PPP – Public Private Partnerships
Apr 012009
 

Mehr Schatten als Licht

Ratsmehrheit für „Public Private Partnerships“ auf der Kippe

(iz/hk ) Noch vor gut einem Jahr sprach sich der Rat der Stadt mehrheitlich dafür aus, größere Investitionsvorhaben statt durch Bankkredite durch „Public Private Partnerships“ zu finanzieren. Doch nicht nur Steuerzahler/innen, auch die Beschäftigten der Stadt sehen die so genannten „PPP“-Modelle kritisch. Die Gewerkschaft ver.di lud Politik und ExpertInnen zu einer Podiumsdiskussion, die auch bisherige Befürworter ins Grübeln brachte.


Vorab zum Verständnis der PPP-Modelle: Vorhaben wie z. B. Schulsanierungen werden von einem privaten Investor vorfinanziert und durchgeführt. Die Stadt mietet die Gebäude über einen längeren Zeitraum zurück; so lange sorgt der Investor (zumindest theoretisch) für die Instandhaltung. Aktuell sollen in Wilhelmshaven nach diesem Modell, mit einem Finanzvolumen von 37 Mio Euro, mehrere Schulen saniert werden – Anlass und Kernthema der Podiumsdiskussion, die Michael Ramke (ver.di) moderierte. Eingeladen waren Vertreter aller sechs im Rat vertretenen Parteien, Dieter Kanth als Vertreter von ver.di und städtischem Personalrat, und Robert Kösling, bundesweit tätiger Experte und Berater für urbane Infrastruktur und PPP.
Eingangs schilderte Kanth die wesentlichen Bedenken gegen PPP:

  • Verlust von Tarifverträgen (wenn städtische in private Aufgaben umgewidmet werden),
  • schlechterer Arbeits- und Gesundheitsschutz für die Beschäftigten,
  • Verlust politischer Steuerungsmöglichkeiten durch den Rat „bei Entscheidungen, die das Gesicht der Stadt über Jahrzehnte prägen“.

Im Raum stand auch die Frage: Kommt die Stadt tatsächlich günstiger dabei weg als bei der Eigenerledigung mit Finanzierung durch Banken, bzw. wer macht bei dieser „Partnerschaft“ das bessere Geschäft? Der Kreis Offenbach z. B. muss durch Einführung von PPP seit 2005 für die Gebäudebewirtschaftung der Schulen doppelt so viel Geld pro Jahr in den Haushalt einstellen wie bisher (60 statt 30 Millionen Euro). Seit dem Jahr 2003 hat sich die Verschuldung des Kreises mehr als vervierfacht. Und was passiert, wenn der Investor pleite geht? Für Kanth wirft die PPP-Option „mehr Schatten als Licht“, und deshalb könne „von einer PPP-Euphorie in ganz Deutschland keine Rede sein“. Kanth machte klar, dass etwas geschehen muss, „aber nicht mit PPP!“
Im Anschluss kamen die Ratsvertreter zu Wort. Die CDU (Michael Hellwig) steht weiterhin zu PPP und bezieht sich auf „bundesweit überwiegend gute Erfahrungen“. Entlassungen städtischer Mitarbeiter habe seine Partei dabei aber schon in der Ratsdebatte (11/2007) ausgeschlossen. „Ganz offensiv für PPP“ streitet die FDP (Michael von Teichman) und bezieht sich dabei auf Aussagen der N-Bank („Beschlüsse brauchen Treiber“) und ein Gutachten der Verwaltung. Weil die Kommunen die Lasten auf Dauer nicht mehr schultern können (gemeint ist ein Bauunterhaltungsrückstand von 30 bis 40 Mio. Euro), müssen PP-Partnerschaften „im Interesse derjenigen, die in den Gebäuden leben und arbeiten“, realisiert werden.

