Das Hornbach-Gewinnspiel
Jan 102000
 

Arbeitsamt verteilt fragwürdige Fragebögen an Arbeitslose

(iz) 60 neue Arbeitsplätze winken im neuen Hornbach-Baumarkt, der derzeit am Stadtrand entsteht. Vernünftig, dass sich das Arbeitsamt um die Vermittlung hiesiger Arbeitnehmer bemüht. So finanziert es spezielle Schulungen für zukünftiges Hornbach-Fachpersonal und leitet für das Unternehmen dessen eigene Bewerbungsbögen an Arbeitslose weiter. Dabei werden Langzeitarbeitslose bevorzugt. Klingt gut, hat aber so manche Haken, denen wir auf den Grund gegangen sind.

Wir erhielten den Fragebogen von zwei betroffenen Arbeitslosen, die viele der gestellten Fragen für zweifelhaft hielten (s. Kasten: Auszüge aus dem 3seitigen Hornbach-Fragebogen). Wir konnten uns dem anschließen und ließen ihn von der Rechtsstelle des DGB in Oldenburg prüfen. In der Tat gilt der Grundsatz: Es dürfen nur solche Fragen gestellt werden, die mit dem Arbeitsplatz oder mit der zu leistenden Arbeit in Zusammenhang stehen.
Dass die Frage nach bestehender Schwangerschaft unzulässig ist, sollte inzwischen jede/r mitbekommen haben. Auch nach der Konfession (Religionszugehörigkeit) darf grundsätzlich nicht gefragt werden. (Ausnahmen gelten z. B. für konfessionelle Krankenhäuser). Die Frage nach Vorstrafen ist nur zulässig, wenn und soweit die zu besetzende Arbeitsstelle oder die zu leistende Arbeit dies erfordern. Hornbach versucht dies textlich zu begründen in einer Form, die man für jede beliebige Arbeitsstelle geltend machen könnte. Auch die Frage nach laufenden straf- rechtlichen Ermittlungsverfahren soll unzulässig sein.
Was die Eltern, die Art des Wohnens, der Beruf des Ehegatten, der Wehrdienst usw. mit dem Arbeitsplatz oder mit der zu leistenden Arbeit zu tun haben, bleibt offen.
Abgesehen davon, dass die Aussicht auf einen Arbeitgeber, der den gläsernen Arbeitnehmer wünscht, nicht sehr motivierend ist, könnte man die rechtlich wie sittlich fragwürdigen Fragen theoretisch offen lassen oder falsch beantworten. Doch so einfach ist das nicht:
• Im letzten Absatz droht Hornbach die Konsequenzen an, falls mangelhafte oder falsche Aussagen ans Licht kommen. Zwar sind diese Konsequenzen rechtlich ebenso unzulässig wie die entsprechenden Fragen; die Kündigung muss bzw. wird sich deshalb aber offiziell nicht daran festmachen. Innerhalb der Probezeit kann ohne Angabe von Gründen gekündigt werden, danach lassen sich auch andere Gründe vorschieben.
• Unsere Informanten hatten den Eindruck gewonnen, dass sie vom Arbeitsamt eine Sperre ihrer Bezüge erhalten, wenn sie die von dort ausgehändigten Bewerbungsunterlagen nicht bzw. unvollständig ausfüllen.
Letzteres wirft die Frage auf, inwiefern das Arbeitsamt den Machtmissbrauch dieses potenziellen Arbeitgebers unterstützt. Der zuständige Leiter der Arbeitsvermittlung, Herr Borke, versicherte auf Anfrage, die Androhung einer Sperre der Bezüge im Falle der unvollständigen oder falschen Beantwortung des Hornbach-Bogens entspräche nicht den Tatsachen. Gleichzeitig räumte er ein, dass der Bogen vor der Weitergabe nicht vom Arbeitsamt geprüft worden war: „Den geben wir gleich so mit.“ Im Nachhinein erkennt auch er die Mängel des Fragebogens, der den arbeitsrechtlichen Kriterien nicht entspricht. Einen vergleichbar fragwürdigen Fragebogen hatte übrigens damals auch Jadekost für BewerberInnen erstellt.

