Abschied vom T 750
Verein zum Erhalt der Bunker am Banter See e. V. lud zum Flashmob ein
(iz) Geschichte kann sehr unbequem sein. Um so wichtiger ist es, die Erinnerung zu bewahren, damit sich Gräuel der Vergangenheit nicht wiederholen. Doch trotz der Bemühungen und des Widerstands geschichtsbewusster Wilhelmshavener/innen wird mit dem Bunker an der Emsstraße schon wieder ein Mahnmal aus dem 2. Weltkrieg dem Erdboden gleich gemacht.
Am Morgen des 15. September hatte Holger Raddatz, Vorsitzender des Vereins zum Erhalt der Bunker am Banter See, schweren Herzens die Schlüssel abgeben müssen. Das Wochenende hatten er und seine Mitstreiter noch genutzt, um den Bunker ein letztes Mal zu besichtigen und ausführlich zu dokumentieren. Im Laufe des Tages sollten eigentlich schon Bauzaun und Bagger vor Ort sein. Doch noch lag der Bunker friedlich in der Abendsonne, als sich etwa 20 Menschen zum „Bunkerflashmob gegen das Vergessen“ versammelten.
Am Ostersamstag 2009 stand Raddatz schon einmal mit einer Menschenansammlung dort. „Betonierte Angst“ hieß der Passionspunkt am Truppenbunker der wenig später abgerissenen Banter Kaserne. Dies ist immer noch das Thema, das seinen Verein antreibt: Nicht die Bunker und die Zeit ihrer Entstehung zu verherrlichen, sondern zu dokumentieren. Das macht schon die Einleitung der Website deutlich: „Die Truppenmannschaftsbunker … ein Produkt des eskalierenden Luftkrieges von 1943-1945 – heute ein mahnendes Relikt einer unheilvollen Zeit“.
Seit Jahren beschäftigt sich Raddatz mit den Bunkern der Stadt und stellt seine Fleißarbeit und sein umfangreiches Wissen auf reich bebilderten Webseiten und in einem Buch zur Verfügung. Seine öffentlichen Führungen stießen auf großes Interesse.
Im Faltblatt „Rundweg Banter See“ von 2011 sind die beiden Bunker noch als Sehenswürdigkeit in Text und Karte aufgeführt. Nun sollen sie zugunsten einer hochpreisigen Wohnbebauung aus dem Gedächtnis der Stadt verschwinden.
Beim Abschieds-Flashmob fasste Raddatz noch einmal die Geschichte zusammen. Ende 1942 ergab sich aufgrund des eskalierenden Luftkrieges über Deutschland auch für die Kriegsmarine die Notwendigkeit, moderne, bombensichere Luftschutzbunker für ihre Soldaten und Werftarbeiter zu errichten. Es entstand ab 1943 der Truppenmannschaftsbunker mit seinen verschiedenen Variationen. Der standardisierte Luftschutzbunker wurde von Emden bis Königsberg erbaut. Der T 750 war für 750 Personen ausgelegt, wobei jedem 0,5 qm zur Verfügung standen. Später wurde er auch von der Zivilbevölkerung genutzt. Kurzzeitig drängten sich bis zu 2800 Menschen in diesen Bunkern.
Das Dach mit einer Dicke von 2,75m wurde noch von einer 1m dicken Platte verstärkt. Die Wandstärke beträgt 2,50m. „Trotzdem boten die Bunker 1945 keine Sicherheit mehr gegenüber den bis dahin entwickelten Bomben der Alliierten“, erläuterte Raddatz. Selbst die 7m dicke Decke des U-Boot Bunkers „Valentin“ in Bremen-Farge wurde zerstört.
Am Bau der Wilhelmshavener Bunker waren auch Zwangsarbeiter aus dem Lager Alter Banter Weg (Außenlager des KZ Neuengamme) beteiligt – ein Grund mehr, die Erinnerung zu bewahren.
Nach dem Krieg wurden die Bunker am Banter See als Lager und Schießstand von der Prince Rupert School genutzt, die von 1947 bis 1972 am Banter See stationiert war.
Bunker sind eigentlich so gebaut, dass sie unkaputtbar sind. „Der Beton war erst 1970, knapp 30 Jahre nach dem Bau, komplett ausgehärtet. Und von sich aus würde er erst nach 200 Jahren anfangen zu bröckeln.“ Entsprechend aufwändig ist der Abbruch. Auf etwa 500.000 Euro werden die Kosten für den Abbruch geschätzt – oder „Rückbau“, wie auf dem Bauschild steht. Gefördert wird die Geschichtsvernichtung aus Städtebaufördermitteln der EU.
„Ohne ihn würde ich heute vielleicht gar nicht hier stehen“, sinniert Raddatz. Denn vielleicht verdankt auch sein Großvater, der damals Marinesoldat war, diesem Bunker sein Leben. „Die Bunker retteten Leben und wollen als Mahnmale erhalten bleiben. Was in ihnen passiert ist, darf nie vergessen werden“.
Nach dem Verlust der Bunker an der Hannoverschen Straße hat Raddatz zwei Jahre lang um die Bunker am Banter See gekämpft – und verloren, wie er trocken feststellt.
In wenigen Wochen wird der T 750 südlich des Innovationszentrums an der Emsstraße Geschichte sein, wie man so sagt. Richtiger wäre: Er wird keine Geschichte mehr sein, die er im Falle seines Erhaltes noch für viele Generationen sicht- und erlebbar gemacht hätte.
Was seinen Zwilling an der Jadeallee, gegenüber des Columbia-Hotels, betrifft, ist Raddatz zur zeit optimistisch. Der Verein hat viele gute Ideen für eine Nachnutzung und ist in gutem Gespräch mit einem Investor, der es ermöglichen könnte, den Bunker zu erhalten.
Offen ist allerdings, wohin das Inventar beider Bunker verschwunden ist. Es soll, ohne den Verein zu involvieren oder zu informieren, von der GGS an einen Dritten abgegeben worden sein.
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