SPD: Finger weg von PPP

Als lernfähig erwies sich SPD-Sprecher Siegfried Neumann, der mit einer aus seinem Munde ungewöhnlich klingenden Aussage in die Debatte einstieg: „Der Kapitalismus ist am Ende und der Sozialismus erlebt eine Renaissance“. Zwar hatte seine Partei sich damals auch grundsätzlich dafür ausgesprochen, die PPP-Variante zu prüfen – jetzt nannte er einige Beispiele, die der Überprüfung nicht standhalten. So das „Contracting“-Modell mit den Stadtwerken zur Sanierung des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums. Als die Reparatur des Daches (unter dem die Diskussion stattfand) anstand, fühlten sich die Stadtwerke nicht zuständig. Auch der Umbau des City-Hauses – ein PPP-Modell zwischen der Stadt und ihrer Tochter Sparkasse – ist bis heute nicht zufriedenstellend umgesetzt. Neumann bezweifelt, dass sich in einem PPP-Vertrag mit einer Laufzeit von 20 Jahren alle Unwägbarkeiten regeln lassen. Sein Fazit: „Finger weg vom Riesenprojekt Schulsanierung – PPP derzeit lieber nicht!“ Durch das Konjunkturpaket stünden ausreichend Gelder zur Verfügung, um – mit einem Anteil von einem Drittel städtischer Komplementärmittel – erst einmal die Sanierung der IGS anzugehen, womit ein Volumen von 7 Mio. Euro schon abgearbeitet wäre.

Nachher ist keiner schuld

„Pleiten, Pech & Pannen“ ist eine beliebte Verballhornung von PPP – für BASU-Sprecher Joachim Tjaden auch eine zutreffende. Seine Internetrecherche hat ergeben, dass in vielen Kommunen PPP-Projekte nach hinten losgegangen sind. Tjaden: „Die Bürgerinnen und Bürger haben das alles schon mit ihren Steuergeldern bezahlt, das Geld wurde aber einfach für andere Dinge ausgegeben.“ (Anm. d. Red.: Z. B. für die JadeWeserPort-Infobox, eigentlich eine Werbeveranstaltung der Hafenwirtschaft, oder die Versiegelung großer leerstehender Plätze …). Ein großes Risiko sieht Tjaden im Konstrukt der privaten Sub-Sub-Sub…-Unternehmer: „Wenn etwas schief geht, ist nachher keiner schuld“. Als Beispiel nannte er das Problem mit der Beckentemperatur im „Nautimo“, das keiner beheben will.
Auch bei Werner Biehl, der für die Grünen auf dem Podium saß, überwog die Angst vor der Unwägbarkeit der PPP-Modelle. Er befürchtet, dass die Kommunen von den privaten Partnern über den Tisch gezogen werden. Doch für Biehl steht auch die Frage im Raum, wie der Renovierungs-/Investitionsstau beseitigt werden kann.
Für die LAW (Johann Janssen) ist die Übergabe öffentlicher Aufgaben, Eigentümer und Verantwortung an Private kein Thema. Janssen: „Mit PPP gibt man den eigenen Einfluss auf das Geschehen in den Schulen, ja zum Teil gar in der gesamten Kommune, aus der Hand.“
So sah es am Ende des Abends nach einer klaren Mehrheit gegen PPP aus. Doch wie ging es dann weiter?
Anfang März stimmte auch der Werksausschuss der Grundstücks- und Gebäudeservice Wilhelmshaven gegen die Weiterführung des Modells PPP. Doch im Rat ließen sich die etwas wackeligen Grünen zumindest für einen Kompromiss wieder mit ins Boot holen. Zusammen mit ihren ehemaligen „Jamaica“-Kollegen CDU und FDP und der Stimme des OB erreichten sie eine knappe Mehrheit für ein PPP-Testmodell: Für die geplante Zusammenlegung der verbliebenen Wilhelmshavener Gymnasien soll eine PPP-Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellt werden. Die Entscheidung, ob dieses Projekt dann tatsächlich PPP-finanziert wird, liegt allerdings erneut beim Rat.Es mag Beispiele geben, wo PPP sich wirtschaftlich ausgezahlt hat. Das Risiko ist für eine ohnehin überschuldete Stadt aber sehr hoch – siehe Offenbach. Und egal wie es ausgeht: Verlierer sind immer die Beschäftigten der betroffenen städtischen Einrichtungen – sie zahlen die Zeche dafür, dass der Investor ein (vermeintlich) günstiges Angebot unterbreitet und trotzdem satte Gewinne einstreicht.
Robert Kösling, Experte und Berater für urbane Infrastruktur und PPP, berichtete, dass PPP durchaus auch Kostenvorteile bringen kann; er schränkte seine Aussage aber gleich ein: „Vorteile könnte es bei Neubauten geben – Sanierungsprojekte lohnen nie!“

Kommentar:

