Kult
Wenn es auf die Welt kommt, soll es immer einen orangefarbenen Pullover tragen, dann kann man es schon von weitem sehen. Und mit sieben Wochen kommt es in den Kinderhort, damit seine Eltern fleißig dem Fischfang nachgehen können. Natürlich muss es auch lernen, wie man Fische fängt. Von sanftem Gemüt ist sein zukünftiger Vater, aber käme das Kleine eines Tages und würde sagen: ,,Papa, ich will nicht Fische fangen“, dann wäre Schluss mit der Contenance, dann garantiert er für nichts.Voller konkreter Pläne sind die erwartungsfrohen Eltern eines kleinen, weißen Eies in ,,Eier und Eltern“, dem Jugendstück der holländischen Autorin Heleen Verburg. Aus der einfachen und zugleich seltsamen Geschichte von dem menschlichen Pinguinpaar, das ein Ei legt und vergeblich auf den Nachwuchs wartet, ist unter der Regie von Ueli Blum ein poetisches und komisches, geradliniges und klares Stück geworden. In schlichten, aber eleganten Kostümen und mit genau jenem Bewegungsablauf zwischen Würde und Drolligkeit, der für die charmanten Südpolaner so charakteristisch ist, faszinieren und bezaubern Kati Stüdemann und Reto Baumgartner. Vom Verlieben über den ersten Streit darüber, wer das Ei ausbrüten darf, bis zum Einkauf von allerhand Sachen, „weil man eben Sachen braucht, wenn man ein Kind erwartet“, und schließlich zum Abschied – vielleicht bis zu einem neuen Versuch im nächsten Jahr – reicht die Entwicklung der Figuren. Warum es nicht klappt mit dem Ei und dem Wesen, das ihm doch eigentlich entschlüpfen sollte, das ist die Frage, auf die es allerhand mögliche Antworten gibt: Vielleicht möchte es nicht ,,so weit von zu Hause“, nämlich am Pol, sondern am Wattenmeer, geboren werden, wo statt frischem Fisch ein Berg von Konservensardinen auf es wartet, weil seine Mama das angesichts der Meeresverschmutzung für gesünder hält. Vielleicht bietet eine Welt voller Plastik und Konserve allzu wenig Möglichkeit zum Leben, vielleicht hatte es auch keine Lust auf orangefarbene Pullover. Eier und Eltern ist eine Geschichte, die das Nachdenken befördert und eine ganze Reihe von Antworten anbietet, ohne zu bevormunden.
Die letzten freiverkauften Vorstellungen im Jungen Theater sind am Samstag, 8.4., um 20.00 Uhr, und am Sonntag, 9.4., um 15.00 Uhr. Kartenvorbestellungen nimmt die Theaterkasse unter Tel. 0442119401-16 entgegen.
Das war nicht so prall, was uns „Die Circen“ (bzw. die Veranstalter) zum Internationalen Frauentag am 8. März im Pumpwerk boten. Genauer gesagt: Die beiden Circen passten so gut zueinander wie Gummistiefel zum kleinen schwarzen Minikleid.Circe 1, Gabriele Lange, gefiel uns nämlich mit ihren „sittlich-sinnlichen Chansons am Rande der Wahrheit“ im ersten Teil des Programms sehr gut, überzeugte stimmlich wie mimisch mit ihren Interpretationen mehrerer Chanson-Klassiker von Friedrich Hollaender und Georg Kreisler. Die Kritik „Tim Fischer ist aber besser“ lassen wir nicht gelten, denn jede/r interpretiert anders, und Tim Fischer ist nach unserer Kenntnis überwiegend keine Frau.
Auch im zweiten Teil erfreute uns Gabriele Lange mit stimmlicher Ausdruckskraft und zusätzlich an der Gitarre. Ihre Partnerin Iris Kuhn beherrscht, wie sie im ersten Teil unter Beweis stellte, in der Tat das Klavier – sie hätte nur dort sitzen bleiben und die Klappe halten sollen. Denn was sie uns gesanglich wie „tänzerisch“ im zweiten Teil mit überwiegend eigenen Arrangements zumutete, war alles andere als „am Rande der Wahrheit“, sondern weit über den Rand der Peinlichkeit hinaus und: schlicht frauenfeindlich, und das keinesfalls in satirischer Form. Das Dummchen, das tollpatschig pfälzerisch auf Büttenreden-Niveau daherkommt. Warum sich ihre Partnerin darauf ein- lässt, blieb uns schleierhaft. „Männer mit Vorurteilen hätte das wohl begeistert“, meinten einige der Frauen, die teilweise schon zur Pause oder kurz danach flüchteten und in erbosten Diskussionen zu obigem Gesamturteil kamen. (Zum Glück waren außer den drei bemitleidenswerten Tontechnikern, die sich das antun mussten, keine Männer anwesend). War ja Frauentag. Die meisten Frauen blieben (pflichtschuldig?) sitzen, einige spendeten ausgerechnet Frau Kuhns Plattitüden begeisterten Applaus. Alle traten danach allerdings schlagartig den Heimweg an, so dass aus der geplanten anschließenden Party leider nix wurde: Das Vorprogramm als Stimmungskiller.
