der Händler 500 fordert. Du gehst auf 150 hoch, er auf 450 runter und so weiter, bis ihr euch bei 300 trefft. So etwas in der Art versucht Sozialdezernent Jens Stoffers mit den Kosten der Unterkunft nach dem SGB II.

Zur Ratssitzung am 17. Juni hatte Ratsherr Johann Janssen (LAW) eine Kleine Anfrage zur Neuberechnung der Mietobergrenzen der Stadt gestellt (wir berichteten im letzten Gegenwind). Auf unsere Frage nach Stoffers’ Antwort sagte Janssen, er habe sie nicht verstanden. Da Janssen eigentlich nicht begriffsstutzig ist, durfte man auf die schriftliche Fassung der Antwort gespannt sein. In weiten Teilen ist sie tatsächlich ein wenig kryptisch: „Bei Beurteilung der eingelegten Revision ist zu berücksichtigen, dass es sich in den vorliegenden Verfahren lediglich um Einzelfallentscheidungen handelt, die rechtliche Aussagen zu eben diesen Fällen treffen. Die vorliegenden Urteile des Landessozialgerichts beinhalten zwar auch in der Begründung generelle Aussagen zu der Rechtmäßigkeit der von der Stadt Wilhelmshaven durchgeführten Berechnung. Daran wird sich die Stadt Wilhelmshaven selbstverständlich orientieren. Die in den ausgeurteilten Einzelfällen ermittelten Miethöchstbeträge sind jedoch nicht zutreffend und damit nicht auf alle laufenden Verfahren anwendbar.“ Hä? Das LSG-Urteil vom 17.12.08 enthält eine Tabelle über die angemessen KdU für alle möglichen Haushaltsgrößen und alle Jahre seit dem Bestehen von Hartz IV. Wir haben diese Tabelle in unserer Ausgabe 242 veröffentlicht. Jetzt hat die Stadt neue Mietobergrenzen festgelegt. Sie hat sich jedoch nicht am Urteil des Landessozialgerichts orientiert, sondern: „Verändert wurde lediglich die Methode zur Herausrechnung von besonders preiswerten und besonders teuren Wohnungen. Hier werden nun entsprechend den Vorgaben in den ‚Hinweisen zur Erstellung von Mietspiegeln’, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen, 1/6 der Wohnungen im oberen Preissegment und 1/6 der Wohnungen im unteren Preissegment, herausgerechnet. Diese Herausrechnung von Wohnraum war nicht Gegenstand des LSG-Urteiles und ist insofern eine Veränderung in der bisherigen Berechnungsmethode.“ In der Tat: Darum ging es im LSG-Urteil nicht. Wozu es also gut sein soll, ist unklar.

Wilhelmshavens neue Miet“ober“grenzen liegen dem Gegenwind nun vor. So sehen sie aus:

 

Mietobergrenzen ab 1. Juli 2009          Mietobergrenzen bis 30. Juni 2009   Mietobergrenzen  2008 laut LSG-Urteil

1 Person

296,50

265,00

345,50

2 Personen

341,40

324,00

359,40

3 Personen

420,00

386,00

459,75

4 Personen

472,60

455,00

526,15

5 Personen

537,70

533,00

619,65

6 Personen

567,00

598,00

630,00

Ein bisschen mehr als vorher bietet die Stadt mittlerweile an, doch von den vom Gericht ermittelten Summen ist sie noch weit entfernt. Was soll das? Zwar ist, wie Stoffers selber in seiner Antwort zutreffend bemerkt, „nach wie vor unklar (…),wann mit einer Entscheidung über die eingelegte Revision gerechnet werden kann“, doch wie diese lauten wird, daran zweifelt außer Stoffers selber eigentlich niemand. Und ein Gericht ist eben kein orientalischer Teppichhändler, sondern ein Gericht. Das Bundessozialgericht wird die Anforderungen an die Stadt Wilhelmshaven nicht senken, nur weil diese jetzt ein paar Euro mehr anbietet als bisher.

Aha! „…, da die Sozialgerichte der 1. Instanz bei Entscheidungen über die angemessenen Unterkunftskosten in Wilhelmshaven die Beträge aus dem Urteil vom 11.12.2008 anwenden.“ Das klingt doch gut! Es zeigt, dass auch das Sozialgericht Oldenburg die tatsächlichen Unterkunftskosten bis zu der Höhe, die in der Tabelle rechts steht, als angemessen erkennen wird. Wer also auch mit den von der Stadt neu errechneten Grenzen seine Miete nicht voll zahlen kann, soll klagen. Und ganz bestimmt ist es auch sehr sinnvoll, wenn alle ihre Bescheide genau überprüfen – wer weiß, ob das Job-Center tatsächlich gewährt, was die Stadt jetzt herausrücken will.


100 Euro

im Schuljahr, das ist in diesem Jahr das Geschenk des Gesetzgebers für die Kinder, die von Hartz IV betroffen sind. Und was ist mit Kindern allein erziehender Mütter und Väter, die durch Unterhalt oder Unterhaltsvorschuss, Kindergeld und Wohngeld so viel Einkommen haben, dass sie nicht mehr bedürftig sind, also aus der Bedarfgemeinschaft herausfallen? Aus den Alg II-Bescheiden geht nicht hervor, ob es dieses „Geschenk“ geben wird. Es wird im August ausgezahlt – oder nicht ausgezahlt. Wenigstens ist klar, dass auch die Kinder, die kein Sozialgeld bekommen, Anspruch darauf haben. In den Hinweisen zur entsprechenden Gesetzesänderung steht das ganz klar. Darauf sollten Hartz IV-Berechtigte mit Kindern im schulpflichtigen Alter im August achten und, wenn die 100 Euro fehlen, sofort beim Job-Center nachhaken. (noa)  

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