Klimawende
Jul 011998
 

Es wird wärmer…

…aber auch ungemütlicher. Eine Buchbesprechung

(noa) Haiangriff im Jadebusen? – Das wird niemals passieren, denn bis das Klima sich so weit geändert hat, dass Tiger- oder Weißhaie in unseren Breiten eine neue Heimat finden können, werden wir längst unsere neue Heimat weiter südlich gesucht haben, vielleicht am Rhein, in dem dann wieder Flusspferde baden werden.

KlimawendeDas Szenario ist sattsam bekannt. Wir kennen die Landkarte mit dem Nordseehafen Hannover aus dem Jahr 2100 und ähnliche Warnungen, und nach Möglichkeit denken wir nicht darüber nach.

Das Klima gerät weltweit aus dem Gleichgewicht, aber es wird fast nichts unternommen, um den dramatischen Wandel aufzuhalten. Die Autoren des jüngst erschienenen Buches „Klimawende. Schritte gegen den Treibhauseffekt“ *) setzen sich fundiert mit dem Thema auseinander und nennen Maßnahmen, die dringend erforderlich und durch- aus auch durchführbar sind.

Fakten und Prognosen – der aktuelle Stand der Klimaforschung heißt der Beitrag aus physikalischer Sicht. Er prognostiziert eine Erwärmung der Erdatmosphäre um rund 2 Grad innerhalb der nächsten 100 Jahre, eine Entwicklung, die mit veränderten Niederschlagsmengen, einem Anstieg des Meeresspiegels und stärkeren Stürmen einhergehen wird und die Lebensbedingungen in den meisten Gebieten der Erde drastisch verschlechtern wird. Kohlendioxid, Methan, Distickoxide und andere Gase, die in kleinen Mengen den durchaus erwünschten Treibhauseffekt hervorrufen und damit das Leben auf der Erde überhaupt erst ermöglichen, werden in so großen Mengen emittiert, dass es bald ungemütlich werden wird. Diese These wird von einigen Klimaforschern heftig bestritten (auf die beziehen sich im Allgemeinen die Politiker, die sich des Problems nicht annehmen), doch: „Seit Anfang dieses Jahrhunderts hat sich die bodennahe Luft im globalen Mittel um 0,3 bis 0,6 Grad Celsius erwärmt. (…) Überhaupt ist auffällig, dass neun der zehn wärmsten Jahre seit dem Beginn der Temperaturmessungen alle in den achtziger und neunziger Jahren lagen. Schon jetzt lässt sich sagen, dass dieses Jahrhundert das wärmste seit 600 Jahren ist.“

Um hier eine Wende einzuleiten und die Folgen – unmittelbare Gefährdung des Lebensraumes von über 100 Millionen Menschen, Gefährdung der Trinkwasserversorgung und der Bewässerung der landwirtschaftlichen Flächen in vielen Regionen, Verwüstung Südeuropas, Rückkehr von hier ausgerotteten Infektionskrankheiten usw. – wenigstens zu mildern, wäre eine Erhöhung der Energieeffizienz um den Faktor vier in den Industriestaaten erforderlich – doch auch „fünf Jahre nach dem ‘Erdgipfel’ von Rio hat sich international noch nicht viel getan“ und „auf nationaler Ebene sieht es nicht unbedingt besser aus.“

Im Beitrag Frischer Wind für die Energiewende wird aufgezeigt, dass und wie die Energieversorgungsunternehmen ihre Macht benutzen, um mit ihrer marktbeherrschenden Stellung die dringend nötige Wende zu verhindern. „Ein Erfolgsrezept … ist vor allem die Einbindung von Kommunalpolitikerinnen und -politikern in die Vorstände, Aufsichtsräte und Beratungsorgane“.

Die Grundlage der Monopolstruktur in der deutschen Stromwirtschaft ist übrigens ein Gesetz, das Nazideutschland zur Kriegsvorbereitung brauchte: Das Energiewirtschaftsgesetz aus dem Jahre 1935, das den Konzentrationsprozess der Stromwirtschaft unterstützen und so die reibungslose Energieversorgung der Rüstungsindustrie sichern sollte, ist fast unverändert geblieben. Ein sparsamerer Umgang mit Energie wäre zu erreichen durch die Liberalisierung des Strommarktes bei gleichzeitiger Einführung einer Energiesteuer – Zukunftsmusik?

