Nichtraucherschutz
Mrz 050208
 

Dichter Qualm

„Hase-und-Igel“-Spiel zwischen Wirten und Behörden

(noa) Das „Niedersächsische Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens“ ist seit einem halben Jahr in Kraft. Während sich einige Kneipenwirte anfänglich noch darüber hinwegsetzten, drohen seit dem 1. November bei Verstößen Geldbußen.

Verglichen mit anderen Themen gibt es zum Rauchverbot wenig Presseberichterstattung. Das mag u.a. daran liegen, dass das Thema „Rauchen“ geeignet ist, beinahe jede Gruppe zu spalten. Überall gibt es Nicht-, Nichtmehr-, Immernoch- und unbelehr- und unbekehrbare Raucher. Wie soll man da Stellung nehmen?
In einem Wilhelmshavener Lokal waren zum 1. August alle Aschenbecher verschwunden. Der Wirt, selber Nichtraucher, der jahrelang darunter gelitten hatte, in dichten Qualmwolken arbeiten zu müssen, war erleichtert, dieser Plage nun endlich ledig zu sein. Nachdem am ersten Fußballsamstag sein Laden leer geblieben war, standen dort aber schnell wieder die Ascher auf den Tischen, und bis Ende Oktober lief das Geschäft wieder ganz gut.
Im Rathaus gab es die „Schonfrist“ bis zum 31. Oktober nicht. LAW-Ratsherr Johann Janssen (selber seit langem weg vom Nikotin) mochte es sich aber nicht mit ansehen, wie die RaucherInnen unter seinen RatskollegInnen sich in den kurzen Sitzungspausen bei jedem Wetter an die Rathausmauer drücken mussten, und beantragte einen Raucherraum, um den Rauchern „ihre Raucherwürde wieder zu geben“. Natürlich ging der Antrag nicht durch. Es gab Gemoser von verschiedenen Seiten, u.a. vom FDP-Ratsherrn von Teichman, der (als Mediziner) eifriger bis eifernder Nichtraucher ist. Wie kann Janssen (ebenfalls Mediziner) diesem gesundheitsschädlichen Laster das Wort reden? – das schwang mit. Von Teichmans Fraktionskollegin Susanne Bauermeister sieht beim Thema Rauchen einen ganz anderen Aspekt. In ihrem Statement zur Landtagswahl, bei der sie sich für ihre Partei um das Wilhelmshavener Direktmandat bewarb, beklagte die Wirtschaftsfreundin die existenziellen Probleme der 2.000 Einraumkneipen in Niedersachsen und fragte: „Warum muss hier der Staat lenkend eingreifen und dem Bürger seine Mündigkeit absprechen?“
Johann Janssen fürchtet ebenfalls um die Kneipen, nicht aber vordergründig wegen der Existenzsorgen der Wirte. Das durchaus auch, mehr aber wegen der sozialen Funktion der Kneipen: Die Vereinzelung der Menschen schreitet noch schneller fort, wenn die Raucher zu Hause bleiben und die Kneipen schließen müssen, so dass am Ende auch die Nichtraucher zu Hause bleiben müssen. Doch auch sein Wunsch nach einer Resolution des Rates an das Land mit dem Ziel der Änderung des Gesetzes wurde nicht erfüllt – obwohl die SPD-RatsvertreterInnen geschlossen mit ihm stimmten.
Die Einzigen, die in Wilhelmshaven schon vor dem 1. November aktiv wurden, waren die, deren Existenz unmittelbar bedroht ist, die Wirte. Am 22. September organisierten sie eine Demonstration zum Rathaus, wo sie ihre Resolution gegen das neue Gesetz jedoch nicht loswerden konnten – samstags arbeitet da niemand; wie soll jemand, für den der Samstag ganz selbstverständlich zur Kernarbeitszeit gehört, daran denken? Und es waren auch längst nicht alle gekommen, die ihre Teilnahme vorher angesagt hatten. Der „zweite Versuch“, der laut WZ vom 24.09.07 vorgesehen war, fand bisher nicht statt – mal sehen, ob die WirtInnen und ihre Stammgäste sich doch noch einmal aufraffen können.