Auf Hornbach geschult

67 arbeitslose WilhelmshavenerInnen begaben sich in eine 6monatige Fortbildungsmaßnahme für die potenzielle Tätigkeit bei Hornbach im Bau- und Gartenmarkt. Bezahlt wird die Maßnahme vom Arbeitsamt, durchgeführt vom Berufsfortbildungswerk des DGB. Während der Maßnahme erhalten die TeilnehmerInnen Unterhaltsgeld, das (wenn auch unwesentlich) über den sonstigen Bezügen vom Arbeitsamt liegt. Mit der Teilnahme ist die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis bei Hornbach nicht garantiert. Hornbach ist bekannt für die gute Fortbildung seiner MitarbeiterInnen; diese Qualifikation im Vorfeld bezahlt allerdings die öffentliche Hand. Solche gezielten Schulungen sind durchaus üblich, z. B. wurden sie in den 70ern auch für Chemiefacharbeiter in Hinblick auf mögliche Arbeitsplätze im Voslapper Groden angeboten. Auf der einen Seite ist das eine indirekte Subvention der Unternehmen, die sich – wie Hornbach – allenfalls durch finanzierte Praktika der Teilnehmer in bestehenden Filialen beteiligen. Andererseits ist diese einmalige Qualifikation aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung, sofern die Teilnehmer von den Betrieben übernommen werden, günstiger als die dauerhafte Zahlung von „Stütze“: zwei Drittel der so Qualifizierten werden innerhalb von 6 Monaten nach Abschluss vermittelt. Und natürlich können sich z. B. Hornbach-Geschulte auch beim „Praktiker“ oder anderen Fachmärkten bewerben.

Langzeitarbeitslose bevorzugt

Grundsätzlich, so Manfred Klöpper vom DGB-Kreis Oldenburg-Wilhelmshaven, ist die Zusammenarbeit zwischen Hornbach und Arbeitsamt zu befürworten. 100% der Hornbach-Beschäftigten sollen vom hiesigen Arbeitsmarkt, also nicht von außerhalb oder aus anderen Betrieben heraus kommen. Dass vor allem Langzeitarbeitslosen (länger als ½ Jahr arbeitslos) die Bewerbung und Qualifikation für Hornbach angeboten wurde, klingt zunächst auch sozial positiv. Auf den zweiten Blick muss man aber einräumen, dass vor allem der Arbeitgeber davon profitiert, weil nämlich mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit die Zumutbarkeit bestimmter Beschäftigungen und entsprechender Bezahlung sich verschärft, wie uns Werner Ahrens von der Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven/Friesland darlegte:
• In den ersten 3 Monaten der Arbeitslosigkeit müssen Arbeitslose Tätigkeiten akzeptieren, bei denen Lohn oder Gehalt bis zu 20% unter dem letzten Einkommen liegen.
• Bei 3 bis 6 Monaten Arbeitslosigkeit sind 30% Abzug zumutbar.
• Ab 6 Monaten Arbeitslosigkeit ist ein Lohn / Gehalt zu akzeptieren, das der Höhe der aktuellen Leistungen des Arbeitsamtes entspricht.
De facto ist damit die eigentliche Qualifikation, der Berufsschutz, nach 6 Monaten nichtig. (Z. B. die abgeschlossene Berufsausbildung plus -erfahrung unserer Informanten, mit der sie für eine reine Verkäufertätigkeit bei Hornbach weit überqualifiziert wären). Wer Langzeitarbeitslose einstellt, zudem mit einer zusätzlichen, auf sein Unternehmen ausgerichteten Fortbildung, bekommt also für wenig Geld hoch qualifizierte MitarbeiterInnen.


Auszug aus dem Hornbach-Bewerbungsbogen

Jeweils mit ja / nein oder entsprechenden Angaben zu beantworten
  • Konfession?
  • Ich lebe in eigenem Hausstand – möbliert – bei den Eltern
  • Anschrift und Telefonnr. der Eltern oder der nächsten Angehörigen
  • Beruf des Ehegatten bzw. des Vaters / der Mutter
  • Üben Sie eine weitere entgeltliche Tätigkeit aus?
  • Üben Sie Ehrenämter aus? Wenn ja, welche?
  • Dürfen Sie ohne Beeinträchtigung Ihrer Gesundheit die bei der voraussichtlichen Tätigkeit anfallenden Arbeiten verrichten?
  • Welche Dauerleiden oder Beschwerden haben Sie?
  • Ist eine Vorbeugungs-, Heil- oder Genesungskur beantragt oder bewilligt? Wenn ja, von – bis
  • Besteht bei Ihnen zur Zeit eine Schwangerschaft?
  • Haben Sie einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter oder Gleichgestellter gestellt?
  • Beziehen Sie Rente? Wenn ja, Art der Rente? Höhe der Rente? Datum des Rentenbescheides?
  • Wehrdienst / Ersatzdienst abgeleistet? Wenn ja, von – bis:
  • Wenn nein: wurden Sie bereits gemustert?
  • Wenn ja, Tauglichkeitsgrad:
  • Sind Sie in ungekündigter Stellung?
  • Zeitpunkt und Dauer Ihres letzten Urlaubs?
  • Haben Sie bereits Ihren Jahresurlaub geplant? Wenn ja, von – bis:
  • Wie hoch war / ist Ihr letztes monatliches Bruttoeinkommen?
  • Welche Konfektionsgröße (Berufsbekleidung) haben Sie?
  • Welche Schuhgröße (Sicherheitsschuhe – betrifft nur Markt) haben Sie?