PPP: Kaum besser, aber viel teurer – „Versteckte Schulden zulasten künftiger Generationen“
„Der Präsident des Bundesrechnungshofes (BRH), der auch als ‚Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung’ firmiert, hat ein Gutachten zu vier Vorzeigeprojekten mit Öffentlich-Privaten Partnerschaften verfasst. Ergebnis: Die Autobahnen werden kaum schneller oder besser ausgebaut, dafür aber viel teurer“, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ am 15.03.2009. Verkehrsminister Tiefensee kassierte einen Rüffel für das „Finanzfiasko an der Autobahn“, darunter auch die A1 zwischen Bremer Kreuz und dem Dreieck Buchholz. Die Gutachter hinterfragen „besonders hart die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, auf deren Grundlage die Projekte geplant und angeschoben wurden … Entweder geraten die beteiligten Unternehmen durch die
Projekte in die Insolvenz oder der Staat verschwendet Unmengen an Steuergeldern. ‚Dabei geht es um Milliardensummen’, sagt der Grünen-Verkehrs-Experte Andreas Hofreiter, der Tiefensee einen ‚skandalös leichtfertigen Umgang mit Steuergeldern’ vorwirft. Die Kritik trifft ein Modell, das sich angesichts knapper Kassen bei vielen Politikern seit Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut. Bei Öffentlich-Privaten Partnerschaften im Autobahnbau erhalten Unternehmen in der Regel für 30 Jahre die Konzession für einen bestimmten Streckenabschnitt, den sie ausbauen, betreiben und erhalten müssen. Im Gegenzug bekommen sie während der Vertragslaufzeit den weitaus größten Teil der auf der Strecke anfallenden Mautgebühren sowie bei einigen Projekten einen Teil der anfallenden Baukosten als Anschubfinanzierung. Durch diese Konstruktion fallen zunächst relativ geringe Kosten an. Allerdings werden Einnahmen der Zukunft schon heute verpfändet. ‚Es werden heimlich und versteckt Schulden zulasten künftiger Generationen gemacht. Die verantwortlichen Politiker können jetzt mit Projekten protzen, bezahlen aber müssen das später andere“, kritisiert Hofreiter. … Erlaubt sind solche Modelle nur, wenn Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen ergeben, dass sie für den Bund im Vergleich zu konventionellen Auftragsvergaben über die Behörden vorteilhafter sind. Bei den Pilotprojekten hat der Rechnungshof daran deutliche Zweifel.“
Auch die Kommunalaufsicht sieht PPP nicht als Königsweg zur Entschuldung finanzschwacher Kommunen, wie die Stadt Lüneburg jetzt aus Hannover erfuhr. (Hamburger Abendblatt, 25.3.2009) Die Stadt Cannstadt kaufte jetzt ihr Wellnessbad von einem Bauunternehmer zurück, der das 1994 eröffnete Bad zu Beginn der 90er Jahre in Eigenregie gebaut und dann an die Stadt bis ins Jahr 2016 vermietete. „Was damals von der Stadt als frühe Form des „public private partnership“ gefeiert wurde, entpuppte sich rasch als gutes Geschäft – allerdings nur für den Investor. Die Baukosten beliefen sich damals auf rund 27 Millionen Euro zuzüglich Zinsen, die Stadt hätte im Gegenzug bis zum Auslaufen des Vertrages aber insgesamt rund 100 Millionen Euro Miete zahlen müssen.“ (Stuttgarter Zeitung 25.3.2009) „Hinzu kam, dass das Hochbauamt 2008 gravierende Mängel beim Bau des Bades feststellen musste. Offenbar waren unter anderem Materialien verwendet worden, die dem aggressiven Mineralwasser nicht gewachsen waren“. Die „Sparsamkeit“ des Investors kann also lebensgefährlich werden.
Die Immobilien Zeitung (12.03.2009) attestiert: „Public Private Partnerships (PPP) leiden zurzeit gleich mehrfach: Der Rückzug vieler Banken aus dem langfristigen Kreditgeschäft treibt zum einen die Finanzierungskosten in die Höhe. Zum anderen stellen viele Kommunen infolge des Konjunkturpakets ihre PPP-Vorhaben zurück. Hinzu kommt ein Imageproblem … Während Branchenexperten noch vor einem Jahr einen Run von Investoren und Banken auf PPP-Projekte aufgrund der langfristigen und risikoarmen Strukturen prophezeiten, ist heute das Gegenteil und weitgehend Ernüchterung eingekehrt. Immer weniger Banken sind in diesem Segment noch aktiv. Langfristige Finanzierungszusagen traut sich fast keiner mehr zu, und für größere Projekte müssen mehrere Finanzierungspartner ins Boot geholt werden, was den Aufwand und die Kosten explodieren lässt. Hinzu kommen die ohnehin gestiegenen Refinanzierungskosten der Banken, die sich in teureren Konditionen niederschlagen.“ (iz)

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