RaucherNachdem im November die im Hotel- und Gaststättenverband Dehoga organisierten Wirte ihre Volksinitiative gegen das Rauchverbot gestartet haben (WZ, 27.11.07) und der LAW-Antrag im Rat (s.o.) überdies gescheitert ist, können die Wilhelmshavener Kneipiers sich diese Mühe vielleicht auch sparen. Einige von ihnen haben sich z.T. höchst pfiffige Lösungen ihres Problems ausgedacht. Peter Wach, Wirt der „Deutschen Bucht“ in der Ulmenstraße, hat zusammen mit seinen Stammgästen einen Schach- und Kommunikationsverein gegründet. Schach ist ein Sport, und für die Gastronomiebetriebe von Sportvereinen gilt das Nichtraucherschutzgesetz nicht. Auf die Androhung des Ordnungsamtes, seinen Fall genauestens zu prüfen, da der Verdacht bestehe, dieser Verein sei eine verkappte Kneipe, reagierte Wach gelassen, und, wie es scheint, hatte er damit Recht. Die WZ vom 01.11.07 berichtete, dass der „Wilhelmshavener Schach- und Kommunikationsverein“ als Verein und die „Deutsche Bucht“ als Vereinsheim anerkannt ist, der Wirt (Pardon! – der Vereins- Geschäftsführer) also „zunächst aus allem heraus“ ist.
Zunächst… Ob das anhält, ist nicht sicher. Es spricht nämlich vieles dafür, dass in Sachen Nichtraucherschutzgesetz eine Art „Hase-und-Igel“-Spiel in Gang gekommen ist. Die Spielregel lautet: „Einer der Spieler stellt die Staatsgewalt, der andere einen Wirt dar. Beide versuchen, sich gegenseitig mit juristischen Winkelzügen und schlauen Begründungen zu überlisten. Einen endgültigen Sieger gibt es bei diesem Spiel nicht, da die Zahl der Winkelzüge unbegrenzt ist.“
Was zum Beispiel im „Bistro Galerie“ seit einiger Zeit abläuft, deutet auf genau diese Art Spiel hin.
Wolfgang Drescher hat zwei nebeneinander liegende, durch einen Gang miteinander verbundene Lokale: das „Bistro“ und das „Liner“ (Pardon: Das heißt jetzt nicht mehr so!). Wie die WZ im o.g. Artikel berichtete, saß er „am Freitagabend zur besten Kneipenzeit im Bistro mit zwei Nichtrauchern zusammen. Derweil im ‚Liner’, das Drescher schon vor einigen Wochen gesetzeskonform als kleineren Teil des Bistro zur ‚Raucher-Lounge’ deklariert hat, die Theke und mehrere Tische besetzt waren.“
Das war die erste Hürde: Die Abteilung, in der geraucht werden darf, muss kleiner sein als die Nichtraucherabteilung.
Die nächste Hürde: Im Raucherbereich darf nicht das Hauptgeschäft stattfinden. Ja, wie bitte soll ein Wirt das regulieren? Wenn die Leute nun mal eben mehrheitlich in die Raucherabteilung strömen?
Drescher musste beim Amt auflaufen und erfuhr, im Raucherbereich dürfe keine Schankanlage sein. Hm. Das ließe sich einrichten. Aus dem „Bistro mit Raucherlounge“ könnten wieder zwei Lokale werden, beide mit Nichtraucherbereich (mit Schankanlage) und Raucherbereich (ohne). Aber warum eigentlich? Im Gesetz steht weder etwas darüber, in welcher Abteilung ein Wirt das meiste Geld verdienen darf, noch, dass es eine Schankanlage nur im Nichtraucherbereich geben darf. Auf der Homepage der Staatskanzlei stehen allerdings auch „Fragen & Antworten zum Nichtraucherschutz“, und da kann man nachlesen, dass der (Raucher-) Nebenraum „seiner Größe und Bedeutung nach ein untergeordneter Raum sein“ muss. „Der Nebenraum darf nicht der Schankraum, nicht der Festsaal … sein.“ Und auf diese „Fragen & Antworten“ beziehen sich jetzt die Ämter in ihrer Genehmigungspraxis? Obwohl es im Gesetz selber gar nicht steht?
Nun schöpfen Wirte und rauchende Gäste wieder Hoffnung: In Rheinland-Pfalz haben Wirte von Ein-Raum-Kneipen beim Verfassungsgerichtshof eine Eilentscheidung erwirkt, die das Rauchverbot kippt (vgl. WZ vom 13.02.08). Doch „am Gesetz wird nicht gerüttelt“, sagte der Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums, denn es sei „klar und stringent formuliert“. Den Eindruck hat man ja eher nicht, wenn man erfährt, was verschiedene Wirte bei verschiedenen Ämtern erfahren haben. Und entsprechend unsicher sind manche Wirte. Das geht so weit, dass einer, der eine nach Auskunft seines Anwalts gesetzeskonforme Lösung gefunden hat, lieber nicht in diesem Artikel genannt werden will, um keine schlafenden Hunde zu wecken.

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