Agnes Miegel
Apr. 232008
 

Umbenennung angebracht

Hinter den Kulissen: Langsam tut sich etwas in Sachen Agnes-Miegel-Schule

(noa) „Bisher hat die Auseinandersetzung mit Agnes Miegel noch zu keiner größeren öffentlichen Debatte über Beibehaltung oder Aberkennung des Namens der Realschule im Stadtnorden geführt.“ So stand es im Inserat der LAW (linke alternative wilhelmshaven) im letzten Gegenwind.


Stimmt, außer einem WZ-Interview mit dem Leiter der Agnes-Miegel-Schule („Keine Partei hat sich des Themas angenommen“, WZ vom 28.12.07) und einer Sendung des Nordwestradios (sh. GW 233) ist wenig passiert, nachdem LAW-Ratsherr Johann Janssen in der Ratssitzung am 28.11.07 die Verwaltung – vergeblich und ohne Resonanz von anderen Ratsmitgliedern – aufgefordert hatte, zu überprüfen, ob Agnes Miegel angesichts ihrer Unterstützung des Nazi-Regimes geeignet ist, Namensgeberin einer Schule zu sein.
Horst Simmersbach aus Wilhelmshavens Stadtnorden hat dazu in einem Brief an den Gegenwind eine Deutung gewagt. „Es freut mich natürlich, dass Johann Janssen seine politischen Gegner nicht nur ökologisch, sondern auch kulturell fordert. Diese werden dabei eine gewisse Verständnislosigkeit zeigen, deren Ursache weniger in einer braunen Gesinnung als in einer Überforderung zu suchen sein wird.“
Als ehemaliger Agnes-Miegel-Schüler hat Simmersbach nun darüber nachgedacht, ob eine Umbenennung der Schule angezeigt ist. Er schreibt. „Als wir damals den Übergang auf eine Mittelschule anstrebten, standen die Agnes-Miegel-Schule und die Freiher-vom-Stein-Schule zur Verfügung. Die Herrschaften, nach denen diese Schulen benannt waren, waren uns nicht bekannt.
Die Kinder, die im Stadtnorden wohnten, wurden praktischerweise generell in die FGrodener Schule eingeschult. Dass diese Schule den Namen einer weitgehend unbekannten ostdeutschen Dichterin trug, konnte in einem Stadtteil, in dem alle Straßen nach Orten, Personen und Flüssen aus den deutschen Ostgebieten benannt waren, niemanden ernstlich irritieren. Nach welchem östlichen Albrecht die gleichnamige Straße benannt wurde, dürfte auch bis heute nur Zeitgenossen mit Spezialwissen zugänglich sein.“
Horst Simmersbach vermutet im weiteren Verlauf seines Briefes, dass die damaligen Stadtväter die Realschule gewiss nicht nach Agnes Miegel benannt hätten, wenn ihnen klar gewesen wäre, dass diese Dichterin den Nationalsozialisten sehr nahe stand. Zum Zeitpunkt der Namensgebung war „übrigens ein Namensvetter des heutigen LAW-Ratsherrn“ Oberbürgermeister, und dieser „war ein bemerkenswerter Mensch mit unerschütterlichen Überzeugungen. Er war Sozialdemokrat aus innerer Einstellung, die er auch vorgelebt hat. Seine Eigenschaften heben ihn bis jetzt deutlich ab von dem heute verfügbaren Personal, das sich aus verschiedensten Gründen sozialdemokratisch nennt.
Ich halte es daher für durchaus möglich, dass die Namensgebung der Schule ohne tiefergehende Absicht aus den gleichen Gründen erfolgte, aus denen die heute Verantwortlichen sich nicht gern mit einer Umbenennung befassen möchten. Es fehlte das kulturelle Hintergrundwissen über die Einzelheiten der Arbeit und des Lebens der Schriftstellerin.“
Nun, diesem Unwissen könnte man ja abhelfen. LAW-Ratsherr Janssen hat sein Wissen über Agnes Miegel u.a. durch Recherchen im Internet erworben, und er hält das, was er herausgefunden hat, nicht geheim.
Vielleicht ist die Tatsache, dass die jetzigen Schülerinnen und Schüler der AMS sich zu der von Janssen angezettelten Auseinandersetzung bislang nicht öffentlich äußern, aus der Situation von SchülerInnen heraus verständlich. Auch dazu äußert sich Horst Simmersbach in seinem Brief. Er musste damals Gedichte von Agnes Miegel – wie von anderen Dichtern – lernen, und darunter war keines „so furchtbar wie das abgedruckte ‚An Deutschlands Jugend’. (…)“
Und weiter: „Die Frage, ob Agnes Miegel auch heute noch zum Vorbild taugt, hat mich befremdet. Eine solche Vorbildfunktion hat sie nie für uns gehabt, und die Schulleitung hat auch nie angestrebt, ein solches Bild aufzubauen. (…)
Agnes Miegel war für uns Schüler eine Schriftstellerin von mehreren, mit denen wir uns befassen mussten. Dass unsere Schule nach ihr benannt war, war mäßig interessant, führte aber keineswegs zu einer besonderen Hinwendung an ihre Arbeit oder ihr Leben, die natürlich im Unterricht auftauchten. Ein Bezug zu Themen des Nationalsozialismus wurde im Zusammenhang mit der Schriftstellerin nicht hergestellt und war für uns nicht erkennbar.“
Sicher war die Frage, wer oder was Agnes Miegel war, bis zu Johann Janssens diesbezüglicher Anfrage im Rat für die heutigen Agnes-Miegel-SchülerInnen ebenso nebensächlich wie in den sechziger Jahren für Horst Simmersbach. Einem Artikel im „Rohrstock“, der Zeitung des Kreisverbandes Wilhelmshaven der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, ist zu entnehmen, dass sich das nach Janssens Vorstoß im Rat geändert hat. Unter der Überschrift „Gütesiegel Agnes Miegel?“ heißt es da: „Der sensible Umgang mit unserer Vergangenheit ist dabei ein wichtiger und konstituierender Bestandteil unserer demokratischen Identität, unseres politischen Bewusstseins. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist sicherlich zurzeit keine dringende Tagesaufgabe, sie hat sich aber auch nicht damit erledigt, dass die nationalsozialistischen Symbole grundgesetzlich verboten und in der Öffentlichkeit verbannt und ausgemerzt sind. Der qualitative Sprung zur nationalen Identität wird dadurch deutlich, dass wir Bürger einbezogen sind in die Gestaltung der Demokratie und den Wandel der Gesellschaft vorantreiben. In diesem Punkt nun ist das Engagement der Politiker, der Lehrer und Erzieher gefragt, um der fatalistischen Politikverdrossenheit bei einem Teil der jungen Menschen entgegenzuwirken.“
Johann Janssens Initiative vom letzten Spätherbst nennt der Artikel „bemerkenswert und konsequent“. Und: „Begrüßenswert ist, dass Lehrer, Eltern und Schüler dieser Schule aktiv werden, Informationen über Agnes Miegel und deren stützende Aktivitäten für den Nationalsozialismus recherchieren, sich mit der unheilvollen ‚Blut-und-Boden-Euphorie’ der Dichterin auseinandersetzen. Die Erkenntnis wächst, dass allein ihre Heimatlyrik, ihre völkische Zuwendung zur Jugend sich problemlos in die NS-Ideologie einordnen lässt und als Stütze des NS-Regimes begriffen werden muss.“
Es müssen also gar nicht „so furchtbare“ Gedichte sein, um zu zeigen, wes Geistes Kind Agnes Miegel war.
Eine Umbenennung der Schule, so weiter im Rohrstock-Artikel, wäre gut und würde zu einer neuen Qualität von Identifikation mit der Schule führen. Auch Horst Simmersbach hält eine Umbenennung der Schule „unaufgeregt für angebracht“ und macht gleich einen Vorschlag für einen neuen Namen. „Eine hübsche Idee wäre es vielleicht, die ehemalige Schule Warthestraße, in der viele Kinder der Nachkriegszeit ihre Schulbildung (…) erhielten, wiederaufleben zu lassen. Aus dieser Barackenschule sind kluge und erfolgreiche Erwachsene hervorgegangen, die sicherlich erfreut über diese Ehrung wären. Das Gebäude befand sich nur wenige hundert Meter weiter in derselben Straße. Sogar der Bezug zu den ostdeutschen Gebieten bliebe gewahrt. Flüsse sind unpolitisch, beweglich und durchfließen auch hartnäckige Grenzen.“