Da in unserem Unternehmen viele Menschen mit Geld und Waren umgehen, Zugang zu Konten haben oder ein Kraftfahrzeug dienstlich steuern müssen, ist es erforderlich, Ihnen einige weitere Fragen nach evtl. Strafen oder Ihren Vermögensverhältnissen zu stellen. Und nun zu den Fragen:

1. Sind Sie vorbestraft? Wenn ja, aus welchem Grund, für wie lange und seit wann?
2. Schwebt gegen Sie ein Ermittlungs- oder Strafverfahren?
3. Liegen Lohnpfändungen und / oder Abtretungen vor oder sind solche zu erwarten? Wenn ja, in welcher Höhe?

Soweit vorstehende Fragen nicht bzw. mit einem „Strich“ beantwortet werden, gilt dies als Verneinung.
Ich versichere, daß die von mir gemachten Angaben vollständig sind und der Wahrheit entsprechen. Es ist mir bekannt, daß falsche Angaben oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen die Firma zur Anfechtung des Vertrages oder zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt.

Kommentar:

Von der Moral und der Macht
Der Hornbach-Baumarkt ist nur ein Beispiel dafür, wie Investoren als zukünftige Arbeitgeber hofiert werden. Nicht nur in Wilhelmshaven, wenngleich bei langfristigen „Spitzenwerten“ von 20% Arbeitslosen die üblichen Marktbedingungen hier verschärft greifen. Was für Arbeitssuchende zumutbar ist und welchen Sanktionen sie ausgesetzt sind, bestimmt die Bundesanstalt für Arbeit; dass Hornbach und andere Unternehmen das ausnutzen und dabei von örtlichen Arbeitsvermittlern unterstützt werden, ist – moralische Anschauung mal ausgeklammert – aus wirtschaftlicher Sicht nachzuvollziehen. Aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit finanzierte Qualifikationen, spezifisch ausgerichtet für einzelne Unternehmen, ohne Übernahmegarantie, aber mit immerhin deutlicher Vermittlungschance sind volkswirtschaftlich noch vertretbar. Wie Unter- nehmen von den Zumutbarkeitsgrenzen und entsprechenden Sanktionen der Arbeitsämter gegenüber Arbeitslosen gezielt profitieren können, steht schon auf einem anderen Blatt, wenngleich es ortsübliche Tarife gibt – die sind in Krisenregionen wie unserer nach unten hin sehr flexibel.
Eine gute Zusammenarbeit zwischen dem örtlichen Arbeitsamt und Arbeitgebern ist durchaus zu begrüßen – solange die Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitslosen im Vordergrund steht. Dazu gehört zum Beispiel, deren Rechte bestmöglich auszuschöpfen und zu wahren. Im Fall Hornbach wurde eine Rechtslücke, die das Unternehmen nutzte, nicht erkannt: ein Bewerbungsbogen, der in großen Teilen arbeitsrechtlich nicht zulässig, jedoch mit vorhandenen Rechtsmitteln nicht anfechtbar ist. Dass diese vom Unternehmen erstellten Unterlagen ohne vorherige Prüfung vom Arbeitsamt an Arbeitslose weitergereicht werden, ist keine Entschuldigung, allenfalls eine Erklärung für ein mögliches Missverständnis. Im Nachhinein lässt sich nicht belegen, ob den Betroffenen – abgesehen von der Entscheidung des Unternehmens – seitens des Arbeitsamtes ausdrücklich eine Sperre gedroht hätte, sofern sie die fragwürdigen Fragen nicht oder falsch beantwortet hätten. Sie vertrauen darauf, dass die ausgehändigten Unterlagen offizieller Bestandteil der Bewerbung und bei Nichtbeachtung mit den ihnen bekannten Sanktionen verknüpft sind.
In dem Wissen über die Macht der Arbeitgeber gegenüber seinen Schützlingen sollte sich das Arbeitsamt zukünftig intensiver mit den entsprechenden Rechtsgrundlagen und -lücken befassen.

Imke Zwoch

 Posted by at 18:11

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