Wollten uns die Circen vielleicht symbolhaft vermitteln, dass Frauen auch die größten Qualen (wie z. B. diesen Auftritt) kritiklos oder sogar Begeisterung heuchelnd ertragen?
Notiz (oder Spitzfindigkeit?) am Rande: Die „WZ“ hatte am Vortag an die 10 ersten Anruferinnen Eintrittskarten verlost. Frau soll ja nicht undankbar sein, aber: Üblicherweise sind bei solchen Aktionen je zwei Karten zu gewinnen – hier gab’s nur je eine. Warum? Weil Frauen, die ihren Mann nicht mitnehmen dürfen, zwangsläufig allein losziehen? Zweite Pikanterie: Die Namen und Adressen der Gewinnerinnen wurden ohne vorherige Rücksprache in der WZ veröffentlicht – ignorierend, dass manche MitbürgerInnen im allgemeinen, und Frauen im besonderen, aus guten (zum Beispiel Sicherheits-) Gründen ihre Adresse lieber geheim halten möchten. (iz)
Volkstümliche Szenen aus dem neuen Deutschland von Franz Xaver Kroetz
„Lebenslängliche Haft für den jungen Neo-Nazi fordern Oberstaatsanwalt und Kammerpräsident vom ratlosen Richter, schließlich stehe das Ansehen Deutschlands auf dem Spiel. Der intellektuelle, ‚politische’ Dichter kann sich einmal mehr nicht dazu entschließen, die Umstände bei ihrem (faschistischen) Namen zu nennen. Ein enttäuschter Israelurlauber beklagt sich über den mangelnden Versöhnungswillen der Israelis, und ein deutscher Skinhead steht kurz vor der Erfüllung seiner Wünsche…
‚Aus aktuellem Anlass’ schrieb Franz Xaver Kroetz 1993 seine ‚Volkstümlichen Szenen aus dem neuen Deutschland’. Schlaglichtartig beleuchtet der Autor eine Gesellschaft, die geprägt ist von dem Traum vom wiedererstarkten Deutschland, von nationalistischen Parolen, von Oberflächlichkeit und Hass gegen ‚das Fremde’ Geprägt aber auch von gesellschaftlichem Stillstand: von Arbeits- und Perspektivlosigkeit, von existentiellen Ängsten und Einsamkeit ‚Ich bin das Volk’ ist – im Jahre 2000 leider nicht weniger als im Jahr seiner Entstehung – ein Zustandsbericht über Deutschland nach der Wende: nicht um jeden Preis politisch korrekt, aber ehrlich, ernst und trotzdem komisch.“
Soweit die Ankündigung der Landesbühne. Wir waren nach gespannter Erwartung doch etwas enttäuscht von der Premiere, fanden das Stück in sich etwas brüchig, zwischen wirklich guten Szenen, wo zwischen den Zeilen die feinen Nuancen des alltäglichen Faschismus zu Tage treten, bis zu plattem, plakativem, klischeetriefendem „Schülertheater“. Besonders peinlich die Schluss-Szene, in der mal eben der Kosovo-Konflikt verkitscht angerissen wird, ohne klaren Standpunkt – von welcher Seite auch immer – zu beziehen. Schade auch, dass in der lang ausverkauften Premiere eine Menge Schauspielerkolleg/innen den kleinen Saal füllten, während „echte“ ZuschauerInnen auf der Warteliste standen. Fazit: Gut, dass das Thema Neofaschismus immer wieder auf dem Spielplan steht, aber in diesem Fall schade um den Stoff. Etwas getröstet waren wir durch hervorragende schauspielerische und auch gesangliche Leistungen vor allem von Holger Teßmann, Matisek Brockhues und Stefan Diekmann. Vielleicht galt diesen der frenetische Applaus der Kolleg/innen, den wir ansonsten nicht recht nachvollziehen konnten. (iz)
Uraufführung / Auftragsarbeit von Thomas MatschoßPrinz Nicolas ist auf Staatsbesuch in Deutschland. Als Höhepunkt seines dreitägigen Aufenthaltes ist der Besuch des Prinzen bei einer ,,ganz normalen“, glücklichen deutschen Familie geplant. Die Wahl fällt auf Familie Bergmann. Doch deren Familienverhältnisse sind längst nicht so geordnet, wie Frank Bergmann in seiner Bewerbung vorgegeben hat. Frank selber ist arbeitslos und lebt getrennt von seiner Frau Monika und seinen pubertierenden Kindern. Den voraussichtlichen Medienrummel um den Besuch des Prinzen möchte er zur Jobsuche nutzen. Monika stimmt zu, die heile Familienwelt fürs Fernsehen vorzutäuschen – doch sie hat eigene Gründe: Prinz Nicolas ist ihr großer Jugendschwarm…
Thomas Matschoß hat für die Landesbühne eine turbulente Familienkomödie geschrieben, eine augenzwinkernde Satire auf die moderne Fernsehwelt mit all ihrem Starrummel, ihren Talkshows und TV-Romanen, und zugleich ein romantisches Märchen, das davon handelt, dass der Märchenprinz stets unerwartet kommt…
Regie führt Reinhardt Friese, für den ,,Der Besuch des Prinzen“ die zweite Inszenierung an der Landesbühne ist. Premiere am 29. April um 20 Uhr im Stadttheater.
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