 

Wie es im „Rohrstock“ heißt: Agnes Miegels „Heimatlyrik“, ihre „völkische Zuwendung zur Jugend“ reicht, um zu zeigen, dass sie begeisterte Nationalsozialistin war. Hier ist noch ein Gedicht zum Beleg:

An die Reichsfrauenführerin Scholtz-Klink
Laß mit den andern Schwestern heute mich kommen,
Dir zu danken für diese Jahre des Wirkens,
Dir zu danken, dass Du so weise uns alle
Eingebaut in das Werk, das alle vereinte!
Haus, das der Führer für uns wie ein Vater erbaut hat,
Das für uns Frauen dann Du, die Frau, so wohnlich gestaltet
Allen zum Heil und jeder einzeln zum Segen!
Nicht als Jugend mit Jugend – mit Jungen und Alten
Hast Du’s gefügt und hast das Schwerste gemeistert.
Die noch nie so Vereinten einmal zu einen,
Daß sie freudig dem großen Gedanken dienen,
Wie Du es vorlebst. Und leicht ist das Lernen,
Wenn Verehrung uns lehrt. Und tief ist die Freude,
Dann zu wissen, wie Du das eigene stille
Walten der Mütter ehrst und ihnen die erste
Würde wiedergegeben, die einst sie besaßen. –
Aber dies danke ich Dir und mit mir die Meinen,
Die Kunstfertigen, die Dichtung und Teppiche weben,
Und die sinnenden, weisen und heilenden Schwestern!
Daß Du Mutter, es fühltest, auch wir sind Mütter,
Glühend danach, für das Leben des Volkes zu leben,
Und zu verströmen dafür und freudig zu dienen,
In dem Werk, das Du für uns alle gefügt hast.

Agnes Miegel 1939

 

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