Der Aufsatz Verkehr: Mobil zum Klima-Crash? widerlegt die Lügen der Automobilindustrie über den Beitrag des Autoverkehrs zur Klimakatastrophe, beleuchtet die Rolle des ADAC bei der Verhinderung von Maßnahmen zur Einschränkung des Individualverkehrs (ob die 13 Millionen ADAC-Mitglieder, die ja wohl in erster Linie wegen des Pannendienstes beigetreten sind, wohl wissen, dass ihre große Zahl benutzt wird, um der Parole „Freie Fahrt für freie Bürger“ das Wort zu reden?) und weist nach, dass die Bahnreform keineswegs, wie von der Regierung behauptet, den Energieverbrauch senken wird.

In Landwirtschaft: Gut gedüngt ins Treibhaus geht es nicht um die fast ausgestorbenen Kleinbauern, sondern um die Agrarindustriellen, die in großem Stil mit Stickstoffdünger direkt und indirekt zur Erwärmung der Erdatmosphäre beitragen bzw. durch Massentierhaltung für große Mengen des klimaschädlichen Methans verantwortlich sind. Die Intensivierung und Mechanisierung in der Landwirtschaft verbraucht einerseits Unmengen Energie und hat andererseits jede Menge Arbeitskraft eingespart. Ein flächendeckender ökologischer Landbau würde bei einer nur geringfügigen Verteuerung der Lebensmittel (von 12,3 auf 14,3 % Anteil an den Ausgaben der VerbraucherInnen) das Klima schonen und Arbeitsplätze schaffen. Aber: „In keinem anderen Bereich steht die umweltfreundliche Alternative so direkt neben der problematischen Wirtschaftsweise wie in der Landwirtschaft. Dennoch scheint eine Wende der Landwirtschaftspolitik politisch immer noch weit entfernt.“

Die zwei großen Probleme unserer Zeit, die Umweltverschmutzung und die Arbeitslosigkeit, haben eine gemeinsame Ursache, nämlich die Tatsache, dass die Kosten für Umwelt- und Gesundheitsschäden nur zu einem kleinen Teil in die Marktpreise eingehen. So lohnt sich im Wettbewerb das ökologisch sinnvolle Verhalten nicht. „Es liegt also nahe, durch eine Energiesteuer die Energiepreise zu erhöhen und den Energieverbrauch zu senken. Mit dem Steueraufkommen könnten beispielsweise die Arbeitskosten gesenkt oder zukunftsweisende ökologische Projekte finanziert werden.“ Wie im Beitrag Umsteuern mit Ökosteuern gezeigt wird, scheitert diese Überlegung bislang daran, dass sowohl in Bonn als auch in Brüssel die Großkonzerne die Fäden ziehen.

Deren freiwillige Leistungen zum Klimaschutz, so das Fazit des Beitrages Preis ohne Fleiß, lassen die regelmäßig versprochenen „besonderen Anstrengungen“ missen. Viele Unternehmen kassieren Belohnungen für die Senkung der Kohlendioxidemissionen pro Produkt, steigern aber die Produktion so sehr, dass sie in Wirklichkeit die Emissionen erhöhen. In vielen Branchen versprechen die Unternehmen weit weniger Energieeinsparung und damit Emissionssenkung, als sie technisch erreichen könnten.

Nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch international erlauben sich die großen Umweltverschmutzer mehr CO2-Ausstoß als technisch nötig. In Vom Händel mit dem Handel wird das System handelbarer Emissonsrechte erläutert: „Die teilnehmenden Staaten einigen sich auf eine Gesamtmenge an CO2, die maximal ausgestoßen werden darf. Jedes Land bekommt dann eine bestimmte Emissionsmenge zugeschrieben, die nicht überschritten werden darf. Staaten, die weniger Treibhausgase emittieren als ihnen erlaubt wurde, können die überschüssigen Emissionsrechte dann an andere Staaten verkaufen, die ihre erlaubten Emissionen überschreiten.“

Das Nachwortfasst zusammen: „Das Problem ist erkannt, und wirksame Instrumente zu seiner Lösung liegen bereit. … Die Bilanz der tatsächlich umgesetzten Maßnahmen fällt dagegen extrem schlecht aus.“ q

*) Robin Wood (Hrsg.), Klimawende. Schritte gegen den Treibhauseffekt, Göttingen 1998, Verlag Die Werkstatt

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